Humboldt-Universität zu Berlin - Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät - Nordeuropa-Institut

Henry Werner
Geld und Gemeinschaft. Deutscher Mark-Nationalismus und schwedischer Geld-Pragmatismus

Geld und Gemeinschaft ist eine kulturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem soziologischen Begriff der Geldgemeinschaft. Ausgehend von den kultischen, religiösen und politischen Funktionen des Geldes in der Geschichte wird gezeigt, warum ein scheinbar neutrales Gut wie das Geld als Motor und Symbol der Gemeinschaftsbildung dienen kann.

In einer methodischen Einleitung wird das Geld in seiner Funktion als Zeichen und als Gegenstand von Diskursen untersucht. Unter dem letztgenannten Aspekt wird abgeleitet, wie Geld in seinen vormodernen Erscheinungsformen als Mittel der Gemeinschaftsbildung (z.B. als religiöses Symbol oder als Mittel zur Nationenbildung) gedient hat. Hieraus wird abgeleitet, wie im heutigen Geld die modernen Funktionen nur die ökonomische Schale eines kulturellen Symbols ausmachen.

Im empirischen Teil wird diese Sicht anhand des deutschen und des schwedischen Beispiels beleuchtet:

Plakatives Beispiel für die symbolische Ladung von Währungen ist die eigentümliche Bindung der Deutschen zu ihrer D-Mark - eine Bindung, die sich in besonderer Deutlichkeit an den Diskursen im Vorfeld der Euro-Einführung festmachen lässt. Wie kam es dazu, dass die D-Mark zu einem Nationalsymbol der Deutschen wurde? Wie wird das von der Mark hinterlassene Identitäts-Vakuum gefüllt? Kann der Euro zum Träger einer europäischen Identität werden? Anhand eines Krisen-Stabilisierungsmusters wird an den Beispielen der Hyperinflation der zwanziger Jahre, der Währungsreform von 1948 und der Währungsunion von 1990 beleuchtet, wie Zerfall und Aufbau gesellschaftlicher Ordnung an die Währungsordnung geknüpft ist und wie diese Erfahrungen in das kulturelle Gedächtnis einfliessen.

In einem Vergleich wird das scheinbar pragmatische Verhältnis der Schweden zu ihrer Krone beleuchtet. Anhand zentraler Begriffe udn Diskurse (z.B. der Almqvistsche Armuts-Diskurs oder die kulturelle Konstruktion des Folkhem) wird dieser Pragmatismus beleuchtet. Im zeitlichen Ablauf zeigt sich, dass ein einst pragmatisches Verhältnis zur eigenen Währung in den vergangenen Jahren ebenfalls umgeschlagen ist: Auch in Schweden wird die Krone zunehmend als Symbol der nationalen Identität verstanden. Dieser Umschwung ist insbesondere an die Erfahrungen der Währungskrisen in den frühen neunziger Jahre geknüpft.

Die beiden empirischen Beispiele sind auf den Fall der Euro-Einführung zugespitzt. Es wird untersucht, wie die Einführung (bzw. im schwedischen Fall: die Nicht-Einführung) im öffentlichen Diskurs aufgegriffen wird. Die Euro-Frage als Frage nationaler Identität, insbesondere im deutschen Diskurs, wird besonders beleuchtet.

Im Ausblick wird der Frage nachgegangen, in welcher Weise die Digitalisierung des Geldes Auswirkungen auf die Konstitution von Währungsgemeinschaften hat.

 

[Dissertationen am Nordeuropa-Institut]