Humboldt-Universität zu Berlin - Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät - Nordeuropa-Institut

Kazimierz Musiał
Roots of the Scandinavian Model. Image of Progress in the Era of Modernisation
(Diss. Manuskript. Berlin 1999, 307 S.)

Thema der Arbeit ist die konstruktivistische Genese des progressiven Wohlfahrts- und Sozialstaatmodells skandinavischer Provenienz; es wird der Frage nachgegangen, warum spätestens seit den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts in den angelsächsischen Ländern ein positiv konnotiertes Modellbild der skandinavischen, insbesondere schwedischen Moderne entstehen konnte. Diese Fragestellung wird weiter durch einen diachronischen Vergleich zwischen Dänemark und Schweden vertieft. Tatsache ist, dass der dänische Fall auch nach Einschätzung der zeitgenössischen Beobachter und Experten der eigentlich paradigmatische ist: In Dänemark war es nach den politischen und ökonomischen Krisen des ausgehenden 19. Jahrhunderts gelungen, eine effektive und prosperierende Wirtschaftsstruktur sowie ab den dreißiger Jahren eine vorbildliche Sozialgesetzgebung zu etablieren. Schweden auf der anderen Seite galt als politischer und ökonomischer Sanierungsfall, es war das "Armenhaus Europas". Zusätzlich galt es zu beantworten, warum Schweden sich als Wohlfahrtsstaats-Modell in der internationalen Publizistik durchsetzen sollte und nicht das politisch und sozial avancierte Dänemark. Im Vergleich der Stereotypen und ihrer Bildung wird erhellt, welche Rückwirkung jeweils unterschiedliche Strategien auf die kulturelle Konstruktion von politischer und sozialer Wirklichkeit haben.

In der Arbeit ging es um die Begründung der Vorstellung von einem skandinavischen Modell als progressiver Politik- und Sozialutopie. Aufgrund der aufgefundenen journalistischen und wissenschaftlichen Literatur wurde belegt, wieso und wann sich die angelsächsischen Beobachter von dem positiv gezeichneten Bild Dänemarks - als einem demokratischen und sozialen Musterland der 1920er Jahre, von dem man gefälligst zu lernen habe, wenn es nicht gar zu imitieren sei - abwenden zugunsten des schwedischen Modells. Ein Teil der Erklärung liegt in den wissenschaftlichen Marketing-Strategien führender Sozialprofessoren Schwedens, die gegenüber amerikanischen Großstiftungen das Bild eines vorbildlichen und der wissenschaftlichen Untersuchung würdigen Landes propagierten. Konstruktion und Kontinuität des amerikanischen Diskurses wird durch Beispiele ergänzt, welche konkrete Vorbildfunktion das schwedische Modell für die amerikanische und britische Politik der dreißiger Jahre gehabt hat. Im abschließende Kapitel wird die Perspektive von heute auf die zwanziger und dreißiger Jahre eröffnet, also die Jahre, in denen das Modelldenken aufkommt. Gleichzeitig wird die Linearität des Utopiedenkens, das sich bis in die siebziger und achtziger Jahre bemerkbar macht, analysiert.

Ein wesentliches Ergebnis der Arbeit ist die angehängte Liste der Quellliteratur aus den Jahren 1915 bis 1939. Als Quellen werden hauptsächlich angelsächsische Texte verwendet, die sich von Artikeln und Aufsätzen, journalistischen Beobachtungen und Reiseberichten bis zu wissenschaftlichen Werken erstrecken. Als besonders nützlich sind zeitgenössische Zeitschriftartikel anzusehen, in welchen sich der Zeitgeist und die wechselnden politischen Orientierungen am besten manifestieren mögen.

 

[Dissertationen am Nordeuropa-Institut]