Humboldt-Universität zu Berlin - Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät - Nordeuropa-Institut

Sten Berglund
Bericht: Dag-Hammarskjöld-Stiftungsgastprofessur 2005/2006

 

 

1. Einleitung

Ein Jahr ist jetzt vergangen, seitdem ich eine dreijährige Stiftungsprofessur in Berlin angetreten habe, die den Namen meines berühmten schwedischen Landsmanns Dag Hammarskjöld trägt. Dag Hammarskjöld war nicht nur ein hervorragender Wissenschaftler der Volkwirtschaft sondern auch ein geschickter Diplomat und Unterhändler mit globalen Visionen. Sein Name ist mit den Vereinten Nationen und deren Bemühungen um den Weltfrieden eng verbunden. Ich werde in der Zusammenfassung meines Berichts zu diesem Thema zurückkeh-ren, nämlich der Frage, ob und inwieweit die Dag-Hammarskjöld-Professur am Nordeuropa-Institut (NI) der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) dazu geeignet ist, die geistige Hinterlassenschaft dieses hoch begabten und zugleich seltsamen Menschen darzustellen und zu erklären. Betont werden muss - auf jeden Fall und warum nicht gerade jetzt -, dass Hammarskjöld auf innenpolitisch ein eher zurückhaltendes, überparteiliches Profil pflegte. Seinen Ruf verdankt er den Vereinten Nationen, deren Generalsekretär er während der zunehmenden Spannungen des Kalten Krieges war.

Die Gliederung meines Berichts fällt eher konventionell aus. Professoren ha-ben bekanntermaßen eine Reihe von akademischen Verpflichtungen - Unter-richt, Forschung und Vermittlung ihrer Forschungsergebnisse und Einsichten, nicht nur in die akademische Gemeinschaft hinein sondern auch in die allgemeine Öffentlichkeit, soweit sie sich dafür interessiert. Mein erster Bericht an den Stifterverband für die deutsche Wissenschaft ist jeder dieser verschiedenen Aufgaben gewidmet; sie werden in der oben erwähnten Reihenfolge angesprochen.

 

2. Unterricht

Meine Lehrveranstaltungen haben sich auf drei Seminare oder Vorlesungsreihen pro Semester verteilt. Angeboten wurden im Wintersemester 2005/2006 beziehungsweise im Sommersemester 2006 Seminare und Vorlesungen zu den folgenden Themen:

Wintersemester 2005/2006

  • Politisk kultur i Norden (Politische Kultur im Norden)
  • Val, väljare och valsystem i de nordiska länderna (Wahl, Wähler und Wahlsystem in den nordischen Ländern)
  • Vergleichende nordische Politik
Sommersemester 2006/2007
  • Europäische Integration unter neuen Voraussetzungen
  • Finland som avvikande fall i den nordiska kontexten (Finnland als Außenseiter, abweichender Fall im nordischen Kontext)
  • Minoriteter i Östersjöregionen (Minderheiten im Ostseeraum)

Mein Eindruck über die Studierenden ist im Grunde genommen sehr positiv. Besonders beeindruckt bin ich von den Sprach- und Sachkenntnissen der Studierenden des Nordeuropa-Instituts. Die meisten Skandinavier haben ihre eigenen Muttersprachen als Werkzeuge internationaler, wissenschaftlicher Kommunikation abgeschrieben - hier in Berlin, in der Mitte Europas, befand ich mich umgeben von Studierenden, die an Seminaren und Vorlesungen teilnehmen, nicht nur weil die Kursbeschreibungen ihnen interessant erschienen, sondern auch weil ihnen Schwedisch als Unterrichtsprache wichtig ist.

Meine Vorlesungen zum Thema: Europäische Integration unter neuen Voraussetzungen, die in Zusammenarbeit mit der sozialwissenschaftlichen Fakultät auf Deutsch angeboten wurden, mobilisierten 20-30 Teilnehmer. Das Kursangebot mit Schwedisch als Unterrichtsprache hat nicht dieselbe Anziehungskraft auf die Studierenden ausgeübt. Die zwei Hauptseminare zum Thema nordischer Kultur (WS 2005/06) beziehungsweise Minderheiten in der Ostseeregion haben immerhin sechs bis zwölf Studierende mobilisiert, die meisten davon hoch motiviert. Mit diesem Ergebnis bin ich sehr zufrieden, denn es geht hier um Studierende, die zwei Hürden haben überwinden müssen: Sie müssen mit Gesellschaft und Politik der skandinavischen Länder vertraut sein, und sie müssen darüber hinaus mit gesprochenem und geschriebenem Schwedisch zu Recht kommen können.

Lehrveranstaltungen und Unterricht sind - wie überall - mit Betreuung einzelner Studierender verbunden. Der Gespräch- und Betreuungsbedarf der Stu-dierenden an der Humboldt-Universität ist aber erheblich geringer als ich - vor dem Hintergrund meiner langen Laufbahn in Schweden und Finnland - erwartet hatte. Studierende der HU sind entweder von Anfang an selbständiger als Studierende in der nördlichen Ecke Europas oder aber zur Selbständigkeit aufgefordert von Professoren, die davon als normalem Zustand ausgehen. Mit Doktoranden und Doktorandinnen verhält es sich anders. Sie befinden sich in Deutschland wie in Schweden in ständigem Gespräch mit ihren Betreuern. Das Gespräch klingt ab und zu ab, aber kann irgendwann wieder aktiviert werden. Meine Doktoranden in Örebro und Bergen müssen auch jetzt mit mir rechnen können genau wie die Doktoranden im Doktorandenkolloquium des Kollegen, Herrn Professor Dr. Bernd Henningsen am Nordeuropa-Institut. Zwei der sechs Örebro-Doktoranden (Thomas Sedelius und Kjetil Duvold), die mir vor meinem Amtsantritt in Berlin zugeordnet worden waren, haben im Juni diesen Jahres ihre Doktorarbeiten erfolgreich verteidigt und dadurch die Doktorwürde erworben. Einer der zwei HU-Doktoranden (Helge Dauchert), den ich an der Seite des Kollegen Henningsen betreut habe, hat seine Doktorarbeit mittlerweile eingereicht; innerhalb der nächsten Wochen erwarten wir die Doktorarbeit von Frau Katrin Steinbrenner.

 

3. Forschung und andere wissenschaftliche Verpflichtungen

Zu den Hauptaufgaben eines Professors - einige würden sogar (wie ich) eher von der Hauptaufgabe eines Professors sprechen - gehört, die eigene Forschung zu pflegen und gegebenenfalls das wissenschaftliche Profil des Instituts zu schärfen, die wissenschaftliche Arbeit des Instituts zu überprüfen und zu koordinieren. Als Inhaber einer befristeten Gastprofessur bemühe ich mich ganz bewusst darum, mich nicht zu tief in die inneren Angelegenheiten des Instituts einzumischen. Ich bin aber genau wie der jetzige Institutsdirektor, Kollege Henningsen, der Meinung, dass die Präsenz der Politikwissenschaft in Forschung und Lehre dem Institut beim Tauziehen mit anderen vergleichbaren Einrichtungen Deutschlands einen deutlichen Konkurrenzvorteil verleiht und werde mich vorbehaltlos dafür einsetzen. An der Entwicklung der Politikwissenschaft am Nordeuropa-Institut nehme ich zusammen mit Professor Henningsen teil.

Wir freuen uns beide ganz besonders über die der Dag-Hammarskjöld-Professur von der Reichsbankstiftung im Sommer 2006 bewilligten zusätzlichen Forschungsmittel für die Finanzierung von zwei Postdoc-Stellen ab dem Wintersemester 2006/07. Der erste Stipendiat, Dr. Kjetil Duvold (Örebro), ist gerade nach Berlin umgezogen. Dr. Carsten Schymik wird ab Januar nächsten Jahres eingestellt werden. Die Verträge der Beiden haben eine Laufzeit von zwölf Monaten. Die Bewilligung der Stiftung beläuft sich auf insgesamt zwei Jahre, so dass die Gesamtzeit meines Berliner Gastaufenthaltes durch die Postdoc-Stellen verstärkt wurde.

Zu meinem Publikationsverzeichnis habe ich im Laufe des vergangenen aka-demischen Jahres die folgenden Schriften hinzufügen können:

  • mit Joakim Ekman, Henri Vogt und Frank Aarebrot (2006), The Making of the European Union: Foundations, Institutions and Future Trends, Cheltenham, Edward Elgar.
  • (2006), 'Le soutien à l´union européenne', in Charles Franck (Hrsg.), L´union européenne et son contexte constitutionnel: union politique et légitimité. II Enjeux économiques externes et internes, Annales d´études européennes de l´Université catholique de Louvain, vol.8, Bruxelles, Editions Bruylant.
  • mit Joakim Ekman (2006), 'The State of Political Science in Sweden', in Hans-Dieter Klingemann (Hrsg), The State of Political Science in Western Europe, Opladen, Barbara Budrich Publishers.

Dazu kommen noch drei bisher nicht veröffentlichte Manuskripte, darunter meine Antrittsvorlesung im Dezember 2006, ein Vortrag zum Thema Verfassungen als Werkzeuge schöpferischer Gestaltung des politischen Lebens in Krakau 2006 und eine Analyse der schwedischen Wahlen des Jahres 2005. Der 2006 in französischer Sprache erschienene Artikel basiert übrigens auch auf einem Vortrag an einer Konferenz in Louvain im Oktober 2005.

Auf akademische Aufträge, die sozusagen zum Alltag eines Professors gehören (Gutachten etc.), gehe ich hier nicht ein. Erwähnt werden soll nur, dass ich mit meinem Umzug nach Berlin nicht aus der schwedischen Liste möglicherweise anzufragender Gutachter ausgefallen bin.

 

4. Dag-Hammarskjöld-Vorlesungsreihe im Sommersemester 2008

Angebracht wäre im Sommersemester 2008, dem letzten Semester im Rahmen meiner Vertragszeit, eine Vorlesungsreihe zum Thema Dag Hammarskjöld anzubieten. Ich würde als Leiter und Koordinator dafür zuständig sein. Ich stehe für die politikwissenschaftliche Dimension seines Lebens und Denkens gerne zur Verfügung. Darüber hinaus sollte die Vorlesungsreihe auf Gastvorlesungen beruhen, die zum Teil im forum NORDEUROPA des Instituts eingegliedert werden könnten. Es gibt Anzeichen dafür, dass zusätzliche Mittel von der Reichsbankstiftung in Schweden bewilligt werden. Ich werde in den nächsten Wochen einen Antrag an die Stiftung stellen. Die Planung werde ich unmittelbar nach einer positiven Entscheidung der Reichsbankstiftung in Gang setzen.

 

Berlin, den 06. Dezember 2006

Sten Berglund