Humboldt-Universität zu Berlin - Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät - Nordeuropa-Institut

Wissenschaftliche Projekte – 1998

Bernd Henningsen/Bo Stråth u. a.: Den kulturella konstruktionen av gemenskaper i moderniseringsprocessen: Sverige och Tyskland i jämförelse – Die kulturelle Konstruktion von Gemeinschaften im Modernisierungsprozeß: Schweden und Deutschland

Die vom linguistic turn in den Sozialwissenschaften geprägte Fragestellung des Projektes beschäftigt sich mit der identitätsstiftenden Fuktion von Sprache und Symbolen im interkulturellen Vergleich. Die Erklärbarkeit sozialer Modernisierung wird als abhängig von der Durchbrechung begrifflicher Dichotomien betrachtet, die die klassischen heuristischen Modelle system(at)ischen Zuschnittsprägen. Ausgehend von der Thematisierung von Krisenerfahrungen werden komparativ soziale Veränderungen in Schweden und Deutschland untersucht, wobei der Untersuchungsraum sich von der Romantik als Mythos der Moderne bis zur Problematisierung des wohlfahrtsstaatlichen Modells erstreckt. Wie reagieren nationale Gemeinschaften auf der Grundlage ihrer kulturellen Konstruktion auf die krisenhaften Herausforderungen der sogenannten „Moderne“? Die Abkehr von begriffsanalytischer Heurisitik und dem Versuch der naturwissenschaftlichen Anverwandlung begünstigt eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ungewöhnlicheren Zuschnitts: Es sind nicht nur Soziologen, Historiker und Politologen, die mit Literaturwissenschaftlern kooperieren – auch Ökonomen nehmen teil.

Das vom Jubiläumsfonds der Schwedischen Reichsbank finanzierte Forschungsprojekt läuft bis Ende 1999. Im Jahr 1998 gelang eine weitere inhaltliche Profilierung durch verschiedene internationale Konferenzen und Workshops in Florenz und Berlin sowie die Fortführung der Publikationsreihen. Dieser Weg der fächer- und länderübergreifenden Vernetzung soll bis zum Projektende weiter beschritten werden. Über die Konferenzplanung für das laufende Jahr geben Projektleiter oder Projektkoordinator gern Auskunft.

Auf personeller Ebene haben sich im vergangenen Jahr folgende Veränderungen ergeben: Nachdem 1997 bereits Henry Werner und Kazimierz Musiał das Projekt durch ihre Promotionsvorhaben verstärkt sowie Claudia Beindorf und Heike Graf ihren „tjänst“ an Södertörns Högskola (Stockholm) angetreten hatten, kamen Anfang 1998 Patrick Vonderau und Stephan Muschick als Doktorand bzw. Wissenschaftlicher Mitarbeiter zum Projekt hinzu. Letzterer ist gleichzeitig für den administrativen Teil des Projektes verantwortlich. Durch die Zugänge erfuhr die „Gemeinschaft“ weitere thematische Bereicherungen im Sinne des kulturwissenschaftlichen Ansatzes: Patrick Vonderau beschäftigt sich mit der Naturmotivik im schwedischen und deutschen Spielfilm, Stephan Muschick untersucht schwedische Europadiskurse um die Jahrhundertwende. Henry Werner und Kazimierz Musiał haben ihre Themenstellungen unterdessen weiter konkretisiert: Der eine ist dem „Images of Progress“ im skandinavischen Wohlfahrtsstaat auf der Spur, der andere beschreibt nationale Währungen als Symbol nationaler Identität.

Wie in den vorherigen Jahresberichten angegeben, stellt das Projekt seine Arbeitsergebnisse in einer eigenen Schriftenreihe vor. Im Jahr 1998 sind folgende Beiträge erschienen:

  • Bd. 17: Kazimierz Musial: Tracing Roots of the Scandinavian Model. The Image of Progress in the Era of Modernisation (Dezember 1998, ISBN 3-932406-18-4)
  • Bd. 18: Gabriela Häfner: Ellen Key und das kulturelle Selbstverständnis Schwedens zwischen Tradition und Moderne (Dezember 1998, ISBN 3-932406-19-2)
  • Bd. 19: Valeska Henze: Der schwedische Wohlfahrtsstaat. Zur Struktur und Funktion eines politischen Ordnungsmodells (in Vorbereitung)
  • Bd. 20: Charlotta Thornbjer: Den goda modern. Nationell gemenskap i texter kring Mors dag i Sverige 1919–1950 (in Vorbereitung)

 

Alle Hefte sind direkt über das Nordeuropa-Institut (Stephan Muschick) zu beziehen. Den Zugang zu einer WWW-Version finden Sie im Internet unter:

https://www.ni.hu-berlin.de/de/publ/publikationsreihen/arbeitspapiere_gemeinschaften/arbeitsp_html

 

Bereits im vergangenen Jahr wurden die ersten umfangreicheren Publikationen des Projektes veröffentlicht:

  • Bernd Henningsen/Stephan M. Schröder (Hrsg.): Vom Ende der Humboldt-Kosmen. Konturen einer Kulturwissenschaft. Baden-Baden: Nomos, 1997. ISBN 3-7890-4803-8
  • Øystein Sørensen/Bo Stråth (Hrsg.): The Cultural Construction of Norden. Oslo: Scandinavian University Press, 1997. ISBN 82-00-37672-9

Anfang 1999 erscheint der Band zur Tagung Gemeinschaft – Gemenskap – Community, die im Mai 1997 in Berlin stattfand.

 

Menschen, Medien, Metropolen. Die kulturelle Konstruktion von Fremd- und Selbstbildern in der Ostsee-Region

Das Projekt, das im Jahresbericht 1997 näher beschrieben ist, hat inzwischen eine ausführliche Projektbroschüre herausgegeben, die über Södertörns Högskola oder dem Nordeuropa-Institut angefordert werden kann. Es wurden 1998 zahlreiche Workshops durchgeführt, u. a. mit Tilo Schabert (Erlangen-Nürnberg), Susanne Hauser (Berlin) und Steen Bo Frandsen (Rom) zu Fragen der modernen Stadterfahrung, zur Konstruktion von Stadtbildern im historischen Prozeß und zu Perspektivenwechseln aktueller Stadtinterpretationen. Im Kontakt mit den umliegenden Projekten der Hochschule wurden insbesondere Probleme der Identität und Mentalität bearbeitet. Für 1999 ist eine internationale Konferenz Die Stadt im Norden in Vorbereitung.

 

Deutsch-lettisches sozialwissenschaftliches Zentrum in Riga

Das Zentrum in Riga ist inzwischen voll funktionstüchtig (Beschreibung im Jahresbericht 1997), es wurden eine politikwissenschaftliche Basisbibliothek aufgebaut, Datenbanken angeschafft, ein Lehr- und Leseraum zur Verfügung gestellt und der Unterricht aufgenommen. Berliner Politikwissenschaftler unterrichten zu Themen der internationalen Politik (insbesondere der Ostsee-Region) und zur aktuellen deutschen Politik; im Gegenzug organisiert und finanziert das Zentrum Lehr- und Forschungsreisen lettischer Wissenschaftler und Studierender nach Berlin – hier wurden Themen zur baltisch/lettischen Geschichte und Politik von lettischen Wissenschaftlern angeboten.

 

BRAGI

Einer der Asen heißt Bragi. Er ist sehr klug, vor allem aber ist er ein Sprachkünstler und wortgewandt.
(Snorra-Edda)

Unter der Schirmherrschaft des wortgewaltigen Gottes Bragi und in Kooperation mit Námsflokkar Reykjavíkur (VHS Reykjavík) entwickelt das Isländisch-Lektorat ein neuartiges Lehrwerk zum Isländischen, das international einsetzbar sein wird. Es soll lernerzentriert sein, kommunikativ orientiert und modular aufgebaut. Das einsprachige Kurs„buch“ ist gegliedert in acht landeskundlich orientierte Themenkomplexe (Leute, Land, Natur, Geschichte, Wirtschaft, Kultur, Reykjavík, Gesellschaft), die in jeweils sieben elementaren Lernbereichen (Lesen, Hören, Schreiben, Sprechen; Wortschatz, Grammatik; Lerntechniken) auf zwei Niveaus (Grund- und Aufbaustufe) ausgestaltet werden. Innerhalb des jeweiligen Vermittlungsschwerpunktes der Lernbereiche können beliebige Textsorten (im weitesten Sinne: Schrift, Bild, Audio; vorzugsweise authentisches Material) vielfältig eingesetzt werden. BRAGI setzt sich zusammen aus einsprachigem isländischem Grundmaterial (Kursbuch, Arbeitsbuch, Lehrerhandbuch) sowie zweisprachigen Begleitmaterialien (Basiswortschatz, Basisgrammatik u. a.), die für mehrere Sprachen erstellt werden. BRAGI wird als Loseblattsammlung auf einer Website (vefsetur) entwickelt, wo die Materialien dann zugänglich sein werden; vorläufig handelt es sich noch um eine große Baustelle (http://www2.hu-berlin.de/bragi). Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt und soll in späteren Ausbaustufen auch für Selbststudium und Fernlehre eingerichtet werden. Durch die offene Anlage und die Verfügbarkeit über das Netz kann es laufend aktualisiert und ergänzt werden. Die Entwicklung von BRAGI wird von der Europäischen Union (Lingua D) und der Stadt Reykjavík (Menningarborg 2000) gefördert.

 

Berliner Interuniversitäre Arbeitsgruppe Baltische Staaten (BIAB)

In BIAB arbeiten seit dem Frühjahr 1995 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität und der Humboldt-Universität zusammen. Die Gruppe koordiniert Vorhaben in Lehre und Forschung zu den baltischen Ländern und tauscht regelmäßig Erfahrungen aus. Interessierte sind zu den Treffen herzlich eingeladen.

Über abgeschlossene Projekte wird in der Reihe BIAB-Berichte, herausgegeben von Manfred Kerner und Heike Graf, berichtet. Bei einigen Studien handelt es sich um universitäre Qualifizierungsarbeiten, die meist Resultat umfangreicher empirischer Vorarbeiten sind. Die BIAB-Berichte stehen auch Kolleginnen und Kollegen außerhalb der Berliner Universitäten für die Veröffentlichung thematisch einschlägiger Texte zur Verfügung.

Im Jahr 1998 sind folgende BIAB-Berichte (ISSN 1431-0368) erschienen:

  • Gunnar Wälholz: Lettische Nationenbildung im Transformationsprozeß. 105 S. (= BIAB-Bericht; 15)
  • Undine Bollow: Die Haltung der Bundesrepublik Deutschland zu den Unabhängigkeitsbestrebungen der baltischen Staaten. 100 S. (= BIAB-Bericht; 16)
  • Materialien der 2. Europäischen Konferenz zu baltischen Studien (Vilnius 1997). 60 S. (= BIAB-Bericht; 17)

 

Forschungsgruppe Nordeuropäische Politik (FOR:N)

Die Forschungsgruppe Nordeuropäische Politik (FOR:N) ist ein interuniversitärer Diskussionskreis und Dienstleistungspool junger Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen von Humboldt-Universität und Freier Universität. Die Mitglieder untersuchen aktuelle Fragen und langfristige Entwicklungen der Region aus unterschiedlichen thematischen und fachlichen Blickwinkeln. Ziel von FOR:N ist es, das vorhandene Fachwissen über die Politik in Nordeuropa zu bündeln und einem breiten Interessentenkreis zugänglich zu machen. Schwerpunktthemen sind dabei die skandinavischen Wohlfahrtsstaaten sowie die internationalen Beziehungen im Ostseeraum. Die Forschungsgruppe stellt ihre Kompetenz unter anderem im Rahmen von Vorträgen, Auftragsstudien und Tagungsorganisation zur Verfügung. Sie richtet sich an Bildungseinrichtungen, politische Institutionen, Unternehmen und die Medien. Der Expertenpool von FOR:N wird erweitert. Interessierte und Gäste sind herzlich willkommen, an unserem monatlichen Jour fixe teilzunehmen. Anfragen können über das Nordeuropa-Institut gerichtet werden. Weitere Informationen unter http://www.for-n.de/.