Humboldt-Universität zu Berlin - Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät - Nordeuropa-Institut

10 Jahre Nordeuropa-Institut

Die Berliner Hochschul-Landesstrukturkommission und die Struktur und Berufungskommission des seinerzeitigen Fachbereichs Germanistik der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) waren sich zu Beginn der neunziger Jahre einig, an der HU das Fach Skandinavistik mit zwei Hochschullehrerstellen einzurichten. Zum 1.11.1992 wurde Bernd Henningsen zum Professor für Skandinavistik/Kulturwissenschaft und Gründungsprofessor berufen. Ein weiteres Berufungsverfahren führte zur Besetzung der Professur Skandinavistik/Sprachwissenschaft mit Jurij Kusmenko zum 1.4.1994.

Bei allen Strukturüberlegungen, die auch von den Fachvertretern und in den zu beteiligenden Gremien geführt wurden, spielte die anzustrebende Zusammenlegung des Faches in Berlin an einer Universität eine zentrale Rolle. Diese Zusammenlegung fand nach längeren und zum Teil kontroversen Verhandlungen auf der Grundlage eines Fusionsvertrages zwischen HU und Freier Universität (FU) zum 1.10.1994 statt: Es wurde sowohl das Nordeuropa-Institut (NI) als selbständige wissenschaftliche Einrichtung an der Philosophischen Fakultät II der HU begründet als auch das Fach Skandinavistik der FU mit zwei Professuren (Neuere Literaturen: Erik M. Christensen, Nachfolgerin ab 1.1.2000: Stefanie von Schnurbein, Mediävistik: Hartmut Röhn) sowie der personellen und sachlichen Ausstattung einschließlich der skandinavistischen Fachbibliothek an die HU verlagert und in das NI integriert. Konkret hieß das, dass von der HU eine C4- und eine C3-Professur, eine C1-Hochschulassistenz, vier Mitarbeiterstellen (befristet), eine Mitarbeiterstelle (unbefristet), eine Sekretariatsstelle sowie eine Stelle für Information und Dokumentation, die später mit einer Informatikerin besetzt wurde, in das Institut eingingen (zwei der wissenschaftlichen Mitarbeiterstellen waren allerdings auf die Institutsaufbauphase begrenzt und wurden auch nicht wieder verlängert). Von der FU wurden eine C4- und eine C2-Professur, eine Akademische Ratsstelle, eine Sekretariatsstelle sowie zweieinhalb Lektorenstellen in den Stellenplan der HU überführt. Zwei Mitarbeiterstellen und eine Lektoratsstelle wurden von der FU nicht abgegeben, zwei dieser drei Stellen wurden durch die HU neu eingerichtet. Aufgrund von eingeworbenen Drittmitteln konnten weitere (befristete) Mitarbeiterstellen geschaffen werden, darüber hinaus wurde eine C1-Stelle aus dem Frauenförderprogramm (befristet) für das NI gewonnen, ebenso jeweils eine halbe Lektoratsstelle für Finnisch und Isländisch.

Das NI der HU ist mit derzeit (noch) vier Professuren, seit 1998 zwei weiteren Stiftungs-professuren und ca. 500 Studierenden das von der Ausstattung her größte skandinavistische Institut im deutschsprachigen Raum (wahrscheinlich auch außerhalb Skandinaviens). Dabei kann die Berliner Universität auf eine Tradition der Nordistik verweisen, die bis zur Gründung der Hochschule am Anfang des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Die Kürzungen im Rahmen der Strukturplanung dieses Jahres betrafen auch das Nordeuropa-Institut: Eine Professur, 0,75 Stellen im Mittelbau sowie eine Sekretariatsstelle werden wegfallen.

Das Fach ist für den Raum Berlin/Brandenburg „Monopolfach“ – es wird seit der Zusammenführung von FU- und HU-Skandinavistik nur noch an der HU angeboten. Die räumlich nächsten Universitäten mit einer ausgebauten Skandinavistik (sieht man von Poznan in Polen ab) sind heute Greifswald, Hamburg und Göttingen; in den neuen Bundesländern wird das Fach überhaupt nur noch in Greifswald angeboten.

Unter dem Dach des NI sind zz. die Sprachen Dänisch, Norwegisch, Schwedisch, Isländisch und Finnisch repräsentiert (und Litauisch sowie Saamisch mithilfe temporärer Lehraufträge). Lehre und Forschung umfassen die skandinavistische Mediävistik, die skandinavistische Sprachwissenschaft, die neueren skandinavischen Literaturen und – bisher einmalig in Deutschland – die skandinavistische Kulturwissenschaft; das Fach ist also nur an der HU in seiner gesamten Breite vertreten. Neben den traditionellen Berührungspunkten mit Literatur und Sprachwissenschaften kann die gegenwärtige Profilbildung der Berliner Skandinavistik damit auch im Kontakt mit der Philosophie, der Geschichtswissenschaft, den Sozialwissenschaften, der Ethnologie und der Volkswirtschaft stattfinden. Nicht zuletzt zeugt davon die Beteiligung des NI am Studiengang Gender Studies der HU.

Üblicher und traditionellerweise wird die Skandinavistik in Deutschland mit den beiden Fachteilen Mediävistik und Neuere skandinavische Literaturen angeboten. Eine skandinavistische Sprachwissenschaft gibt es nur noch in Hamburg und Greifswald; nordische Geschichte ist nur in Kiel und Greifswald vertreten (am NI der HU mit einer Ratsstelle). Die Berliner Skandinavistik geht mit diesen Schwerpunktsetzungen einen innovativen Weg; sie hat in dieser Dimension aber auch eine besondere Stellung gegenüber Skandinavien.

Ein erstes konkretes Ergebnis lag aber Ende 1992 vor: Unser Zeitzeuge wurde als Gründungsprofessor des Nordeuropa-Instituts der Humboldt-Universität berufen. Damit war wohl die Phase der Urgeschichte abgeschlossen. Die Frühgeschichte war 1994 beendet, als der Plan in die Tat umgesetzt wurde, die beiden Berliner Skandinavistiken an der Humboldt-Universität zu vereinigen.

Das NI hat zum Wintersemester 2004/05 einen konsekutiven Studiengang Skandinavistik/Nordeuropa-Studien eingerichtet. In einer ersten Phase ist das Studium als Bachelormonofach und als Bachelorkombinationsfach möglich, ein darauf aufbauender Masterstudiengang ist in Vorbereitung. Mit der Bezeichnung des Studienganges soll kenntlich gemacht werden, dass die vermittelten Inhalte über die philologischen hinaus auch kultur- und geschichtswissenschaftliche Fragestellungen einschließen. Im Monofachstudium werden darüber hinaus neue Akzente gesetzt, indem mit Finnisch und Isländisch erstmals zwei bisher eher periphere Sprachen einen hohen Stellenwert zugewiesen bekommen. Die große Nachfrage gerade nach dem Monofachstudium zeigt, dass die Entscheidung für ein solches Studienkonzept richtig war. Daneben wird – derzeit allerdings aufgrund der Personalsituation am NI ausschließlich über Drittmittelfinanzierung – weiterhin an der Einführung eines Masterstudienganges gearbeitet, der politische, kulturelle und ökonomische Aspekte der Ostseeregion zum Gegenstand hat und gemeinsam mit Universitäten aus dieser Region angeboten werden soll.

Dass es eine vertrauensvolle und intensive Zusammenarbeit mit den nordischen Botschaften in Berlin sowie den Verwaltungs- und Regierungsstellen von Bund und Land gibt, ist mehr als Indiz für die Richtigkeit der mit der Gründung des Instituts angestrebten Ausrich-tung auf eine neue „nördliche Dimension“.

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