Humboldt-Universität zu Berlin - Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät - Nordeuropa-Institut

Alexandra Bänsch
»Katholisch im Kopf«. Die protestantische Romantik in Skandinavien und ihre Prätexte zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit
(Bernd Henningsen, Ebba Witt-Brattström)

Staatsreligiöse Gesellschaften können ihre Ordnungen dadurch absolutieren, daß sie diese als konform mit der göttlichen erklären und sie dadurch der Kritik entziehen: »Katholisch im Kopf« ist im lutherischen Skandinavien zu einem Schimpf­wort für Abweichler von den herrschenden Normen geworden, das nicht deswegen zum (impliziten) Slogan für die protestantische Romantik avanciert, weil diese Rezipienten zur Konvertierung verleiten will, sondern Transgressionen provoziert, indem sie die Spannungen zwischen einer nominell lutherischen, sich aber autosakralisierenden soziopolitischen Ordnung und deren tatsächlichen legitima­torischen Abhängigkeit von einer göttlichen literarisch potenziert. Das »sola scriptura«-Prinzip und der individuelle Gottesbezug als zentrale Merkmale des Luthertums, die in der hegemonial gelebten Religion relativ unbedeutend geblieben sind, finden eine Umsetzung in literarischen Strategien, für deren Entwicklung Prätexte aus der griechischen Antike produktiv werden, in der der Konflikt zwischen orthopraktisch autosakralisierter Ordnung und logosorientierter Kritik kulturgeschichtlich präfiguriert ist. Die spannungsvolle intertextuelle Relation zwischen Aristophanischem Theater und Platonischen Dialogen und deren Tradierung im skandinavischen Kontext (unter besonderer Berücksichtigung Holbergs) bilden die Grundlage für ein heuristisches Modell für die skandinavische Romantik, das mit Oehlenschläger, Wergeland und Almqvist an nach landläufigem Verständnis für die Romantik zentralen, aber gemeinhin nicht miteinander verglichenen Autoren erprobt wird.

 

[Dissertationen am Nordeuropa-Institut]