Humboldt-Universität zu Berlin - Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät - Nordeuropa-Institut

Die Schweden im Südwesten des Alten Reiches 1630-1648. Aspekte einer Regionalgeschichte des Dreißigjährigen Krieges


Laufzeit: 2012-2020

Finanzierung: Mittel des Lehrstuhls für Kulturwissenschaft des Nordeuropa-Instituts,
der Kommission für geschichtliche Landeskunde Baden-Württemberg,
der Deutsch-Schwedischen Gesellschaft Heidelberg e.v. und
des Kurpfälzischen Museums, Heidelberg.

▼ Projektbeschreibung

Obwohl der Südwesten des Alten Reiches für Schweden und andere Krieg führende Mächte eine der strategisch zentralen Regionen für militärische Operationen war, ist dieser Teil einer Geschichte des Dreißigjährigen Krieges bis heute denkbar schlecht erforscht. Gewiss sind einzelne Aspekte, Zeitabschnitte, Teilregionen und Personen in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten mehr oder weniger gelungen historisch aufgearbeitet worden. Besonders die Lokalforschung hat unter Ausnutzung von Dokumenten in den Ortsarchiven viele Einzelheiten zu Tage gefördert. Aber diese Partikularerzählungen sind in der Regel nicht geeignet, um zu verstehen, warum das Kriegsgeschehen und die damit verbundenen politischen, wirtschaftlichen, religiösen Entwicklungen der Zeit überhaupt den Südwesten erreicht haben, was die Schweden soweit ins Reich getrieben hat und warum diese Region in ihrer Gesamtheit ein wichtiger Brückenkopf für die schwedischen militärischen Operationen gegen Habsburg, die Spanier und teilweise auch gegen Frankreich wurde. Sie stellen zudem, aus der lokalen Perspektive völlig verständlich, das Leiden und die Unverständlichkeit, die Schicksalhaftigkeit und Sinnlosigkeit des Kriegsgeschehens in den Mittelpunkt der Darstellung. Dieser Fokus wurde seit den 1960er Jahren auch durch die Dominanz wirtschafts-, sozial- und alltagsgeschichtlicher Konzeptionen in der deutschen und internationalen Geschichtsschreibung gefördert, die aus der Erfahrung der Staatsversessenheit der Historiographie und der politischen Wirklichkeit des 19. und 20. Jahrhunderts eine „Geschichte von unten“ und eine „Geschichte vor Ort“ postulierten.

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Das Forschungsprojekt soll auf diesem Hintergrund dreierlei leisten: 1. Es soll eine Forschungslücke schließen, die im Wesentlichen daraus besteht, dass eine zusammenfassende Darstellung der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges schlicht nicht existiert; 2. Es soll eine politische, militärische, wirtschaftliche und religiöse Logik des Kriegsgeschehens transparent machen, indem es mit der Konzentration auf einen der Hauptkriegsakteure, Schweden, Planungen, Ausführungen und Folgen militärischer Operationen nachvollziehbar macht. 3. Es soll die Frage klären, inwiefern der Dreißigjährige Krieg nicht nur als eine politische und militärische Auseinandersetzung verschiedener Parteien innerhalb des Heiligen Römischen Reiches interpretiert werden kann, sondern auch als Reichskrieg gegen ausländische Gegner (v.a. Schweden, Frankreich, Spanien) – wiederum exemplifiziert an einem der Hauptkriegsakteure (Schweden) und einer Region, die nach dem Kriegseintritt Schwedens (1630) wie keine andere zum Kampfplatz reichsinterner und zwischenstaatlicher Interessen wurde.

Die Aufarbeitung dieser Fragestellungen stößt auf eine komplizierte Quellenlage, die durch die von der Lokalgeschichtsschreibung bereits geleistete Arbeit nur teilweise aufgefangen wird. Der dokumentarische Fundus zur Erforschung dieses Themas erscheint mindestens ebenso zersplittert wie die Forschungsliteratur. Geht man zunächst von den Archivquellen aus, bietet sich die im Folgenden skizzierte Situation.

Baden: Die Geschichte der zentral im Oberrheingebiet gelegenen Territorien sind zugleich die am schlechtesten dokumentierten und erforschten. Viele der ursprünglich vorhandenen Akten sind im Orléanschen Krieg (1689) verbrannt, anderes durch Auslagerungen und Rückführungen im 17. und 18. Jahrhundert verloren gegangen . Was heute noch übrig ist, ist für eine politische und militärische Geschichte des Dreißigjährigen Krieges in den badischen Territorien nur teilweise zu gebrauchen.

Vorderösterreich: Die habsburgischen Vorlande – darunter der Breisgau und Teile des Elsass – wurden bis ins 18. Jahrhundert von der oberösterreichischen Regierung und Kammer in Innsbruck verwaltet, die wiederum der Regierung in Wien unterstanden. Ein Teil der einschlägigen Akten befindet sich heute im Tiroler Landesarchiv in Innsbruck. Einzelne Papiere liegen auch im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Für die Besitzungen im Breisgau und Elsass existierte als zusätzliche Mittelinstanz die Vorderösterreichische Regierung und Kammer in Ensisheim, die 1651 infolge des Verlustes des Elsass an Frankreich nach Freiburg verlegt wurde. Die Registratur der Regierung in Ensisheim verblieb aber nach dem Übergang des Elsass an Frankreich 1648 größtenteils in Frankreich (heute im Départementalarchiv in Colmar). Nur einzelne Teile sind nach Freiburg und seit 1888 nach Karlsruhe gegeben worden (Bestand 81). Akten aus der Ensisheimer Zeit vor 1648, die den Breisgau, aber auch das Elsass betreffen, machen etwa 10% des Bestandes 79 aus.

Württemberg: Die Geschichte der oberrheinischen Teile des Schwäbischen Reichskreises lässt sich teils über das Württembergische Hauptstaatsarchiv in Stuttgart, teils mit Hilfe der Archive der katholischen Territorien des Reichskreises (einige davon integriert in die württembergischen und badischen Zentralarchive) erschließen.

Stadtarchive: Für das vorliegende Thema in Frage kommen außerdem mehrere Stadtarchive, darunter vor allem diejenigen von Baden-Baden (Bestand 195), Breisach (Bestand 196), Freiburg (Bestand 200), Heidelberg (Bestand 204), Konstanz (Bestand 209), Mannheim (Bestand 213), Offenburg (Bestand 216), Philippsburg (Bestand 218), Radolfzell (Bestand 219) und Überlingen (225). Das Unterelsass ist besonders über die Stadtarchive von Straßburg und Hagenau erschließbar. Die Bestände der Reichsritterschaften Hegau (Bestand 123), Kraichgau (Bestand 125) und Ortenau (Bestand 127) ergänzen die Aktengrundlage für einzelne Fragen.

Schweden: Für das Thema zentralen Bestände schwedischer Akten befinden sich in den schwedischen Zentralarchiven, dem schwedischen Reichsarchiv (Riksarkivet) und dem schwedischen Militärarchiv (Krigsarkivet), beide in Stockholm. Einschlägig sind hier insbesondere die königliche Registratur, die Rats- und Reichstagsprotokolle und die schriftliche Hinterlassenschaft einzelner Akteure, etwa des Königs, des Reichskanzlers, verschiedener mit der Außen- und Militärpolitik befasster hoher Amtsträger und einzelner Generäle – für den vorliegenden Zusammenhang konkret die Papiere des Generalfeldmarschalls Gustaf Horn, die sich in einer speziellen Sammlung im schwedischen Reichsarchiv befinden. Alle diese Akten sind schwer zu benutzen, weil sie teils chronologisch, teils nach Personen geordnet sind. Man kommt also nur dann voran, wenn man bereits über ein solides Grundgerüst an Daten verfügt.

Gedruckte Quellen: Von den gedruckten Quellen ist, was die Dichte der Information angeht, das Theatrum Europaeum die wichtigste. Das Theatrum hat jedoch den Nachteil, dass man zwar viel über einzelne Ereignisse, militärische Entwicklungen und verschiedene Personen erfährt, die schwedischen Motive und Herrschaftstechniken aber wie bei jeder ereignislastigen Darstellung nur indirekt deutlich werden. Davon abgesehen, sind natürlich auch Probleme der Quellenkritik zu berücksichtigen. Die bisher im Druck erschienenen Tagebücher, Protokolle und ähnliche Aufzeichnungen von Geistlichen, Stadtbediensteten oder Militärs geben nur punktuell Einblick in das Wesen der schwedischen Herrschaft im deutschen Südwesten. Am aussagekräftigsten sind die gedruckten schwedischen Quellen, insbesondere die Briefe, Memoranden, Instruktionen und andere Schriften des schwedischen Königs Gustav II. Adolf (1611-1632), des schwedischen Reichskanzlers Axel Oxenstierna (*1583, †1654) und die Briefe der schwedischen oder in schwedischen Diensten stehenden Generäle. Es ist jedoch wie schon im Falle der schwedischen handschriftlichen Quellen recht aufwändig, die entsprechenden Dokumente auf die Frage der schwedischen Herrschaft im deutschen Südwesten hin zu durchforsten.

Die Rezeption der Lokalgeschichtsschreibung für eine übergreifende Darstellung bleibt wegen ihrer schmalen thematischen Skalierung und ihres häufig anzutreffenden Jubiläums-Charakters eine Herausforderung. Andererseits behandeln die großen Darstellungen zur kurpfälzischen, badischen, württembergischen und vorderösterreichischen Geschichte den Dreißigjährigen Krieg oft sehr knapp und in nur recht allgemeinen Begriffen; sie gründen sich dabei meist auf ältere Gesamtdarstellungen, weniger auf neuere lokale Untersuchungen. Der Schwerpunkt lag in den vergangenen rund 40 Jahren auf der Sozial- und Alltagsgeschichte, insbesondere auf der Erforschung der Kriegsfolgen für die lokale Bevölkerung (Parallelen zu den Folgen des Zweiten Weltkriegs sind offensichtlich und in vielen Fällen gewollt). Ältere Darstellungen konzentrierten sich zwar stärker auf die großen politischen Linien, gelegentlich auch auf die Verläufe einzelner Feldzüge und Schlachten. Eine Darstellung der politischen Motive, insbesondere Schwedens, ist aber trotzdem fast immer zu kurz gekommen.

Auch die schwedische Historiographie ist hier nicht hilfreich. In ihr spielt der deutsche Südwesten kaum eine Rolle. Abgesehen vom fränkischen Reichskreis als Operationsbasis für den gesamten Süden des Heiligen Römischen Reiches bieten die großen Darstellungen kaum mehr als einige unspezifische Aussagen über die militärischen Operationen und politischen Planungen für das Oberrheingebiet. Dies spiegelt sich bis heute in der historischen Kartographie Schwedens wieder. Eine oberrheinische Regionalgeschichte des Dreißigjährigen Krieges aus schwedischer Perspektive muss also ebenfalls erst geschrieben werden.

Veranstaltungen – Vorträge – Veröffentlichungen

Geplant:

  • Wanderausstellung „Die Schweden im deutschen Südwesten“ , in Kooperation des Lehrstuhls für Kulturwissenschaft des Nordeuropa-Instituts, HU Berlin, der Kommission für Geschichtliche Landeskunde Baden-Württemberg und des Kurpfälzischen Museums der Stadt Heidelberg.
  • Ralph Tuchtenhagen: Friedrich V. von Baden-Durlach: Badische Okkupation und schwedische Protektion (Aufsatz, in Vorbereitung).
  • Ralph Tuchtenhagen: Dominium lacus Constantiensis ? Die schwedische Präsenz am Bodensee 1632-1648, in: Historisches Jahrbuch 2016 (in Vorbereitung).

 

Bis jetzt:

  • Tagung „Die Schweden im deutschen Südwesten. Vorgeschichte – Dreißigjähriger Krieg – Erinnerung“, 20.-22. März 2018 an der Jüdischen Hochschule Heidelberg, organisiert vom Lehrstuhl für Kulturwissenschaft des Nordeuropa-Instituts, HU Berlin, und der Kommission für Geschichtliche Landeskunde Baden-Württemberg.
  • Ralph Tuchtenhagen: „Maj. wünschten nach einer Braut Ausschau zu halten“. Schwedische Kontakte zur protestantischen Union im deutschen Südwesten 1608-1620. Vortrag auf der Tagung „Die Schweden im deutschen Südwesten während des Dreißigjährigen Krieges“. Tagung der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg und des Nordeuropa-Instituts HU Berlin, März 2018, in Heidelberg.
  • Ralph Tuchtenhagen: Die schwedische Herrschaft am Oberrhein 1631-1634, in: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins 162 (2014), S.231-259.
  • Anton Schindling (Hg. unter Mitarbeit von Markus Gerstmeier): Friedrich Hermann Schubert: Ludwig Camerarius (1573-1651). Eine Biographie. Die Pfälzische Exilregierung im Dreißigjährigen Krieg. Ein Beitrag zur Geschichte des politischen Protestantismus. 2. Auflage. Mit Beiträgen zu Leben und Werk des Verfassers, Münster 2013.
  • Ralph Tuchtenhagen: „Die schwedische Herrschaft am Oberrhein 1631-1634“. Vortrag im Rahmen der allgemeinen Vortragsreihe der Arbeitsgemeinschaft für Geschichte des Oberrheins in Karlsruhe am 15. Juni 2012.
Kontakt

Projektverantwortlicher: :

 

Organisatorische Unterstützung, Kooperation:
Kommission für geschichtliche Landeskunde Baden-Württemberg, Kurpfälzisches Museum der Stadt Heidelberg, Arbeitsgemeinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein