Sie tanzte nur einen Sommer
Konstruktion und Rezeption von Stereotypen
Arbeitspapiere "Gemeinschaften"
Gedruckt mit Unterstützung des
Jubiläumsfonds der Schwedischen Reichsbank
Band 4
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© 1996 Claudia Beindorf
Satz: Claudia Beindorf
Layout: Stephan Michael Schröder
Einbandgestaltung: Silke Schröder, Ulm
Humboldt-Universität zu Berlin
Berlin 1996
ISBN: 3-932406-05-2
"Sie tanzte nur einen Sommer"
Konstruktion und Rezeption von Stereotypen
Ein 'Schwedenfilm' in der Bundesrepublik und der DDR
Rezensionen kirchlicher Blätter
Eine Kritik aus der Gegenwart (1993)
Funktionen der Stereotypen in den Filmkritiken
Deutscher Umgang mit schwedischer Religionskritik
Der schwedische Film Sie tanzte nur einen Sommer1
zählt in Deutschland noch heute zu den bekanntesten Erzeugnissen der schwedischen Kultur. Sein sensationeller Erfolg, u.a. errang der Film den damals noch vom Publikum verliehenen Goldenen Bären der Berlinale 19522, löste eine größere Anzahl von Artikeln deutscher Rezensenten aus, die für das Publikum stehen mögen und welche auf Stereotypen über Schweden untersucht werden. Hierbei läßt sich nachweisen, daß der Bedeutungskomplex 'Schweden' auch zur Zeit des westdeutschen 'Wirtschaftswunders' als Projektionsraum deutscher, nicht immer eingestandener Sehnsüchte von Freiheit, Selbstbestimmtheit, Natürlichkeit und einem unentfremdeten Leben fungiert. Die Entscheidung für Sie tanzte nur einen Sommer erfolgte, weil Mattssons Film zum einen 1952 ein verhältnismäßig großes Publikum erreichte, wovon die zahlreichen Rezensionen sowie zusätzlich der von vielen Stellen3
betonte wirtschaftliche Erfolg zeugen, der Film zum anderen auch heute einem Großteil des deutschsprachigen Publikums bekannt ist.
In der Romantik festigte sich jene Spielart des Germanenmythos, die in ihrem Kern bei allen Modifikationen bis in das 20. Jahrhundert hinein die bestimmende geblieben ist: das dem ethnozentrischen Denken der Zeit verpflichtete Bestreben, das nationale Selbstbewußtsein des deutschen Volkes im Rückgriff auf seine germanischen 'Wurzeln' zu legitimieren. 6Unter der Überschrift "Romantische Träume und politische Völkerverbrüderung" faßt der Historiker Steen Bo Frandsen die Haltung einer Mehrheit der deutschen Wissenschaftler der vornehmlich zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu 'ihrer' kulturell bedeutsamen Vergangenheit zusammen:
Die deutschen Altertumsforscher waren derart begeistert von der Welt des Nordens, daß sie sich niemals fragten, wie weit es überhaupt möglich war, aus dem nordischen Altertum Schlußfolgerungen für die deutsche Vergangenheit zu ziehen. Mindestens ebenso problematisch war, daß sie aus der vermeintlich uralten Ähnlichkeit der germanischen und der nordischen Kultur gemeinsame politische Interessen ableiteten. 7Inzwischen dürfte es ein Gemeinplatz sein, daß 'Deutschland' nicht zuletzt qua (wissenschaftlich sanktionierter) historischer Annexion 'Germaniens' seine ideelle Größe erreichte:
Der 'deutschen Nation' [...] verliehen national gesinnte Historiker den Charakter eines Naturtatbestandes, indem sie 'Germanen' und 'Deutsche' nicht nur gleich-, sondern quasi als von Anfang an vorhandenes, homogenes Großvolk voraussetzten [...].8Am Beginn der fünfziger Jahre läßt sich somit für die Mehrheit der Bevölkerung der Bundesrepublik und der DDR die Existenz eines über mehrere Generationen kontinuierlich gewachsenen und vermittelten Bildes feststellen, das sie von ihren schwedischen Nachbarn als einem Teil des deutschen Kulturraumes hatten, haben konnten und durften. Von hier aus war es nicht weit zur noch nicht lange zurückliegenden nationalkonservativen und nationalsozialistischen Vereinnahmung des europäischen Nordens und seiner Geschichte für die eigene kulturelle Konstruktion eines Staates edler, heroischer, naturverbundener, intellektuell-zivilisatorischen Überformungen abgeneigter Bürger. Die dem nordischen Menschen zugeschriebenen Eigenschaften wurden nicht zuletzt von den Medien hemmungslos dem offiziellen deutschen Selbstbild zugefügt, das damit zu einem Konglomerat positiv konnotierter Eigenschaften wurde, die jedes Individuum überfordert und zu einem Monstrum gemacht hätten.
Im europäischen zwanzigsten Jahrhundert, einer Zeit der allgemeinen Krisen des Selbstverständnisses, ist nationale Identität18
wieder ein vielbemühter Begriff geworden, der sich jedoch wegen seiner komplexen Bedeutung besonders problematisch darstellt. Auch heute spielen teilweise wenig reflektierte Selbst- und Fremdbilder eine grundlegende Rolle individueller Persönlichkeitskonstruktionen. Trotz der angeblich so auffallenden Individualisierung des (post-)modernen Menschen scheint dessen Neigung, sich Gruppen zugehörig zu fühlen und sich von anderen wiederum strikt abgrenzen zu wollen, nicht nachzulassen. Diese Gruppen, gleich, ob sie sich als freiwillige Interessenvertretungen verstehen oder als Notgemeinschaften, schaffen sich ein System aus Definitionen, Regeln und anderen sinnstiftenden Elementen - beispielsweise durch Repräsentationen der Gruppenintention in Symbolen. Wirken heute Hymnen, Flaggen oder Wappen reichlich antiquiert, so muß zum einen auf die jederzeit mögliche 'Wiederbelebung' solch tradierter Symbole verwiesen werden, die in Zeiten internationaler Spannungen oder interner Selbstbestimmungsprobleme kurzfristig erfolgen kann, zum anderen darauf, daß heute auch andere Konkretisationen für die Repräsentation nationaler Gemeinschaft genutzt werden: Erinnert sei an die eher sekundär politischen Sportveranstaltungen wie Fußball-Europameisterschaften oder die Olympischen Spiele. 19
In diesem Falle symbolisieren bestimmte, oft charismatische und aus zahllosen Interviews und Werbespots wohlbekannte Spitzensportler 'ihre' Nation. Fahnen und nationale Gesänge sind zum Beiwerk verkommen, was jedoch dem Enthusiasmus ihres Hergezeigtwerdens keinen Abbruch tut.
die Arbeit zentralen Begriffen zusammengetragen und ggf. aufeinander bezogen. - Der vielgenutzte Terminus Stereotyp wird im übertragenen Sinne häufig als Alternative zu der ebenfalls aus der Drucktechnik stammenden Bezeichnung Klischee verwendet; bezüglich ihrer Bedeutung unterscheiden sich diese Begriffe wenig voneinander, so daß sie allgemein synonym gebraucht werden. Es erscheint jedoch sinnvoll, zwischen beiden Begriffen zu differenzieren. Ein Stereotyp ist eine wiederkehrend verwendete Bezeichnung mit relativ komplexer Ausgangsbedeutung, die aufgrund des ständigen, zunehmend automatischen, generalisierenden Gebrauchs immer seltener auf ihre semantische Aussage hin überprüft wird. Durch die "Akzentuierung ausgewählter Elemente der Umwelt" bietet sich das Stereotyp an als "einfache, entscheidungserleichternde Formel"21
.
Das zu Beginn des 19. Jh.s aus frz. stéréotype entlehnte Adjektiv erscheint zuerst als Fachwort des Buchdrucks [...]. Später übernimmt es [...] auch die übertragenen Bedeutungen 'feststehend, sich ständig wiederholend; leer, abgedroschen'. Frz. stéréotype ist eine gelehrte Nachbildung zu griech. stereós 'starr, fest' [...] und griech. týpos 'Schlag; Eindruck, Muster, Modell' [...].22Der Begriff des Klischees wird für von vornherein oberflächlich und ohne größeren Anspruch auf die Aussagekraft gebrauchte Bezeichnungen resp. für die 'Endphase' in der Geschichte eines Stereotyps verwandt, wenn sich die sprachliche Äußerung so weit verselbständigt hat, daß ihr Realitätsbezug für die Kommunikationsteilnehmer irrelevant geworden ist, und somit ihr eigentlicher Sinn in ihrer Codefunktion liegt. Klischees werden dann als Floskeln oder Redewendungen, schließlich als Stichworte eingesetzt, welche vorhersehbare Assoziationen resp. Reaktionen beim Empfänger auslösen (sollen). Weil es nun möglich und auch notwendig ist, "das Fremdbild als Stereotyp zu behandeln"23 , sagen in der Kommunikation angewandte Stereotypen und Klischees wiederum Wesentliches aus über das Fremd- und auch Selbstbild der Nutzenden. Deshalb ist es nicht nur notwendig zu fragen, "können Fremdbilder als Stereotypen und als gültige Beschreibungen Hand in Hand gehen - kann eine wahre Beschreibung ein Stereotyp sein?", sondern auch, ob Wahrheit nicht etwas für Verbreitung und Wirkung von Stereotypen eher Nebensächliches ist und nicht vielmehr Anschaulichkeit, Anwendbarkeit und/oder Konsensfähigkeit die wesentlichen Eigenschaften von Stereotypen ausmachen.
For the most part we do not first see, and then define, we define first and then see. In the great blooming, buzzing confusion of the outer world we pick out what our culture has already defined for us, and we tend to perceive that which we have picked out in the form stereotyped for us by our culture. 25Es deutet sich an, daß auch Stereotyp und Identität als zwei nicht voneinander zu trennende Begriffe betrachtet werden sollten, wobei Stereotypen und die ihm verwandten Klischees, Vorurteile, 'Bilder' eine Identität zum einen mitermöglichen, zum anderen mitprägen. Dies gilt sowohl für individuelle Selbstbestimmungen als auch für kollektive und damit auch für nationale Identitäten, denn:
Gibt es nicht doch in der Realität vorgängig so etwas wie 'nationale Identitäten', als deren mehr oder weniger verzerrte und vielleicht auch polemisch überspitzte Widerspiegelung die Stereotypen aufzufassen wären? Müßte man solche 'Identitäten' nicht als historisch spezifische 'Mentalitäten' anerkennen [...]?26Noch einige Differenzierungen zum identitätsstiftenden Potential von Stereotypen: Schon im Jahre 1768 wurde festgestellt: "Die Verachtung der Völker hängt sehr oft mehr an dem, was in die Sinne fällt als in den Verstand. [...] Jede Nation findet fremde Sitten lächerlich, weil es nicht die ihren sind." 27 Gegenwärtig läßt sich für Deutschland der mit dem Terminus 'Stereotyp' bezeichnete Bedeutungskomplex nach Bausinger28 folgendermaßen weiter eingrenzen: Ihm ist ein relativer Wahrheitsgehalt eigen, da er durch Verallgemeinerung innerhalb eines Systems entstanden ist und dann auf einen Systemkomplex übertragen wurde, so daß eher von formelhaften als von spezifischen sprachlichen Bildern und Klischees ausgegangen werden muß. Stereotypen erfüllen durch die Reduktion von Komplexität eine Ordnungsfunktion und bieten die Möglichkeit der Identifikation und damit der Identitätsbildung. Die Vielschichtigkeit des Phänomens sollte es einer vorschnellen Wertung entziehen - jedoch wird im sprachlichen Alltag dieses Problem umgangen, indem Stereotypen vermeintlich vorurteilsfreie oder -arme Konstrukte gegenübergestellt werden. Wie schlecht diese Trennung aufrechterhalten werden kann, zeigt sich in eingehenderen Untersuchungen. So werden beispielsweise in einer Zusammenstellung über Nationale Mythen und Symbole des 19. Jahrhunderts
beruhigende Dualismen zwischen (negativ gewerteten [...]) 'Stereotypen', 'Klischees', 'Mythen' (in diesem spezifischen Sinne) auf der einen und (vorgeblich akzeptablen wie realen) 'Identitäten', 'Charakteren', 'Eigenschaftslisten' radikal in Frage [gestellt]. 29Es besteht die Gefahr, daß Stereotypen ungerechtfertigt ausschließlich negativ beurteilt werden. Damit wäre jedoch der Blick auf das verstellt, was diese ja offensichtlich funktionierenden Stereotypen leisten, weshalb sie auch notwendig sein können. 30
Die Vorstellungen, die die Völker [...] voneinander entwickeln, setzen sich aus einem Mosaik [...] historischer Erfahrungen und tradierter Wahrnehmungen zusammen. So werden etwa einzelne charakteristische Lebensbedingungen und politische Zustände des anderen Volkes verallgemeinert, andere unterschlagen und viele weitere gar nicht zur Kenntnis genommen. [...D]as Übereinander-Reden der Völker ist [...] von Stereotypen geprägt, in denen sich eine ganz spezifische Wahrnehmungsselektion niederschlägt und reproduziert. 34Das Wiederaufnehmen solcher Textbausteine dient neben der Steigerung der Nachvollziehbarkeit des Gesagten für andere Personen nicht zuletzt der Selbstversicherung: Wer die Meinung anderer teilt, gehört dazu. Auf diese Weise tragen Stereotypen zur Bildung und Festigung kollektiver Identitäten bei.
Nationalität, Staatsbürgerschaft etc.: das ist nicht nur etwas, das man haben will, weil es natürlich, selbstverständlich und unumgänglich existiert. Und zu dieser Natürlichkeitskonstruktion gehören Bildschöpfungen, in denen in fiktionaler Form für ihre Berechtigung als authentische Identifikationsform 'argumentiert' wird - historische Mythen, kulturelle Symbole, einigende Persönlichkeiten: kurz etwas, das auf der Vorstellung von der grundlegenden ethnischen, kulturellen Einheit zwischen Volk und Staat beruht, der natürlichen, historischen Herkunft des Staates aus der ebenso natürlichen Abgrenzung des Volkes von anderen Völkern. 39Wie schon als Eigenschaft der Autostereotypen angesprochen, ist das Vorhandensein eines Selbstbildes unbedingt verknüpft mit der Existenz einer Vorstellung eines anderen, eines Fremden. Selbstbestimmungen aus sich heraus stellen eine Ausnahme dar. Notwendig wird ein gefestigtes und damit belastbares Selbstbild erst in Abgrenzung zu anderen; in bezug auf nationale Identitäten zu Vertretern anderer Länder, wenn nicht Kulturkreise. ("The chief stimuli of patriotism are feelings of contrast." 40 ) Vorstellungen von diesen anderen müssen gar nicht erst individuell entwickelt werden; es existiert ein reichhaltiger Katalog von Stereotypen über andere, der Gemeingut und damit allen zugänglich und für alle nutzbar ist.
Das nationale Fremdbild geht als abgeleitete, abhängige Variable ein in die zusammengesetzte Konfiguration der nationaler Bilder, die sich in jedem Nationalitätskosmos finden. Es bildet den einen Pol in dem relationalen Kontinuum zwischen 'wir' und 'sie', wobei 'wir' den ideellen Festpunkt der Identität repräsentiert und 'sie' den entsprechenden, argumentativen oder rechtfertigenden Gegenpol - dessen ihm zugeschriebene Eigenschaften können abhängig von Blickwinkel, Interesse, Situation, Absicht und Zielgruppe schwanken. So sind sowohl Selbst- als auch Fremdbilder ein wesentlicher Teil der kollektiv-sozialen Wirklichkeitsorganisation, oder anders: sie helfen, die nationale Wirklichkeit zu fiktivieren, definieren und den Nationalismus der Individuen zu begründen.41So, wie einem Vertreter einer Nation jeder Fremde (auch unfreiwillig) zum Vertreter seiner anderen Nation wird, werden Eigenschaften dieser zufällig zusammentreffenden Personen generalisierend und schnell zu Ausprägungen von 'Nationalcharakter' stilisiert, d.h. verallgemeinert. Wenn vom Nationalcharakter gesprochen wird, sind auch Überlegungen zum Nationalismus nicht fern, der unabhängig von seiner politischen Wertung in seiner identitätsstiftenden Funktion auffällige Parallelen zu den Stereotypen aufweist: "Zur Doppelfunktion des modernen Nationalismus als nach innen integrierend und nach außen abgrenzend gibt es offensichtliche Analogien in den Funktionen von Auto-Stereotyp und Hetero-Stereotyp." 42
Was Worte sagen, kann der Film zeigen: Die virtuelle Welt der bewegten und tönenden Bilder scheint neben dem Kunstgenuß ein Abbild des tatsächlichen Lebens zu liefern. Manche Zuschauer abstrahieren von der Spielhandlung und meinen, eine ihnen unbekannte und interessant erscheinende Wirklichkeit aufzufinden - es wird eine scheinbare Objektivität behauptet, wenn neben Sprache und Bild auch der Verlaufscharakter des Films und die 'wertfreie' Instanz der Kamera die Echtheit des Mediums suggerieren. Durch die massenhafte und weltweite Verbreitung nicht zuletzt aufgrund seiner auch durch ein ungebildetes Publikum problemlosen Konsumierbarkeit löste der Film in seiner Breitenwirkung die Literatur als Zeugnis fremder Kulturen ab.
Die Rezensionen des Films Sie tanzte nur einen Sommer differieren relativ stark: Filmzeitschriften richten sich an ein komplex heterogenes Publikum, und die Zielgruppe des Printmediums bestimmt sowohl Stil als auch Präsentation des Textes. 46
Als aufschlußreich erwiesen sich die ausführlichen, genießerisch erscheinenden Besprechungen in den an ein weibliches Publikum gerichteten Blättern wie Film und Mode oder Film und Frau. Dagegen sind die kurzen Filmanmeldungen und besonders die kirchlichen Blätter für die Untersuchung auf deutsche Stereotypen über Schweden wenig ergiebig - bei ersteren beschränkten wenige Zeilen die Autoren (hier kaum: Rezensenten) meist auf das Mindeste; bei letzteren stand oft die explizite Ablehnung der filminternen Kritik an der schwedischen (Staats-)Kirche im Vordergrund. Und doch läßt sich gerade diese Auffälligkeit in den nicht sehr umfangreichen Komplex der deutschen Bilder von Schweden einordnen.
Der große Vorzug der Schweden, menschliche Charaktere aus dem Charakter der Landschaft zu entwickeln und eins mit dem anderen bildhaft zu verschmelzen, wird auch hier [...] zu einem optischen Erlebnis.Es folgen bezeichnende Attribute: man hat an einer "rührenden Darstellung" teil und kann sich nicht sattsehen an der "bezaubernde[n] Ulla Jacobsson", dem "sympathischen Folke Sundquist", erfreut sich an der "liebevollen Führung" letztgenannter durch den Regisseur sowie der "lauteren Ausstrahlung" und dem "volksliedhafte[n] Ton des Films"; später findet sich noch ein "prächtige[r] Onkel", so daß das "starke[...] Echo", das "überall im Publikum" zu beobachten sei, nur logisch erscheint.
Man wirft dem schwedischen Film oft vor, seine Werke würden alle von Erotik leben. Das stimmt auch bis zu einem gewissen Grade. Es liegt im Wesen des schwedischen Menschen und in seinem Charakter, dass er Probleme der Beziehungen zwischen Mann und Frau viel freier (weil für ihn natürlich und selbstverständlich) behandelt, als andere Nationen. 64Da dies auch im besprochenen Streifen so sei, könne man mit Bestimmtheit von einem großen Publikumserfolg ausgehen. Im folgenden wird die Filmlandschaft als pastorales Idyll beschrieben, in welcher sich die Liebenden bewegen. (Wobei die "Dorfjugend [...] gegen den zu strengen Pfarrer einen erheiternden Krieg führt".) Nach einer knappen und mißverständlichen Inhaltsangabe65 erfolgt die Zusammenfassung, nach der die Geschichte als wegen ihrer Einfachheit gelungen bezeichnet wird, wobei auch die "herrliche[...] Landschaft" den Film "zu einem erfrischenden, sauberen und gekonnten Werk werden" läßt, wobei wir an "selten eindrucksvolle[n] Bilder der Landschaft und der Menschen, die in sie gehören", teilhaben können. Der Kritiker des Film-Magazines sieht nur, was er sehen will, und erwähnt das, was ihn interessiert. Der Film ist hier keine Kunstform, sondern ein probates Mittel, Stimmungen zu erzeugen und sich die Zeit vergnüglich zu vertreiben.
In der Stadt, so zeigt es das Lichtspiel, leben menschliche Schablonen, unentwegt Feste feiernd, tanzend und kosend und Lippen anmalend. Auf dem Lande aber da herrschen das Brauchtum, die Religion, die Arbeit, und die Jugend spielt im Laientheater. Auf dem Lande da leben die knorrigen Charaktere. Und die kleine Kerstin, ist sie nicht so recht ein Elfenkind, dem jungen Abiturienten, dem städtischen Firlefanz mit Nichten zu gönnen?Die nackten Körper ("Teegespräch") in der Landschaft wirkten "anti-erotisch" und "empfängnisverhütend", die Konstruktion sei dünn, "mager, verlogen, süßlich und theatralisch", die Handlung "anachronistisch" und unecht. Auch sei "in unseren Tagen [...] der Gegensatz von Stadt und Land" kein "ernsthaftes Problem"67 mehr, obwohl "dieser Film das mühsam zu zeigen versucht". Das Spiel der Darsteller wird von Kramberg als "unnatürlich" empfunden, und doch: "Vielleicht wird aus Ulla Jacobsson eines Tages ein Hollywoodstar. Das wäre trotzdem ein Jammer". Gelobt wird ein filmkünstlerisches Mittel: die Arbeit des Kameramannes ("verdienstvoll"), dem Kramberg wünscht, nächstens wieder "vor Aufgaben [gestellt zu werden], die seiner würdig sind".
Der katholische Filmdienst68
bewertete Sie tanzte nur einen Sommer mit der Note 3 (abzuraten), und der Aufsatz liest sich, als seien alle sinntragenden Formulierungen in Anführungszeichen gesetzt, um ihren Zynismus zu betonen. Man habe "mit viel Beharrungsvermögen" die "etwas weichen Gefühle und gängigen Stimmungen" ausgekostet, und ihnen als Gegenpol einen "bitterböse[n], hartgesottene[n] Spielverderber", den Dorfpfarrer, einen "unsympathischen Sündenschreck" beigegeben. Man könne den Liebenden "bis in ihre diskretesten Intimitäten nachspüren", und schon deshalb lasse Gottes "Bannstrahl" innerfilmisch nicht lange auf sich warten. Dem Drehbuchautor wird sein guter Wille zugestanden, "Güte über Fanatismus" siegen lassen zu wollen, doch sein Scheitern bleibe nicht verborgen: "Aber dann haben in seinem Kopf Vorurteile und Ressentiment gegen das Christliche über jeden Rest von Verständigkeit und geistiger Gerechtigkeit gesiegt." 69
Die Kritik, der jedes Gefühl für die Freiheit künstlerischer Überhöhungen abgeht, bezieht die Beurteilung 'der' schwedischen Staatskirche und deren einem Vertreter auf sich und ist pikiert. Die Zusammenfassung läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig:
Eifernde Gegenüberstellung des lebensfeindlichen Dorfpfarrers mit einem jungen Liebespaar in einem schwedischen Film, der Empörung hervorruft, weil er in heiklen und schwerwiegenden Fragen die Positionen völlig falsch verteilt.Vom Evangelischen Filmbeobachter erscheint eine positive Kritik mit deutlich skeptischem Unterton. 70 Dieser "Schwedenfilm" verzaubere mit dem "Eindruck einer [der] großstädtischen Überzivilisation ferngerückten Welt" und der ihr eingeschriebenen "nicht alltäglichen Keuschheit und Gefühlsfülle". Doch:
Man wundert sich, daß das erste Publikum in Deutschland in seinem großstädtischen Snobismus offenbar nicht merkte, wie die Gegenüberstellung, womit der Schwedenfilm seine Spannung bestreitet, jedenfalls für uns so nicht oder doch nicht mehr besteht.Konflikte dieser Art seien eigentlich für Deutschland nicht mehr ergiebig, und auch für Schweden sei die gezeigte Handlung mehr als unwahrscheinlich und wohl eher [warum auch nicht?] der künstlerischen Überhöhung durch die derartige Mißverständnisse generierenden 'Gattung Film' zuzuschreiben. Leider sei trotz Sauberkeit und Keuschheit der Streifen für Jugendliche nicht geeignet, weil diese weder fähig sein können, die Liebesszene richtig einzuordnen, noch "zwischen verständnislosen und verständnisvollen Vertretern kirchlicher Frömmigkeit, also zwischen Film und Leben [!] zu unterscheiden".
Leo Menter, der im selben Heft der Neuen Filmwelt des Henschelverlages einen Aufsatz zu den Aufgaben der sozialistischen Filmkritik veröffentlicht, verfaßt eine Ostberliner Kritik. 71 Für ihn besitzt der Film unbestreitbare Qualitäten mit seiner Kernhandlung, der Liebesgeschichte: "Selbst die delikatesten Szenen, obschon der Film darauf verzichten könnte, sind sauber, gesund und schön." Menter attestiert Sie tanzte nur einen Sommer "mutige Ansätze", da der Streifen so grundlegende Widersprüche wie arm - reich, Stadt - Land und junger Student - Mädchen vom Lande anspräche; doch jene "Probleme, die Tag für Tag in der bürgerlichen Welt auftauchen, gelten dort und ebenso hier im Film als ein persönliches Schicksal, das nun einmal zu diesem Leben gehört". Bedauerlicherweise leide der sonst ansprechende Film unter der Darstellung einer "verzerrte[n] Wirklichkeit" und den "billigen" Effekten einer "melancholische[n] Stimmungsmalerei". So sei der gezeigte Filmschluß "ernstlich kaum noch anwendbar[...]", weil "alle Fragen, die dazu beitragen könnten, das Löcherige und die lächerliche Moral jener Gesellschaftsordnung aufzudecken, automatisch in die Tragik eines Einzelschicksals gelenkt" würden. Leider sei man bestrebt gewesen, "möglichst viel Mystik aufkommen zu lassen", so daß die löbliche Kritik des Films an der Figur des fanatischen Pfarrers (dem "ein sehr menschlich" und "mit viel Wärme" dargestellter Onkel entgegenwirke) wirkungslos bleibe, weil dieser "nichts anderes [vermag], als ihm rührende Worte der Liebe entgegen zu setzen", letztlich also an seiner Entstehung in "der monopolabhängigen Filmproduktion der kapitalistischen Länder" scheitern mußte. Und weil es der Handlung "versagt bleibt auszusprechen, was ist", muß sich Menter, dies offenkundig bedauernd, ambivalent zu diesem Streifen verhalten, in dem man sich "ehrlich bemüht" habe, der aber auf dem gezeigten Niveau gesellschaftlicher Aufgeklärtheit ohne ein glückliches, das soll heißen: gesellschaftlich korrektes Ende bleiben mußte.
Michael Lachmann und Hauke Lange-Fuchs73
widmen im Buch Film in Skandinavien 1945-1993 im Kapitel "Auf dem Weg in die Krise" dem Film Hon dansade en sommar mehrere Abschnitte - und ihre Kritik ist vernichtend. Der Regisseur Arne Mattsson (der an Ingmar Bergman gemessen und für zu leicht befunden wird) verharre "an der naturalistischen Oberfläche", denn "zwischen der Landschaft und der Jahreszeit gibt es nur wenige Wechselwirkungen auf die Entwicklung der Beziehung der beiden Liebenden". Die Geschichte dieser "tragischen Liebe" sei "unglaublich sentimental", und der Erfolg des Films gründe sich einzig auf die Liebesszene, die "im erotisch verklemmten Klima der fünfziger Jahre als ungeheuerlich" gelten mußte, heute aber nichts anderes als "lächerlich" sei. Der Film habe damit "auf Jahre hinaus für ein lüsternes Publikum den Begriff des 'Schwedenfilms'" geprägt - diese Schlußfolgerung von Lachmann und Lange-Fuchs ist nur unter der Einschränkung zutreffend, daß sie hier nur eine Aussage über die breiten Rezipientenschichten treffen, denn für Filmkenner 'besetzt' war der Begriff 'Schwedenfilm' schon damals, wenn auch nicht so deutlich und für weniger große Teile des Kinopublikums74
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Häufig reproduzierte sprachliche Bilder erfüllen mehrere ganz konkrete Funktionen im komplexen Zusammenspiel der Faktoren, auf denen die - in diesem Falle nationale - Identität ihrer Reproduzenten beruht, denn
Fremdbilder konkretisieren, 'verkörpern' bestimmte abstrakte Vorstellungen von Fremden, bieten eine materielle Repräsentationsform. Umgekehrt ist es [...] wichtig für die Rezeption, daß diese Formen so auch aufgefaßt werden, also korrekt decodiert werden - weil Fremdbilder codierte Mitteilungen sind, wie man sich irren wird, wenn man sich nicht gleichzeitig unter Anwendung der nationalkulturellen Kompetenz, die die meisten besitzen, zu beiden Seiten des Zeichens verhält. 75In den untersuchten Rezensionen tauchen fast grundsätzlich (positive) Stereotypen über den Norden und seine Menschen auf. In den Filmrezensionen fehlen explizite Verweise auf die - schon durch die Notwendigkeit des Übersetzens für die deutschen Rezipienten deutliche - strukturelle Andersartigkeit des jeweiligen Kunstwerks gegenüber der einheimischen, 'nationalen' Kunst. Dies erstaunt jedoch wenig aufgrund der positiven Assoziationen besonders jener der Verwandtschaft, die schwedische Kunst bei den Kritikern offenkundig auslöste und welche diese an ihre Leser weiterzugeben suchten. 76 Deutsche Stereotypen über Schweden deuten oft Fluchtmöglichkeiten an: Der Zivilisation, dem Leben in einer Industriegesellschaft wird einmal mehr die Natur als Alternative gegenübergestellt, wobei diese transzendent als lebendes, beseeltes und handelndes Subjekt verstanden wird.
eskapistische Sehnsüchte beim Leser bedient,
das derart vorgestellte Werk als Verheißung gezeichnet,
textimmanent eine persönliche politische Haltung, oft die einer zumindest ästhetisch konservativen Sicht, vermittelt und gleichzeitig
der Weg des geringsten Aufwandes beschritten, indem generalisierende, zur Sinnleere tendierende Phrasen für die Vorstellung und Beschreibung des Films genutzt wurden.
Eine klare Scheidung von Hell und Dunkel, Schwarz und Weiß ist jedenfalls besser als das fade Grau des Großstadtnebels und Großstadtstaubes, in welches sich die Bildung und Gesinnung des modernen Menschen allmählich aufzulösen droht. Will er wiedergeboren werden, so muß er sich neu schaffen; und jede Schöpfung beginnt mit einer Scheidung von Licht und Finsternis. 89Auch die durchgängig bemühte Gesundheitsmetaphorik zeugt von der Sympathie der deutschen Rezensenten, die dies kaum lobender und überschwenglicher ausdrücken könnten als durch Verwendung sonst Deutschem vorbehaltener Autostereotypen. 90 So zeugen die Kritiken von einem "chronischen Ethnozentrismus"91 : Man lobt, indem man mit sich selbst vergleicht. Die betonte, als schön empfundene Melancholie trifft auf eine positive Grundhaltung gegenüber dem Sentimentalen. Ohne auf die inhaltlichen wie künstlerischen Veränderungen bei der Bearbeitung des Romans Sommardansen für den Film eingehen zu können, muß hier, um die Wichtigkeit dieser Unterschiede zu betonen, eine schwedischen Untersuchung zitiert werden: Es kam nämlich - auch nach Ansicht des im nachhinein protestierenden Autoren Per Olof Ekström - zu
einer Verschiebung von der Ideenkritik des Romans 'Sommardansen' zu dem mehr allgemeinmenschlichen Inhalt des Films. Der Roman beinhaltet gewisse kritische Abschnitte, die sich gegen rückständige Strömungen auf dem Lande wenden. Dies ist im Film mehr oder weniger verschwunden, und dafür tritt durch den jungen männlichen Hauptakteur, der das Land schätzen lernt und gegen den Willen seines Vaters dorthin zieht, eine stärkere Naturromantik hervor.
Die gekürzten Abschnitte betrafen die Frage nach dem Vereinsleben der Jugendlichen, d.h. der SLU [Schwedischer Landjugendverband]. Der Verbandssprecher Klas des Buches, ein Äußerer bitterer Wahrheiten, nimmt im Roman breiten Raum ein, ist jedoch im Film auf eine recht unbedeutende Figur am Rande reduziert worden. 92
Herk.-Land | Künstler (Tätigkeit) | Kunstwerk | Nennungen | Rezensenten |
S | Garbo, Bergman (Schauspielerinnen) | Filme | 1 | Film und Frau |
D | Veit Harlan (Regisseur) | Filme | 1 | Film-u. Mode-Rev. |
D | Klaus Boerner (Autor) | Ursula (Novelle), Filmtitel: Primanerinnen | 1 | Film und Frau |
D | Rolf Thiele (Regisseur) | Primanerinnen (s. Boerner) | 1 | Dt. Filmillustrierte |
D | Max Halbe93 (Autor) | Jugend | 3 | Ev. Filmbeob., Dt. Filmill., Kramberg (neg. abgrenzend) |
Auch in der schwedischen neueren Geschichte findet sich eine agrarromantische Tradition, welche die Natur auffaßt "als eine lebende, beseelte Größe, ein organisches Wesen, das den Charakter des 'naturnahen' Bauern positiv formt - in der Verlängerung wird die Natur etwas, zu dem man unter dem 'Druck der Zivilisation' flieht".94 Die positiven deutschen Rezensionen zu Sie tanzte nur einen Sommer sind durchzogen von einer Wetter- und Jahreszeiten-, speziell einer Lichtmetaphorik, welche dieses Motiv ins Metaphysische erhöht. Die Liebesszene des jungen Paares findet in der Mittsommernacht statt; Kerstin selbst ist die Lichtgestalt, ein "Nordlicht"95 . Letzteres stellt einen womöglich nur scheinbaren Bruch mit den Bildern eines lichtdurchfluteten Sommers und der daraufhin überschäumenden Lebenslust junger Menschen dar - vielmehr ist die derartige Symbolisierung des Mädchens ein Verweis auf die die dem Sommer komplementären langen, kalten, aber klaren Winternächte des Nordens, durch den der Film auf eine Weise mit mystischem Sinn aufgeladen wird, die in nichts gerechtfertigt scheint außer im tragischen Tod des "Schmetterlings"-Mädchens, das im Sonnenlicht verbrannte. Schon "Fouqué vergleicht [...] mit einem 'Nordlicht', 'rätselhaft, hoch, deutsam, fern'".96 Dieser gesamte metaphorische Gehalt scheint auch Jahrzehnte später noch mitzuschwingen, hat jedoch in seiner Anwendung auf eine Schauspielerin, die mit ihrer Rolle identifiziert wird, die Grenze zum Lächerlichen überschritten.
Natur | Zivilisation | Ideolog. Ausdruck | |
Wirtschaft | Landwirtschaft Boden: Grundl. f. gesunde Selbstversorg. | städt. Gewerbe Geldwirtschaft | ökon. Romantizismus Boden/Hof erhält trans- zendentalen Wert |
Soziologie | Bauer Die patri. Ordng. i. d. Fam., Mutter als Eros Nationalismus | Großstadtmensch, Proletarier Emanzipation Internationalismus | Bauernidealisierung (Rassismus, 'Blut und Boden') Muttermystik Huldig. a. d. Vaterland |
Umwelt | Größe der Natur Verwurzelung in der Natur Freih. i. d. Natur | Stadtlandschaft Alienation | Naturromantik Erlebnis von Natur als Tempel (Heiler) Flucht zur Natur97 |
Politische Ideen des nationalsozialistischen Deutschland wie: "intensive peasant farming, localised autarky as a step towards national autarky, defensive and eugenically-oriented racialism and a defensive racial nationalism"98 fanden sich demnach Jahre später (auch) in schwedischen Filmen wieder, die offenkundig wiederspiegeln, daß es im Schweden der fünfziger Jahre, einem Land mit langer sozialdemokratischer Geschichte, noch immer akzeptierte Tendenzen gab, rassistisch-nationalromantische Ideen zu Werten zu erheben.
Empfindsames, grüblerisches Individuum: Fülle, starke Gefühle, Phantasie und Empfindsamkeit stehen bei den meisten Kritikern für das zur Mystik neigende Individuum des nordischen Menschen, dessen typische Eigenschaften Individualität, Sehnsucht, ein Hang zum Träumen, Wehmut, Melancholie, Schwermut und Tragik seien.
Schwarz-Weiß-Kontraste: Die schon angesprochene Vorliebe deutscher Kritiker für das Auffinden und Benennen von Kontrasten und einander bedingenden Gegensatzpaaren zeigt sich bei der Assoziation und Beschreibung von hellen, langen Sommern, Klarheit, nordischem Winter und großer, langandauernder Kälte oder schlicht in der Bezeichnung von Schweden als einem Land großer Gegensätze.
Nordischer Naturmensch: Naturverbundenheit, Ursprünglichkeit, Heimatliebe, Seelentiefe des schwedischen Volkes und ein bei ihnen vorhandenes Bewußtsein vom ständig gegenwärtigen nordische Erbe sowie daraus resultierende Kühnheit und entsprechenden Mut beschreiben fast alle Rezensenten.
Der Idealismus der abstrakten Gemeinschaft - der Nationalismus, die Vaterlandsliebe, die vorgestellte (Natur-)Einheit zwischen Volk und Staat, das nationale Gemeinschaftsinteresse - ist eine Fiktion, die sich auf Gegenfiktionen gründet und diese voraussetzt, Bilder von denen, die-sich-von-uns-unterscheiden, aber wohlgemerkt getrennt von einem Bewußtsein von Interessen, Fiktivität, Konstruktionen usw. 106Die erwähnten langen Phasen der winterlichen, nur von Polarstern und Nordlicht gebrochenen Dunkelheit Schwedens (daß ein erheblicher Teil des Landes südlich des Polarkreises liegt, wird verschwiegen) erklären sich auch mit deren traditioneller Metaphorisierung als Zeichen für Tiefe, Neigung zu Metaphysik und (philosophischer) Irrationalität, wobei dies Eigenschaften sind, die ebenfalls den Deutschen zugeschrieben werden und die diese auch für sich selbst in Anspruch nehmen. Die Schweden sind sogar in den nicht vollständig positiv deutbaren Stereotypen Brüder und Schwestern der Deutschen - im Blute wie im Geiste. Wenn selbst heute noch "Seele, Glaube, Harmonie, das Erhabene und Edle, das tief Empfundene und tief Gedachte"107 (von Deutschen) als typisch deutsch identifiziert wird, so sind dies genau solche Eigenschaften, welche die Kritiker im rezensierten Film aufzufinden meinen. Die schwedischen (nationalkonservativen) Autostereotypen, besonders deutlich in den Bauernfilmen der vierziger und fünfziger Jahre, zu denen auch Hon dansade en sommar zählt, 108 korrespondieren mit diesen Bildern. 109
Weiterhin lassen sich die Stabilität und die Verbreitung der immer ähnlichen bis gleichen Stereotypen durch die Rezensenten damit erklären, daß jene von deutschem Standpunkt aus 'Kernsymbole' darstellen, also solche, in denen sich - obwohl Aussagen über Schweden - 'der Deutsche' wiederfindet und positiv, d. h. korrekt gezeichnet glaubt. 116 Diese positive Überladung der Stereotypen stellt sich gelegentlich dar "als eine Mischung aus prophetischer Dunkelheit und Appell"117 .
Natur als Idee | Natur als Objekt | |
Vorstellungsplan (Idee) | Natur (als Teil des Lebens), irrationales, mystisches Überphänomen | Größe der Natur: als dramatisches, lyrisches, erotisches Erlebnis |
Konsequenzplan (Praxis) | Erdmystik. Ehrfurcht vor dem erdverbundenen Menschen (Bauer, "Blut und Boden") | Natur als Fluchtpunkt vor der Zivilisation. Polarisierung in Natur - Kultur |
Die in den Rezensionen genutzten Heterostereotypen repräsentieren demnach mit ihrer oft metereologisch ausgerichteten, transzendental zu begreifenden Natursymbolik geistige Inhalte, die zwar fast durchgängig positiv bewertet werden, jedoch durch ihren einseitigen und damit glättenden Gebrauch zu einer semantischen Beliebigkeit, zur Sprachgebärde tendieren. Der "Konsequenzplan (Praxis)" bietet beide Resultate; die als mystisch, wenn nicht quasi-göttlich empfundene Natur bietet dem zivilisatorisch zerschundenen, bekehrungswilligen Städter eine sinnvolle Alternative: den mühsamen, aber grundsätzlich ehrlichen und befriedigenden bäuerlichen Alltag, welcher der menschlichen Tendenz zum Chaos durch täglich und jährlich wiederkehrende Arbeiten (also zyklische Rituale) einen Rhythmus verleihen kann. Beide filmischen Ergebnisse sind mit den deutschen Stereotypen kompatibel.
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identifiziert. Oder, wie es sich bei Steen Bo Frandsen liest: "Mit dem Hinweis auf die glorreiche germanische Vergangenheit versuchte man, die traditionelle Unterlegenheit gegenüber der romanischen Welt zu kompensieren".121
Nun war das Französisch-Römische eindeutig mit dem Papsttum korrelliert und bewirkte eine diesem entgegengerichtete (preußische, nord-) deutsche Bejahung des Protestantismus. Eine Kritik desselben mußte hier als Angriff auf die eigene Befindlichkeit verstanden werden, so daß das in Sie tanzte nur einen Sommer erschütterte Vertrauen gegenüber (einem Repräsentanten) der schwedischen Staatskirche auf Unbehagen, wenn nicht Unverständnis und Ablehnung stoßen mußte. Dies verführte einzelne Vertreter der deutschen Kritik zu der Haltung, den künstlerischen Text als objektiv lesbare Abbildung der Realität zu interpretieren und somit jegliche Überformung durch die kunstproduzierenden Individuen und Kollektive zu vernachlässigen.
[Ein] Schwerpunkt [des Films] liegt auf dem Bruch zwischen der alten, beinharten schartauanischen Glaubensauffassung und dem Neuen, das durch das Vereinsleben und jugendliche Aktivität hervorstürmt. 126Ekström selbst distanzierte sich von dieser der dramatischen Struktur geschuldeten Veränderung seines Romans. Von einzelnen schwedischen Kritikern wurde die Religionskritik des Filmes ebenfalls heftig angegriffen. Unter der Überschrift "Große Rufer - Grände und das Himmelreich"127 erschien die Wiedergabe einer Diskussion zwischen Karl Kilbom und Gustaf Grände, dem sogenannten "Tvååkerspräst" ("Zweifelderpastor"), der zu den führenden Vertretern einer kirchlich gesteuerten Bewegung "gegen die Tanzboden- und Swingkultur der vierziger Jahre" gehörte. 128
Wie gezeigt wurde, gehört die überwiegende Zahl der in den Rezensionen untersuchten Heterostereotypen zu der Gruppe der metonymischen Konstruktionen. Während eine Metonymie durch die Bezeichnung eines gegebenen Zustandes gekennzeichnet, der pragmatische Bezug daher im Vergleich zu ihrer Metaphorisierung noch bestimmend ist und ihr symbolische Aufladung
133 dementsprechend relativ niedrig angesetzt werden muß, erfolgte im Falle der deutschen Metonymien über Schweden eine (nicht notwendige) semantische Aufladung dieser sprachlichen Bilder, in deren Folge ganze Konnotationsketten entstanden, die sowohl die irrationale 'Nordsehnsucht' vieler Deutscher zu begründen vermochten als auch auf eine teleologische Endzeiterwartung verwiesen (beispielsweise das "Nordlicht" sowie die nordischen Länder als Hort wahrer Religion, wahren Geistes und wahrer Philosophie darstellten). Dieser vielschichtige Kontext ist bis heute nicht ganz verloren gegangen.
Fußnoten
1: OT: Hon dansade en sommar, Regie: Arne Mattsson, Schweden 1951, nach Per Olof Ekströms Roman mit dem Titel Sommardansen von 1949.2: Wolfgang Jacobsen: Berlinale. Internationale Filmfestspiele Berlin 1951-1990. Berlin: Argon, 1990, 40.
3: Alfred Paulus: Schwedische Spielfilmproduktion 1955-1963. Analyse ihrer Voraussetzungen und Tendenzen. Tübingen: Gunter Narr, 1984 (= Medienbibliothek; B 6), 28, 53, 118, 124 sowie Bo.: "Sie tanzte nur einen Sommer (Hon dansade en sommar)", in: Der neue Film. Fachorgan für die Filmindustrie. Wiesbaden, H. 71 (6. Jhg.), 15.9.1952., G.H.: "Sie tanzte nur einen Sommer", in: Film-Echo. Offizielles Organ des Zentralverbandes der deutschen Filmtheater e.V., Wiesbaden usw., H. 35 (30.8.1952)., H. B.: "Sie tanzte nur einen Sommer (Hon dansade en sommar) (= Film der Woche)", in: Deutsche Film-Illustrierte, Düsseldorf, H. 29 (5. Jhg.), 15.7.1952.
4: Thea Lurker: "Natura", 517-518 in: Manfred Lurker: Wörterbuch der Symbolik. Stuttgart: Kröner, 1991 (= Kröners Taschenausgabe; 464).
5: S. Julia Zernack: Geschichten aus Thule. Íslendingasögur in Übersetzungen deutscher Germanisten. Berlin: Freie Universität, 1994 (= Berliner Beiträge zur Skandinavistik; 3), 11.
7: Steen Bo Frandsen: Dänemark - der kleine Nachbar im Norden. Aspekte der deutsch-dänischen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1994, 49.
8: Rudolf Walther: "Was ist 'nationale Identität'?", 28 in: Die Zeit 33 v. 12.8.1994.
9: Schweden 1941. Hrsg.: Presseabteilung des Ministeriums des Äussern. Berlin: Dietrich Reimer (Antrews & Steiner), 1941 und einige der Aufsätze aus dem Berliner Tageblatt.
10: Udo Pini: Leibeskult und Liebeskitsch. Erotik im Dritten Reich. München: Klinkhardt & Biermann, 1992, 99.
11: Oskar Schindler: "Gedanken zur Deutschen bildenden Kunst der Zukunft." Vortrag in der Münchner Universität, abgedruckt in: Das Bild. Monatsschrift für das Deutsche Kunstschaffen in Vergangenheit und Gegenwart. Karlsruhe: Müller, 1936, 260.
13: Hier scheint der Skandinavismus ('anmeldelser') zutreffend, denn das Gros der Besprechungen und Ankündigungen zum Film verdient nicht die Bezeichnung Kritik, sondern eine ihrer Dürftigkeit eher entsprechende Bezeichnung.
14: Zu diesen s. Bernd Henningsen: Der Norden: Eine Erfindung. Das europäische Projekt einer regionalen Identiät. Berlin: Humboldt-Universität, 1995 (= Öffentliche Vorlesungen; 50).
15: Hierbei beziehe ich mich auf den weltweit vorherrschenden Tonfilm, der seit 1929 innerhalb weniger Jahre den stummen Film vollständig vom Markt verdrängte. Stummfilme sind an einen Bildträger (Film) gebunden, häufig sind Texttafeln zwischengeschaltet (also ein Schriftmedium), zur Performance gehört neben einer z.T. üblichen Einführung durch einen Conférencier noch die Musikbegleitung von der Schallplatte, häufiger von einem meist mit dem Film kaum koordinierten Klavier; in großen Filmpalästen konnte diese Funktion auch von einem ganzen Sinfonieorchester erbracht werden.
16: Harald Weinrich: "Drei Thesen von der Heiterkeit der Kunst", 7-20 in: Ders.: Literatur für Leser. Essays und Aufsätze zur Literaturwissenschaft. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1986 (= dtv; 4451), 13.
17: Die Reaktionen des Publikums auf bestimmte Filme lassen sich nur direkt im Anschluß an den Kinobesuch erfassen; bei den meisten Filmen geschieht dies nicht, so daß die Rezeption nur indirekt über die Besucherzahlen, die Laufzeit des Films und die Kritiken erschlossen werden kann, wobei letztere als individuelle Reaktionen und Äußerungen noch das aussagekräftigste Material bilden.
18: Identität wird hierbei grundsätzlich als eine historische und prinzipiell veränderliche Größe verstanden. S. hierzu, speziell zur 'nationalen Identität', Henrik Kaare Nielsen: "National Identitet?", 141-152 in: K & K 71 (19. Jhg.), 1/1992. København: Medusa.
19: Zum Komplex Sport, Politik und Stereotypen s. Jürgen Link: Die Struktur des Symbols in der Sprache des Journalismus. Zum Verhältnis literarischer und pragmatischer Symbole. München: Fink, 1978; ders.: Schönhuber in der Nationalelf: Halbrechts, rechtsaußen oder im Abseits? Die politische Kollektivsymbolik der Bundesrepublik und der Durchbruch der neorassistischen Schönhuberpartei. Duisburg: Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung, 1990 (= DISS-Texte; 10) und Mats Hellspong: Korset, fanan och fotbollen. Folkrörelsernas kulturmiljö i ett jämförande perspektiv. Stockholm: Carlsson, 1991.
20: Walter Lippmann: Public Opinion. With a New Introduction by Michael Curtis. New Brunswick; London: Transaction Publishers, 1991. (Erstveröff.: The Macmillan Company 1922).
21: Manz, Wolfgang: Das Stereotyp. Zur Operationalisierung eines sozialwissenschaftlichen Begriffs. Meisenheim am Glan: Anton Hain, 1968 (= Kölner Beiträge zur Sozialforschung und angewandten Soziologie; 8), 2. Die einführenden Kapitel dieses Werks bieten einen ausgezeichneten Überblick über die Stereotypenforschung seit Lippmann.
22: Duden. Das Herkunftswörterbuch. Etymologie der deutschen Sprache. 2., überarb. Aufl., Mannheim (usw.): Dudenverlag, 1989 (= Duden; 7).
23: Dän. Original: "at behandle fremmedbilledet som stereotypi" und: "kan fremmedbilleder som stereotyper og som gyldige beskrivelser gå hånd i hånd - kan en sand beskrivelse være en stereotyp?" Hedetoft, Ulf: "Det nationale fremmedbillede som kulturelt tegn eller: Om at sætte forskelle i verden", 29-57 in: Gunhild Agger; Barbara Gentikow; Ulf Hedetoft (Hrsg.): Stereotyper i Europa. Århus: Aarhus Universitetsforlag, 1990 (= Kulturstudier; 10), 41.
24: Richard F. Carter: "Stereotyping as a Process", 77-91 in: The Public Opinion Quarterly. Princeton, N.J. Hrsg.: Frederick F. Stephan et al. Vol. XXVI, 1/1962, 77.
26: Ute Gerhard; Jürgen Link: "Zum Anteil der Kollektivsymbolik an den Nationalstereotypen", 16-52 in: Jürgen Link; Wulf Wülfing (Hrsg.): Nationale Mythen und Symbole in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Strukturen und Funktionen von Konzepten nationaler Identität. Stuttgart: Klett-Cotta, 1991 (= Sprache und Geschichte; 16), 30.
27: Johann Georg Zimmermann: Vom Nationalstolz. Über die Herkunft der Vorurteile gegenüber anderen Menschen. Hrsg.: Giovanni Blumer; Alfred Messerli (n. d. Ausg. Zürich, 1768). Zürich: Tanner und Staehelin Verlag, 1980, 31.
28: Hermann Bausinger: "Stereotypie und Wirklichkeit", 36-49 in: Landeskunde im universitären Bereich. Vorträge des Symposions am 6., 7. u. 8. April 1987 veranst. v. d. Universität Odense u. d. Goethe-Institut Kopenhagen. Hrsg.: Thomas Jensen; Helge Nielsen. Kopenhagen; München: Wilhelm Fink Verlag, 1988 (= Text & Kontext, Sonderreihe; 24).
30: Ausführlich beschäftigt sich Manz in seinem Einleitungskapitel mit der auch von ihm als inhaltliche Verkürzung des Begriffs interpretierten Kopplung von 'Stereotyp' und 'Vorurteil'.
31: S. hierzu Roman Jakobson: "Ein Blick auf die Entwicklung der Semiotik" (1975), 108-135 in: Ders.: Semiotik. Ausgewählte Texte 1919-1982. Hrsg.: Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1992 (= stw; 1007).
32: Kupffer, Heinrich: "Metaphern, Bilder, Formeln", 169-179 in: Universitas. Zeitschrift für interdisziplinäre Wissenschaft. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft. H. 548 (47. Jhg.), 2/1992, 173.
34: Michael Jeismann: "Was bedeuten Stereotypen für nationale Identität und politisches Handeln?", 84-93 in: Link; Wülfing, 84.
36: Edith Hörandner: "Sozialstruktur", 690-691 in: Lurker, 690. S. auch: Ernst Cassirer: An Essay on Man. An Introduction to a Philosophy of Human Culture. New Haven: Yale University Press, 1944 und Uffe Østergaard: Europas ansigter. Nationale stereotyper og politiske kulturer i en ny, gammel verden. København: Rosinante, 1992.
37: Assmann, Aleida: "Identität aus kulturwissenschaftlicher Sicht", 238-253 in: Leviathan. Zeitschrift für Sozialwissenschaft. Düsseldorf. 2, 1993, 245.
38: Dän. Original: "moderne menneskers tankesæt, følelser och handlingsmønstre, [...] livsorienteringsraster, deres kultur og deres identitetsforestillinger - ikke restløst og langt fra altid fuldt bevidst". Hedetoft, 29.
39: Dän. Original: "Nationalitet, statsborgerskab etc.: det er ikke bare noget man vil have, fordi det forekommer naturligt, selvfølgeligt og uundværligt. Og til denne naturlighedskonstruktion hører der [...] billeddannelser, der i fiktionel form 'argumenterer for' dens berettigelse som autentisk identifikationsform - historiske myter, kulturelle symboler, samlende personligheder, altsammen noget der bygger på forestillingen om den grundlæggende etniske, kulturelle [...] enhed mellem folk og stat, statens naturlige, historiske udspring i folkets lige så naturlige afgrænsning fra andre folk." Hedetoft, 30f. Hedetoft geht hier offensichtlich vom objektiven (heute wenig gebräuchlichen) Nationsbegriff aus, der sich allerdings besser als der subjektive in seine Argumentationen einfügt.
40: Björn Collinder: "What Is National Character?", 1-5 in: Arctica (= Studia ethnographica upsaliensia; XI). Uppsala: Almqvist & Wiksell, 1956, 3.
41: Dän. Original: "Det nationale fremmedbillede indgår som det afledte, afhængigt variable element i den samlede konfiguration af nationale billeder, der findes i ethvert nationalitetsunivers. Det udgør den ene pol i det relationelle kontinuum mellem 'os' og 'dem', hvor 'os' repræsenterer det ideelle identitetsmæssige ankerpunkt og 'dem' den dertil svarende, argumentative eller retfærdiggørende modpol - hvis tilskrevne egenskaber kan svinge afhængigt af synspunkt, interesse, situation, hensigt og målgruppe. Således er både selv- og fremmedbillederne en væsentlig del af den kollektivt-sociale virkelighedsorganisering, eller anderledes: de hjælper med til at fiktivisere, definere den nationale virkelighed og begrunde individernes nationalisme." Hedetoft, 31.
42: Hans Henning Hahn: "Nationale Stereotypen und kulturelle Identität: internationale Fachtagung in Bad Homburg, 9.-11. Mai 1983", 209-212 in: Internationale Schulbuch-Forschung. Zeischrift des Georg-Eckert-Instituts für internationale Schulbuchforschung. Hrsg.: Karl-Ernst Jeismann. Braunschweig: Westermann. H. 2 (6. Jhg.), 1984, 209.
43: S. hierzu beispielsweise: Manfred Behn (Hrsg.): Schwarzer Traum und weiße Sklavin. Deutsch-dänische Filmbeziehungen 1910-1930. München: edition text & kritik, 1994 (= Ein Cinegraph Buch).
44: Die Bezeichnung 'Schwedenfilm' etablierte sich in dieser Zeit im deutschen Sprachraum und wird noch heute verlegen-schamhaft für die Bezeichnung von Softpornos verwendet. Weitere Filme, die an dieser Entwicklung teilhatten, waren Per Axel Branners Version von Sången om den eldröda blomman (1934), Ingmar Bergmans Wilde Erdbeeren (Smultronstället, 1957) und Das Schweigen (Tystnaden, 1962).
45: Für das deutsche Publikum existierte dieser Rahmen jedoch nicht immer, denn diese den Film einleitende Begräbnisszene wurde gelegentlich geschnitten, so daß die Perspektive der Rückblende verlorenging. Vgl. bes. die Ostberliner Kritik von Leo Menter und die kirchlichen Rezensionen (s. Quellenverzeichnis). Ob in der Bundesrepublik nur identische Kopien liefen, ist nicht mehr nachzuvollziehen, aber nach der gängigen Verleihpraxis nicht sehr wahrscheinlich. Für die Wirkung auf das Publikum dürfte dies wenig relevant gewesen sein; Kritiker, die von den Schnitten wußten und diese auch inhaltlich für erwähnenswert hielten, verwiesen darauf.
46: Einen Schluß auf den Wert, der in (West-)Deutschland zu Beginn der fünfziger Jahre den Filmrezensionen beigemessen wurde, lassen die (beginnend mit dem offiziellen Vorspann mit immerhin vier Fehlern in den Namen) in fast allen Texten falsch wiedergegebenen Namen von Regisseur und Hauptdarstellern zu. Darüber hinaus traten auch weitere inhaltliche Fehler auf, die auf mangelnde Sorgfalt im Abfassen der Texte schließen lassen, wie beispielsweise die Verwechslung der Herkunftsorte der Protagonisten.
47: Cinéaste. Zeitschrift zur Förderung des guten Films. Heft 8, 31.5.1952, 10-11. Im anschließenden Heft 9, 30.6.1952, 6, wurde folgender, heute ausgesprochen kurios anmutender anonymer Text veröffentlicht: "Göttinger Test: 'Sie tanzte nur einen Sommer': Bei der Testvorführung des schwedischen Films durch die Studentischen Filmfreunde, Filmclub Göttingen, wurden 650 Fragebogen ausgegeben, von denen 160 beantwortet wurden. Von diesen 160 Antworten haben 146 Filmfreunde den Film verstanden, obwohl er nicht synchronisiert war; nur 14 verneinten diese Frage. Ihr Gesamturteil über den Film bezeichneten 68 als überdurchschnittlich gut, 76 als gut und 16 ablehnend negativ. 102 Antworten befürchteten keine Verallgemeinerung der Pfarrersdarstellung, während 58 damit rechnen. Die Liebesszenen am See fanden 147 einwandfrei, 13 dagegen lehnten sie ab. Für die öffentliche Vorführung würden 122 als Zensor keine Schnitte fordern, während 38 Kürzungen für notwendig halten. (Vielfach wird allerdings Jugendverbot empfohlen und allgemein besteht die Befürchtung, daß mit den Badeszenen Reklame-Mißbrauch betrieben werden wird.) - Interessant ist der Vergleich mit den Berliner Festspielen, wo der schwedische Film durch das Publikum mit 1141 Stimmen (= 75%) als ausgezeichnet und mit 339 Stimmen (= 22.3%) als gut bewertet wurde."
49: Film und Frau. Heft 13 (4. Jhg.). Hamburg: Jahreszeiten-Verlag. Zweiwöchentlich.
50: Schon um die Jahrhundertwende hatte Ellen Key, "die Großtante des radikalen Europa" (Schwed. Original: "det radikala Europas grandtant"), weit über Schweden hinausreichende Aufmerksamkeit mit ihren Plädoyers für die freie Liebe erzielt und dadurch die Assoziation Schweden - Freizügigkeit (mit-)geschaffen. Ohlmarks, Åke; Nils Erik Bærendtz: Svensk kulturhistoria. Svenska krönikan. Stockholm: Forum, 1981, 548.
51: "Licht aus dem Norden: Ulla Jacobsson". Film- und Mode-Revue. H. 23 (6. Jhg.), 1952. Baden-Baden: Neue Verlagsgesellschaft.
52: Hervorhebung, auch im folgenden: CB.
53: Ungenannter Autor, zit. n. Pini, 107.
54: S. hierzu Manfred Lurker: "Haar", 272 in: Ders., 1991.
55: Veit Harlan gilt heute als der bekannteste Propaganda-Regisseur des Nationalsozialismus, der neben Filmen wie Jud Süß auch Theodor-Storm-Verfilmungen und mit Vorliebe Melodramatisches drehte - seit 1937 stets mit seiner schwedischen Frau Kristina Söderbaum in der weiblichen Hauptrolle. Vgl. Kristina Söderbaum: Nichts bleibt immer so. Erinnerungen. 2., durchges. u. erw. Aufl. München: Herbig, 1992, Wolfgang Jacobsen; Anton Kaes; Hans Helmut Prinzler: Geschichte des deutschen Films. Stuttgart: Metzler, 1993 und Klaus Kreimeier: Die Ufa-Story. Geschichte eines Filmkonzerns. München: Hanser, 1992.
56: Bo.: "Sie tanzte nur einen Sommer (Hon dansade en sommar)" in: Der neue Film. Fachorgan für die Filmindustrie. Wiesbaden, H. 71 (6. Jhg.), 15.9.1952.
57: Im letzten kurzen, heute mehr als kurios anmutenden Absatz erfolgt der einzige Hinweis auf die Figur des Pfarrers und die damit bedingten Konflikte: "Die gut gelungene deutsche Synchronisation hat auch die antikirchliche Tendenz, die in einigen Szenen der Originalfassung zum Ausdruck kommt, klug abgeschwächt."
58: G. H.: "Sie tanzte nur einen Sommer", in: Film-Echo. Offizielles Organ des Zentralverbandes der deutschen Filmtheater e.V., Wiesbaden usw., H. 35 (30.8.1952).
59: FSK ist das Kürzel für "freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft", sachverständiges und unabhängig arbeitendes Organ der 1948 in Wiesbaden gegründeten "Spitzenorganisation der Filmwirtschaft" (SPIO). Die FSK prüft Kino- (und jetzt auch Video-)Filme nach dem Jugendschutzgesetz, den Bestimmungen zum Feiertagsschutz u.ä.
60: Inwieweit dies den Tatsachen entspricht, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden - möglicherweise wurde hier nur die zufällige Erwähnung (schwedischerseits) einer Parteizugehörigkeit im Produktionsteam überinterpretiert. Ekströms Roman ist hier deutlicher und geht mehr auf die konfessionelle resp. parteiliche Gebundenheit schwedischer Vereine und Organisationen ein. Andere Rezensionen (auch sämtliche zurate gezogenen schwedischen Texte, s. Anhang) erwähnen keine Verbindung von Mattssons Hon dansade en sommar und der schwedischen Sozialdemokratie. Der Fakt selbst wäre ein Novum, und die Stoffwahl des Filmes für Parteipropaganda doch nicht übermäßig naheliegend.
61: Diese Behauptung ist unhaltbar. Schon der frühe Stummfilm ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig; als aktueller Bezug hätte dem Rezensenten wenigstens Hildegard Knef als Die Sünderin einfallen können.
62: Edith Hamann: "Volkston. Sie tanzte nur einen Sommer. (Hon dansade en sommar)", in: Film-Blätter. Fachorgan der deutschen Filmwirtschaft, Heft 35 (29.8.1952). Erstaunlich liest sich dieser Aufsatz jedoch besonders deswegen, weil im Heft 26 (27.6.1952) anläßlich der Berlinale der Film knapp und gänzlich anders charakterisiert wurde: "Mit Ulla Jacobsson, einem reizenden Mädchen. Auch halbnackt zu sehen. Gut fotografiert. Traurige Courths-Mahler-Handlung voller Zufälle. Publikumswirksam." Ob letztere Tatsache zu einer zweiten, eben dieser Hamann-Rezension führte, oder ob die differierenden Bewertungen dem pluralistischen Charakter des Blattes zuzuschreiben sind, muß hier ungeklärt bleiben.
63: Film-Magazin, Bern, H. 24 (1. Jhg.), 1952.
1. 64: Für den Kritiker des Film-Magazins sind Nacktbadeszenen offenkundig Teil des 'erotischen' Images schwedischer Filme im deutschsprachigen Raum. Derartige Szenen finden sich seit den dreißiger Jahren im schwedischen Film (Sången om den eldröda blomman; 1934), werden jedoch seit damals - auch - ironisiert. So äußert Malmberg, eine ältere Hauptperson des 1932 entstandenen Filmes Jag gifta mig - aldrig: "Man muß wohl modern sein, die Nacktkultur mögen!" (schwed. Origninal: "Man skall väl vara modern, gilla nakenkulturen!"). S. Per Olov Qvist: Folkhemmets bilder. Modernisering, motstånd och mentalitet i den svenska 30-talsfilmen. Lund: Arkiv, 1995, 179.
65: Die Folgen der Liebesnacht blieben "nicht aus", was eher ein- als doppeldeutig auf eine mögliche Schwangerschaft Kerstins verweist. Diese bleibt nun wider Erwarten gerade aus, doch die Wortwahl scheint bewußt auf eine imaginierte Publikumserwartung zu verweisen.
66: Karl Heinz Kramberg: "Über schwerliebige Schwedenkinder und - gegen Kraftfahrräder", in: Korrespondenz für Filmkunst, Karlsruhe. Hrsg.: Internationale Presseagentur, Folge 10 (3. Jhg.).
67: Wieder sei auf die Sozialisation durch 'Blut-und-Boden'- und Heimatfilme verwiesen. Daß Stadt und Land keine unüberwindlichen Gegensätze darstellten, hielt das deutsche Publikum nicht davon ab, allein in den fünfziger Jahren ca. 300 Heimatfilme zu konsumieren. S. Willi Höfig: Der deutsche Heimatfilm 1947-1960. Stuttgart: Enke, 1973.
68: W. B.: "Sie tanzte nur einen Sommer (Hon dansade en sommar)3" in: Filmdienst. Düsseldorf, Lieferung 32 (5. Jhg.), 29.8.1952. Die hochgestellte 3 steht für die Wertung durch die Zeitschrift.
69: Hier werden die nicht zu unterschätzenden Anteile von Ekström, der den Roman Hon dansade en sommar schrieb, und vom Regisseur Mattsson übersehen resp. übergangen.
70: Schfd.: "'Sie tanzte nur einen Sommer' ('Hon dansade en sommar')", in: Evangelischer Filmbeobachter, München, Folge 28 (4. Jhg.), 10.7.1952.
71: Leo Menter: "Sie tanzte nur einen Sommer" in: Neue Filmwelt. Berlin: Henschelverlag Kunst und Gesellschaft. H. 11, 1952. Der o.g. Aufsatz zu den Aufgaben einer sozialistischen Filmkritik legt es nahe, Menters Rezension als 'Idealkritik' zu lesen, nach der sich alle folgenden (Film-)Besprechungen auszurichten haben würden.
72: Die Anführung einer Kritik aus der populären Filmwissenschaft kann gegenüber den zeitgenössischen, für ein gänzlich anderes Publikum verfaßten Anmeldungen und Rezensionen nur der Abrundung dienen.
73: Michael Lachmann; Hauke Lange-Fuchs: Film in Skandinavien 1945-1993. Dänemark - Finnland - Island - Norwegen - Schweden. Berlin: Henschel, 1993. Die betreffenden Abschnitte finden sich auf den Seiten 171-172.
1. 74: Qvist, 1995, bes. Kap. 7, "Det Moderna", 154-194.
75: Dän. Original: "fremmedbilleder konkretiserer, 'legemliggør' bestemte abstrakte forestillinger om fremmede, tilbyder en materiel repræsentationsform. Omvendt er det [...] vigtigt for receptionen, at formerne opfattes som sådan, altså afkodes korrekt - for fremmedbilleder er kodede meddelelser, hvor man går galt i byen, hvis man ikke relaterer sig til begge tegnets sider på én gang under anvendelse af den nationalkulturelle kompetence, som de fleste er i besiddelse af." Hedetoft, 40.
76: Zur (deutschen) "romantic doctrine of language and personality" s. Collinder, 5.
77: Dän. Original: "Man kunne sige, at [...] stereotyper kan have [...] elementer af sandhed, men at de overskygges af hensigten: fordømmelse, moralisering, idyllisering, at stille sin egen nationalitet i et godt lys osv." Hedetoft, 41.
80: S. auch Karl Heinz Bohrer: Der Mythos vom Norden. Studien zur romantischen Geschichtsprophetie. Diss., Heidelberg: Ruprecht-Karl-Universität, 1961, Kap. 1: "Der prophetische Charakter der Nordmetaphorik", 10-32, und passim.
81: S. Jens Erik Sørensen (Hrsg.): Melankoli. Nordisk romantisk maleri. Århus: Aarhus kunstmuseums forlag, 1991, 9f.
82: Damit korreliert auch die Feststellung, der Norden sei kaum noch eine geographische, sondern vielmehr eine ideologische Bestimmung. S. Henningsen, 1995, bes. 4.
85: Zur stereotypen Kopplung von Schweden und promiskuitiver Sexualität s. Stephan Michael Schröder: Mehr Spaß mit Schwedinnen? Funktionen eines deutschen Heterostereotyps. Berlin: Nordeuropa-Institut der Humboldt-Universität; San Domenico die Fiesole (FI): Schuman Centre, 1996 (= Arbeitspapiere "Gemeinschaften"; 3).
88: Beispielsweise Jens Peter Jacobsen: Niels Lyhne. København: Gyldendal, 1880; Trygve Gulbranssen: Og bakom synger skogene. Oslo: Aschehoug, 1933; Selma Lagerlöf: Gösta Berlings saga. Stockholm, 1891 (1924 von Mauritz Stiller verfilmt); oder Hjalmar Söderbergs Martin Bircks ungdom. Stockholm, 1902; und Filme wie Victor Sjöström: Terje Vigen (1915), Berg-Ejvind och hans hustru und Tösen från Stormyrtorpet (beide 1917); oder Mauritz Stiller: Herr Arnes pengar (1919), eine Verfilmung von Selma Lagerlöfs Herr Arnes penningar.
89: Julius Langbehn: Rembrandt als Erzieher. 9. Aufl. Leipzig: Hirschfeld, 1890, 272.
90: S. hierzu auch den Gebrauch des Begriffes 'Gesundheitsmetaphorik' bei Gerhard; Link, 29.
91: Senghaas, Dieter: "Vom Nutzen und Elend der Nationalismen im Leben von Völkern", 23-32 in: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament. B 31-32/92 (24. Juli 1992), 31.
92: Schwed. Original: "en förskjutning från 'Sommardansen's idékritik till filmens mer allmänmänskliga innehåll. Romanen innehåller vissa kritiska avsnitt som riktar sig emot inslag av efterblivenhet på landsbygden. Dessa har mer eller mindre försvunnit i filmen och instället framträder mer av naturromantik [...] med den unge manlige huvudpersonen, som lär sig uppskatta landsbygden och mot sin fars vilja vill bosätta sig där. De borttagna avsnitten rörde frågan om den ungdomens föreningsrörelse, dvs om SLU [Svenska Landsbygdens Ungdomsförbund]. Bokens föreningsordförande Klas, en uttalare av beska sanningar, intar en stor plats i romanen, men i filmen har han reducerats till en ganska obetydlig figur i marginalen [...]." Per Olov Qvist: Jorden är vår arvedel. Landsbygden i svensk spelfilm 1940-1959. Uppsala: Filmhäftet, 1986, 113.
93: Max Halbe, 4.10.1865-30.11.1944, heute bekannt besonders durch sein naturalistisches Drama Jugend. Ein Liebesdrama in drei Aufzügen. Berlin: Fischer, 1893 (= Sammlung moderner Dramen). Halbe schrieb Dramen, Romane, Novellen und autobiographische Bücher.
94: Schwed. Original: "som en levande, besjälad storhet, ett organiskt väsen som verkar positivt karaktärsdanande på den 'naturnäre' bonden - i förlängningen blir den någonting att fly till undan 'civilisationens tryck'". Qvist, 1986, 235.
97: Qvist, 1986, 131. Meine Übersetzung.
98: Anna Bramwell: Blood and Soil: Walther Darré and Hitler's Green Party. Abbotsbook: Kensal House, 1985.
99: Ute Gerhard; Jürgen Link, 28.
100: Vgl. beispielsweise die Äußerung: "So lange der eingeborene Erdcharakter des deutschen Volkes gepflegt und erhalten wird, wird auch dieses selbst gedeihen." (Langbehn, 193.)
101: S. die entsprechende Textpassage bei Gerhard; Link, 26-27.
102: Vgl. zur romantischen 'Nordsehnsucht' und der von ihr ausgebildeten Metaphorik Bohrer.
103: Frédéric Durand: Nordistik. Ein Einführung in die skandinavischen Studien. München, 1983 (= Themen-Reihe der Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung).
104: Lars Trädgårdh: "Varieties of Volkish Ideologies: Sweden and Germany 1848-1933", 25-54 in: Bo Stråth (Hrsg.): Language and the Construction of Class Identities. Göteborg: Gothenburg University, 1990 (= ConDis Project Report; 3), 33.
106: Dän. Original: "Det abstrakte fællesskabs idealisme - nationalismen, fædrelandskærligheden, den forestillede (natur)enhed mellem folk og stat, den nationale fællesinteresse - er en fiktion der bygger på og forudsætter modfiktioner, billeder af de-der-er-forskelligt-fra-os, men vel at mærke adskilt fra en bevidsthed om interesser, fiktivitet, konstruktioner osv." Hedetoft, 56.
107: Ausstellungtext des Weimarer Goethe- und Schiller-Archivs 1995 zum Schriftsteller Ernst von Wildenbruch (1845-1909), hier zit. n. Tilman Krause: "Sehnsucht nach dem Nationalen" in: Der Tagesspiegel Nr. 15 332 (20. Juli 1995).
109: Zu den Eigenschaften, die sich Schweden heute selbst zuschreiben, gehören "wohlorganisiert, zuverlässig, rationell, ehrlich, ethisch, loyal, korrekt, seriös, pünktlich, besonnen, ruhig, liebenswürdig, zurückhaltend, 'gemäßigt', einander ähnlich, ungesellig, engstirnig, scheu". Dies jedoch sollte gerade in seiner Nähe zu deutschen Stereotypen nicht überbewertet werden, da die erstgenannten Eigenschaften positiv konnotiert werden und als Selbstbild von 'Geschäftsleuten' demzufolge naheliegen, die restlichen von einem noch nicht übermäßig entwickelten Selbstbewußtsein zeugen, das möglicherweise durch die wirtschaftliche Situation Schwedens auf dem Weltmarkt begründet ist. (Schwed. Original: "välorganiserade, pålitliga, rationella, hederliga, etiska, lojala, korrekta, seriösa, punktliga, sansade, tysta, artiga, tillbakadragna, 'lagom', jämlika, osällskapliga, trångsynta, blyga". Zit. n. Jean Phillips-Martinsson: Svenskarna som andra ser dem. Fakta, myter eller ett kommunikationskomplex? 2., rev. Aufl. Lund: Studentlitteratur, 1992 (1981), 19.)
110: Doch auch diese Zeit brachte nicht nur Einheitliches, Einseitiges zu dieser Thematik hervor. Eduard Spranger konnte noch 1939 formulieren: "Wieder erhebt sich die Frage, ob es [...] einen einheitlichen Nationalcharakter überhaupt gibt; ob das, was wir so nennen, nicht bloß eine Fiktion ist, die als politische Kampfparole gebraucht wird, oder Resultat völkischer Selbstdeutung in einigen erlauchten Geistern, oder eine Wunschbild vom eigenen Wert, das außerdem noch bei verschiedenen Volksgruppen sehr verschieden ausfallen mag." (Eduard Spranger: "Wie erfaßt man einen Nationalcharakter?", 41-62 in: Die Erziehung. Monatsschrift für den Zusammenhang von Kultur und Erziehung in Wissenschaft und Leben. Hrsg.: Karl Arnold et al. Leipzig: Quelle & Meyer. H. 3 (15. Jhg.), Dezember 1939, 50.)
111: Alfred Rosenberg: Der Mythus des 20. Jahrhunderts. Eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit. München: Hoheneichen-Verlag, 1930, 436.
112: Schwed. Original: "Skildringarna av detta motivområde må ha växlat mellan rent romantiserande och mer rent realistiskt utformade berättelser, men den genomgående tendensen tycks ha varit idealiserande". Qvist, 1986, 40.
114: Willy Hellpach beschreibt 1954 diesen Prozeß der Entwicklung der Deutschen unter den bezeichnenden Überschriften "Das schöngeistige Deutschland (1750-1830)", "Das nutzgeistige Deutschland (1830-1880)" und "Das Aufkommen der Machtgeistigkeit" sowie "Nationale Renaissancen" und "Adolf Hitler - ein Holzschnitt" (für die Zeit von 1880 bis 1945). (Der deutsche Charakter. Bonn: Athenäum, 1954.) S. zu Hellpachs Wissenschaftskarriere seit der Weimarer Republik Christian Jansen: "'Deutsches Wesen', 'deutsche Seele', 'deutscher Geist'. Der Volkscharakter als nationales Identifikationsmuster im Gelehrtenmilieu", 199-278 in: Reinhard Blomert; Helmut Kuzmics; Annette Treibel (Hrsg.): Transformationen des Wir-Gefühls. Studien zum nationalen Habitus. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1993 (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft; 1073).
115: Das von schwedischen 'Bauernfilmen' wie Sie tanzte nur einen Sommer dargestellte Schweden kam den deutschen Erwartungen sehr nahe: "Zum 'Guten' kann die freie Natur führen, da sie einen möglichen Zufluchtsort in der entfremdenden Gesellschaft des Imperialismus repräsentiert. Die Natur unterstreicht die Erhöhung des Bauern, da dieser der Mensch ist, der in engstem Kontakt mit den Mächten der Natur steht. Die Natur ist die Kraft, die den Menschen der Stadt Trost und Frieden schenken kann". (Schwed. Original: "Till den 'goda sidan' kan den fria naturen hänföras, eftersom den representerar en möjlig tillflyktsort undan industrialismens alienerande samhälle. Naturen understryker bondens upphöjdhet, genom att denne är den människa som står närmast i förbund med naturens makter. Naturen är den kraft som kan skänka tröst och hugsvalelse till stadskulturens människor".) Qvist, 1986, 131. Deutlich wird die für Deutschland und Schweden nicht unterscheidbare Funktionalisierung von Konnotationen wie beispielsweise von Freiheit oder Reinheit mit der Natur und dem Leben auf dem Lande.
116: Gerhard; Link, 33. - Bei Barbara Gentikow heißt es: "Unsere Kritiker hatten Werke vor sich, die mit der Aura des Ausländischen umgeben waren. Die Lektüre ausländischer Literatur gleicht immer einem Ausflug ins Exotische. Kritik im Kontext des Exotischen aber berührt den Leser nicht; er kann sich nicht identifizieren oder er hat zumindest einen Vorwand, sich nicht identifizieren zu müssen." Dieser Aussage Gentikows widersprechen die Ergebnisse dieser Arbeit. S. Barbara Gentikow: Skandinavien als präkapitalistische Idylle. Rezeption gesellschaftskritischer Literatur in deutschen Zeitschriften 1870 bis 1914. Neumünster: Wachholtz, 1978 (= Skandinavistische Studien; 3), 232.
118: Vgl. Tritsch und Menter: "Sie tanzte nur einen Sommer".
119: Die untersuchten Rezensionen sind keine Primärform der Darstellung, sondern vermitteln die Lesart resp. Sichtweise der Rezensenten auf den Film und damit ihre Interpretationen der Naturschilderungen. Für die Berücksichtigung dieses Schemas spricht die Erfahrung, daß ohnehin das interessanter ist, was gesehen, als das, was gezeigt wird. Qvist, 1986, 248. Meine Übersetzung.
122: Maaret Koskinen: "Verlorene Paradiese. Das typisch Schwedische", 103-117 in: Lars Åhlander (Hrsg.): Gaukler im Grenzland. Ingmar Bergman. Berlin: Henschel, 1993, 104. Der Satz bezieht sich auf die gängige Fehlinterpretation von Filmen - auch durch Fachleute -, hier angewandt auf Filme Bergmans.
125: Zum aus Jütland stammenden Priestergeschlecht der Schartau gehört auch der 1757 in Malmö geborene und 1825 in Lund verstorbene, antirationalistische und -pietistische Lutheraner Henric Schartau, der nach seinem Studium an der Lundenser Universität als Hausprediger, Bataillonsprediger, Erster stadskomminister und Kontraktpriester arbeitete. Schartau wurde zu Beginn seiner Priestertätigkeit stark von der Herrnhuter Brüdergemeinde beeinflußt, bevor er sich von diesen abwandte und sie von nun an heftig bekämpfte. Seine orthodoxe und schriftlich fixierte Lehre ist an "nådens ordning" ausgerichtet, d.h. der Verwandlung des Menschen durch die göttliche Gnade. Schartau wurde besonders durch seine Predigten, seine seelsorgerische Tätigkeit und seine Lehre des Katechismus bekannt. Schartau prägte damit eine noch heute in Westschweden praktizierte Form des Christentums. "Besondere Züge desselben sind die starke Betonung des Wortgebrauchs, der Autorität des kirchlichen Amtes, der Quellenglaube und eine allgemein konservative Lebenseinstellung." (Schwed. Orignial: "Utmärkade drag i denna äro det starka betonandet av ordets bruk, det kyrkliga ämbetets auktoritet, källelsetroheten och en allmänt konservativ livsinställning." (532 in: Svenska män och kvinnor, bd. 6. Biografisk uppslagsbok. Stockholm: Bonnier, 1949, 532-534).) S. auch Det Store Norske Leksikon. Hrsg.: Olaf Kortner; Preben Munthe; Egil Tveteras. 4., umgearb. u. erw. Aufl. Oslo: Aschehoug og Norsk Gyldendal, Bd. 12, 1983, 92.
126: Schwed. Original: "tyngdpunkten är lagd vid brytningen mellan den gamla benhårda schartauanska trosuppfattningen och det nya, som stormar fram genom föreningsliv och ungdomlig aktivitet." Qvist, 1986, 113.
127: Schwed. Original: "Stora Ropare - Grände och Himmelriket".
128: Schwed. Original: "mot dansbane- och swingkulturen under 1940-talet". S. Qvist, 1986, Fußn. 123 des Kapitels "Efter salje", ibid. Diese streitbare Darstellung der Pfarrersfigur wurde verschiedentlich, teilweise deutlich emotional gefärbt, weiterdiskutiert. Qvist (1986) nennt Rune Moberg: "Filmen som ljuger", Se 1952:24; Stig Ahlgren: "Hon dansade en sommar", VJ 1952:20 und Ingemar Glemme: "Höstens filmfacit", RLF-Tidningen 24.1.1952.
133: Unter 'symbolischer Aufladung' wird die Menge der potentiellen Konnotationen zum Bezeichneten verstanden. So stand 'Norden' erst für 'links vom Sonnenaufgang'; später bezeichnete er eine Himmelsrichtung und einen noch unzivilisierten, d.h. nicht christianisierten Teil Europas. Mit Tacitus' Germania>-Rezeption begann die metonymische Verwendung des Begriffs 'Norden', und seit der deutschen Romantik verweist die Verwendung von 'Norden' auf ein komplexes Gefüge von Assoziationen und Inhalten (s. beispielsweise Zernack und Henningsen, 1995). Dieser Prozeß läßt sich bezeichnen als semantische Aufladung des Symbols.
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Autor: Claudia Beindorf
Abfassung: Ende 1996
Webmaster: August 1998