Das Kriterium der nationalen
Identität und die Nationenbildung:
Der skandinavische Fall
Der nachfolgende Aufsatz beschäftigt sich in einem skandinavischen Kontext kritisch mit dem Begriff der nationalen
Identität. Er versucht dabei, die konstitutiven Elemente festzuhalten, die als gemeinsame Ordnungsvorstellungen im
politischen und sozialen Prozeß hervorgetreten sind. Dabei werden rudimentäre Ansätze zu einer politischen Kultur Skandinaviens sichtbar.
I
Wie jede Gesellschaft beansprucht auch die nationalstaatliche für sich einen sinnhaften
Aufbau der sozialen Lebenswelt. Ein anderes Wort dafür ist Politische Kultur.1 Sie läßt die
individuellen Gesellschaftsmitglieder sich als Teil eines Sinnzusammenhanges begreifen, sie
bindet die individuelle Existenz in eine als subjektiv geordnet und als sinnhaft erlebte
gemeinsame objektive Wirklichkeit ein. Das ist es, was unter kollektiver Identität oder
Politischer Kultur verstanden werden kann. Politische Kultur befaßt sich also mit 'Dingen',
die Menschen gemeinsam haben und nicht in erster Linie mit dem, was jeweils für den
Einzelnen wichtig ist; schließlich befaßt sie sich mit den Dingen, die moralisch präferiert
werden. Daher haben Nationen sinnstiftende Funktion. Jede Gesellschaft bedarf einer
Legitimation, die als sinnvoll bzw. plausibel erscheinen und erlebt werden muß, um von den
Leuten als solche erkannt werden zu können und nur dann wird sie auch akzeptiert werden.
Die Ordnung von Gesellschaft muß daher stets wirklich konstituiert werden, nicht etwa nur
'imaginiert', wie das in letzter Zeit etwas mißverständlich behauptet wird.2 Der Mensch ist ja
nicht nur ein denkendes sondern auch ein körperliches Wesen und eine kluge Politik richtet
sich immer auch auf die Kontrolle des Körpers.
Die Strukturen der Herrschaft, die Prozesse der Macht und die Institutionen der Gesellschaft
werden von dem jeweilig herrschenden Bewußtsein, den dominierenden Meinungen und
Glaubensvorstellungen über Gesellschaft beeinflußt. Was aber das Gemeinsame zwischen
Menschen sein soll, das ist das jeweils zentrale Problem der politischen Theorie, sofern sie
sich als Grundlage politischer Praxis versteht.3
Worin bestehen also das Problem und die Bedeutung bestimmter Konzeptionen von Nation
und Identität für die Politik? Gerade in einer demokratisch-sozialstaatlichen Gesellschaft,
deren Mitglieder sich als Freie und Gleiche verstehen, scheint die Lösung eines Problems
aller gesellschaftlicher Existenz besonders notwendig: die Beantwortung der Frage, worin
das allen Gemeinsame, das Band oder die Einheit, besteht oder woraus es resultiert. Es geht
mithin darum, wie jenes das Individuum überschreitende Ganze zu begreifen ist.
Im letzten Jahrzehnt war sehr viel von einer Identitätskrise die Rede, vor allem auch in
Zusammenhang mit dem Beitritt Skandinaviens zur Europäischen Union und der damit
zusammenhängenden Krise des skandinavischen Wohlfahrtsstaates4. Es ist wahrscheinlich
eine Trivialität festzustellen, daß der Wohlfahrtsstaat in seiner westeuropäischen und zumal
in seiner skandinavischen Ausformung dem liberalen Weltbild verpflichtet ist. Dieser
Liberalismus besagt, daß eine gerechte Gesellschaft nicht wegen ihres angestrebten Zweckes
oder Ziels gerecht ist, sondern gerade wegen ihrer Weigerung, von vornherein zwischen
konkurrierenden Zwecken und Zielen zu wählen. Mit Hilfe ihrer Verfassungs- und
Rechtsordnung versucht die liberale Gesellschaft, einen Rahmen zur Verfügung zu stellen,
innerhalb dessen die Bürger eigene Werte und Ziele verfolgen können, solange dies mit der
Freiheit anderer verträglich bleibt. Mit anderen Worten: Das Gerechte hat gegenüber dem
Guten Vorrang, was bedeutet, daß individuelle Rechte nicht um des Allgemeinwohls willen
geopfert werden dürfen.5 Und es bedeutet, daß die Gerechtigkeitsprinzipien, die diese Rechte
bestimmen, nicht auf irgendeiner besonderen Vorstellung des guten Lebens beruhen können.
Dieser Liberalismus, der die Grundlage der zeitgenössischen Politik und Moralphilosophie
bildet, wurde von John Rawls6 am intensivsten ausgearbeitet. Er bildet auch die Grundlage
der gegenwärtigen Wohlfahrtsstaaten, einschließlich der skandinavischen, zumindest in der
Form, wie sie sich in der gegenwärtigen Debatte selbst verstehen. Er ist die Folge der
Hereinnahme der Modernität in das 'folkhem' bzw. 'samfunn', in die 'folkelighed' und
schließlich in das 'samhälle' durch die sozialdemokratischen Arbeiterparteien Skandinaviens.
Dort herrschte ein Weltbild vor, dessen bewußtseinsmäßige Fundamente heute unter dem
Schlagwort des "universalistischen Wohlfahrtsmodells" lediglich unvollkommen beschrieben
werden.7 Diese Entwürfe und deren Schwierigkeiten gehen letztlich auf John Locke und vor
allem auf Kant zurück. Sie sind in der skandinavischen Tradition ein Fremdkörper. Dieser
Essay handelt von den Aporien der Unvereinbarkeit zweier Weltbilder.
Theorien der Gerechtigkeit &173; eigentlich auch die Ethik &173; haben ihre Ansprüche
normalerweise auf der einen oder anderen Konzeption menschlicher Zwecke und Ziele
abgestützt. Vor allem Kants Ethik verwirft diese Lösung. Da verschiedene Personen
bezeichnenderweise unterschiedliche Wünsche und Ziele haben, kann jedes aus diesen
abgeleitete Prinzip nur zufällig sein. Das moralische Gesetz benötigt jedoch eine feste
kategorische Grundlage. Sogar etwas so universelles wie der Wunsch nach Glück wird nicht
ausreichen. Irgendeine bestimmte Konzeption als Regulativ einzuführen, würde einigen die
Konzeption anderer aufzwingen und ihnen somit zumindest die Freiheit vorenthalten, ihre
eigene zu wählen. Sich von Wünschen und Neigungen leiten zu lassen, heißt aber ohnehin,
nicht wirklich selbstbestimmt zu sein; es läuft vielmehr auf eine Ablehnung von Freiheit und
auf eine Kapitulation vor den Sachzwängen hinaus.
Solch eine Herangehensweise läßt die Frage immer noch offen, worin denn die Grundlage
des Rechten besteht, wenn es eine allen Zwecken und Zielen vorhergehende, nicht einmal
durch die von Kant so genannte "besondere Eigenschaft der menschlichen Natur"
determinierte Grundlage sein muß.8 Kants Antworten sind bekannt: die Grundlage des
moralischen Gesetzes muß im Individuum bzw. Subjekt gefunden werden &173; in einem
Subjekt, das über einen autonomen Willen verfügt bzw. Identität. Nur ein solches Subjekt
kann ein Wesen ausbilden, das den Menschen über die Sinnenwelt hinaushebt und ihn
befähigt, an einem idealen, unbedingten und von unseren sozialen und psychologischen
Neigungen unabhängigen Reich teilzuhaben. Nur eine derart tiefgreifende Unabhängigkeit
vermag den Abstand zu schaffen, den wir zu Entscheidungen benötigen, die frei von Launen,
Leidenschaften und sonstigen Eigenschaften sind. Streng genommen gibt es keine Gewähr
dafür, daß ich ein solches zu reiner praktischer Vernunft fähiges Subjekt bin, denn das sog.
transzendentale Subjekt ist eine bloße Möglichkeit.
Wie wirkt sich dies auf die Politik aus? Es wurde schon darauf hingewiesen, daß hier das
Recht und das Gerechte vor dem Guten rangieren. Die Implikationen der Mitgliedschaft in
einer Familie oder Gruppe fallen entweder unter den Tisch, sie sind 'privat', oder sie werden
den Implementierungsversuchen einer sich kognitiv verstehenden Psychologie ausgesetzt.
Was nun für den skandinavischen Raum von Wichtigkeit ist, ist nicht das autonome Subjekt
der autonomen Vernunft, das transzendentale Subjekt also; diese Determinante ist eher
unbekannt, die zugehörige Ethik ist jedoch wohlvertraut. Sie erscheint wieder in der Ethik
der Fairneß, vermittelt durch den common sense und die analytische Schule. Diese Lösung,
die auch Rawls vertritt, bietet gute Möglichkeiten, die schwierigen Probleme der
transzendentalen Person auszuklammern und diese statt dessen in einen wohligen Schleier
des Urzustandes zu versetzen. Der 'Urzustand' soll liefern, was Kants transzendentale
Argumentation nicht kann &173; nämlich die weltliche Fundierung für den Vorrang des Rechten
vor dem Guten: Rawls lädt ein, uns vorzustellen, welche Prinzipien wir zur Lenkung unserer
Gesellschaft wählen würden, wenn wir uns im voraus entscheiden müßten, ohne vorher zu
wissen, welche konkrete Person &173; ob reich oder arm, glücklich oder unglücklich &173; wir sein
werden und ohne unsere Konzeptionen des Guten vorher zu kennen.
Die Prinzipien, die wir in einem solchen Zustand wählen würden, sind die Prinzipien der
Gerechtigkeit! Die angebliche Voraussetzungslosigkeit, basiert freilich auf einem
bestimmten Menschenbild: dem Bild der ungebundenen, gegenüber allen Zwecken und
Zielen unabhängigen Person, dem Bild vom maßlosen, ungebundenen Selbst.9 Die heute in
den Sozialwissenschaften üblichen Ich-Identitäts-Konstruktionen sind allesamt Nachfahren
der Locke-Kantschen Exposition, wozu folgerichtig auch die ästhetische Variante der
Romantik zählt, die in Skandinavien gerade in der Oberklasse nicht unerheblichen Einfluß
hatte. Die politisch-ästhetischen Konzeptionen vom 'Norden' müssen in diesem
Zusammenhang gesehen werden.10 Es ist klar, daß derlei Konzeptionen den benevolenten (im
skandinavischen Fall) oder den autoritären Staat geradezu herbeifordern! Nach Verdrängung
der Vernunft aus ihrer zentralen Position und ihrer Abdankung als Transmissionsriemen der
Transzendenzfähigkit des Menschen wird sie durch die Dominanz der Leidenschaften ersetzt.
Dadurch aber muß notwendigerweise die Trennung von Staat und Gesellschaft eintreten. Die
dadurch zur Vorherrschaft gelangte Politische Ökonomie kann nach ihrem Selbstverständnis
als Versuch verstanden werden, die Politische Wissenschaft als Wissenschaft von den
Voraussetzungen zum richtigen Leben zu ersetzen.11 Sämtliche politisch-sozialen Entwürfe
im Gefolge der modernen Naturrechtsdoktrin, einschließlich der Marxschen, haben die
Trennung von Staat und Gesellschaft als Problem, das es zu überwinden galt, übernommen.
Das aber war in Skandinavien in nur sehr abgeschwächter Form der Fall.
Im Sozialstaat ist das ästhetische Subjekt in der These von der nützlichen Subversivität der
Ästhetik aufgearbeitet worden, welcher Ventilfunktion zugeschrieben wird, gewissermaßen
zum Dampf-Ablassen. Um jegliche Kommunikation zu verhindern, besitzt der Sozialstaat
oder benevolente Wohlfahrtsstaat umständliche verfahrensrechtliche Regeln, die die
eigentliche Freiheit in der Gerechtigkeit ausmachen, als eine Art verfahrensrechtlicher
Republik, damit die autonomen Ichs miteinander keine Kommunikation pflegen können &173;
wobei vorausgesetzt wird, daß dies prinzipiell ohnehin nicht möglich ist. Die
verfahrensrechtliche Republik steht somit gegen die Freiheit der Öffentlichkeit einer
demokratischen Republik mit ihren machtverteilenden Institutionen (constitutio mixta), denn
sie läßt konzentrierte Macht zu.
II
Diesen liberalistischen Annahmen, die ein zentraler Bestandteil der modernen politischen
Theorie seit Locke im 17. Jahrhundert sind, liegt ein Menschenbild zugrunde, welches als
das Kontinuierliche einer Person lediglich die Art und Weise versteht, in der diese sich in
einer unvertrauten Umwelt behauptet.12 Das Kontinuierliche, Personenzentrale einer Person
bleibt unspezifisch. Was bleibt ist: Ich bin, der ich bin bzw. derjenige, der sich mit anderen
so oder so bestimmt (im übrigen widme ich mich meiner Karriere und fröne meinen privaten
ästhetischen Phantasien). Im Gegensatz dazu hat Platon von Gerechtigkeit als von einem
Kontinuum der Person gesprochen. Die Identität als Kategorie der Person ist in der Moderne
beliebig auffüllbar geworden, leer, funktional inhaltslos. Sie verschleiert mehr als sie
preisgibt. Dennoch ist eigenartigerweise die gesamte Geschichte der Moderne auf der
Autonomie, Selbstverwirklichung, auf dem wahren Selbst, der Einheit des Selbst aufgebaut &173;
mit schwerwiegenden Folgen. Die Perspektive, die mit der Entlastung des öffentlichen
Raumes bzw. mit der Belastung des Teilsystems Staat verbunden ist, um tunlichst das
Aufeinanderprallen der Selbste um jeden Preis zu vermeiden &173; diese Perspektive kann heute
jedoch als gescheitert angesehen werden.
Daß Freiheit im Sinne von Autonomie und Selbstbestimmung fasziniert und zum Angelpunkt
politischer Ordnung gemacht wird, ist schon sehr lange vor der Moderne thematisiert worden
&173; allerdings aus ganz anderen Gründen als den hier darzulegenden. Dieses Problem konnte
natürlich nicht auftauchen, solange die christliche Konzeption der Seele nicht in Frage
gestellt war, d. h. solange die Bestimmung der Seelen im Heilsprozeß gesichert war, der
kosmisch gebunden, auch als Schöpfungsprozeß verstanden wurde. Wie bei allen Religionen
wurde auch im Christentum der Versuch unternommen, die Einheit von Körper und Seele
nicht nur symbolisch als Einheit darzustellen. Dies wird in der Moderne aufgegeben. Damit
wurde die Frage, was die Bestimmung des Selbst sein könnte, zu einer nicht mehr
unmittelbar beantwortbaren Frage.13
Eines der Grundmuster der Moderne ist das von Locke vorgezeichnete Modell der
Verschiebung des Bewußtseins von der unteilbaren Seele auf die Ebene der immerfließenden
Ideen. Die Fähigkeit des Bewußtseins ist die Fähigkeit, sich in diesem Strom zu
behaupten.14 Das Selbst wird nun zwangsläufig als Zustand der Freiheit von
Fremdbestimmung gesehen. Es muß unbestimmt bleiben, eben damit Herrschaft über es
ausgeschlossen werden kann. Das ist der Kern moderner Freiheit. Man denke an das Recht
von jedermann auf Selbstentfaltung.15 Offen bleibt hier aber, wodurch nun das Selbst
bestimmt wird: Es ist, wie gesagt, abstrakt, leer und inhaltslos. Es stabilisiert sich, indem es
von anderen anerkannt wird, also Reputation erwirbt. Hier liegen die Anfänge der
Vergesellschaftung. Moderne Sozialtheorie seit dem 17. Jahrhundert beruht immer auch auf
einer idealisierenden Projektion des Narziß, eine Folge der neuen transzendentalen
Innerlichkeit, die in gleicher Würde aller Menschen mündet. Die Politik der Anerkennung
erhält damit zugleich eine neue Färbung der Einzigartigkeit, sie kann &173; falls die Anerkennung
nicht stattfindet &173; in eine narzistische Verletzung umschlagen.16 Mit einer solchen
Ambivalenz kann jedoch keine Gesellschaft leben. Es ist nicht verwunderlich, daß Locke als
Puritaner zwar einerseits vom Besitztrieb als einer unschuldigen Angelegenheit sprach aber
ansonsten der Annahme einer acquisitiven Psyche in seinen Diskursen über Erziehung
vergeblich mit äußerst rigiden Mitteln beizukommen suchte.17 Neben diesem zur Anpassung
erzogenen Selbst gab es noch ein emphatisch empfundenes ozeanisches Gefühl, das nun als
'Religion' abgehandelt wurde.18 Das Eigenartige aber ist, daß das die Gesellschaft
dominierende, inhaltslose Selbst grundsätzlich in der Unterwerfungsbeziehung der
Beziehung von Bestimmenden über Bestimmte bleibt; denn ein unmittelbarer Übergang in
eine freie Gesellschaft von autonomen, sich selbstbestimmenden Individuen ist hinieden
auch beim besten Willen nicht möglich. Auch der interessengestützte Kontraktualismus
kommt um den Zwang zur Vernünftigkeit nicht herum, ist also auch nicht voraussetzungslos.
Um mit Kant zu sprechen: auch Interessen müssen 'wohlverstanden' sein, über die
Voraussetzung dieser Interessen muß Konsens bestehen. Damit aber kann eine Diskussion
über die jeweiligen Voraussetzungen auf Dauer nicht unterdrückt werden.19 Ethik verliert ihre
Orientierung auf menschliches Glück und wird vorrangig zu einer Theorie der Moralität, der
Pflicht, der Unterwerfung unter abstrakte Ziele; hier wird dann aber auch offenbar, daß
solche Konstruktionen Ausfluß eines privatistischen Bürgertums sind, das seine politische
Identität nicht in der politischen Partizipation, d.h. in der Entwicklung politischer Tugenden
sieht, sondern in der Ästhetisierung der jeweils selbstischen Erfahrungen, in der
Fetischisierung des Besonderen. Das ist dann die romantische Situation der Identität.20 Die
Tugend ist jedoch nicht nur eine conditio sine qua non der Partizipation, sondern hier stellt
sich auch die Frage nach ihrer Entstehung, ihrem Erfahrungsansatz. Auch die
Zivilgesellschaft ist auf Wahrheit ('Normen') als Letztbegründung angewiesen.
Zu diesem Komplex noch einige wenige abschließende Bemerkungen: Es wurde bereits
erwähnt, daß die moderne Rationalität mit dem Glauben zusammenhängt, daß es nichts
prinzipiell Unerkennbares geben kann, weil die Realität Strukturen aufweist, die denjenigen
des menschlichen Geistes analog sind. Das ist, wie ebenfalls erwähnt, keineswegs eine
Eigentümlichkeit der Moderne, denn das Axiom der Realitätskonformität des menschlichen
Geistes bzw. der Geistförmigkeit der Welt, liegt jeder rationalen Realitätsanalyse zugrunde,
unabhängig davon, ob sie sich in Kategorien vollzieht, die von Max Weber als 'traditional'
eingestuft wurden oder in außereuropäischen Kategorien. Niemand würde sich dem
anstrengenden Versuch unterwerfen, die Welt zu verstehen, wenn er nicht davon überzeugt
wäre, daß sie prinzipiell verständlich wäre. Max Weber differenziert in seiner These von der
'Entzauberung' der Welt zwischen modern-rationalem und traditional-vorrationalem
Bewußtsein. Aber das sog. vorrationale Bewußtsein geht davon aus, daß alles, was der
Mensch wissen will, nicht nur prinzipiell, sondern häufig auch im vollen Umfang gewußt
wird, also immer zur Verfügung steht, sei es in mythischer, kosmologischer oder
theologischer oder ideologischer Form. Wenn nun die europäische Moderne von einem
anderen Bewußtsein geprägt ist, dann werden hier offenbar differenziertere Kriterien zu
seiner Erklärung nötig. Anders formuliert: Warum ist es rational, mich zu verhalten, als
glaubte ich an die Macht der Ratio? Die Moderne stellt sich das Problem einer ständigen
Reflexion des rationalen Bewußtseins über seine eigenen Grundlagen; das reflexive
Bewußtsein macht sich ständig selbst zu seinem Gegenstand. Dadurch aber unterscheidet es
sich von einer sog. traditionalen Kultur, die die Grundlagen ihrer eigenen Rationalität
prinzipiell nicht in Frage stellt.
Freilich gibt es kein Denken ohne Selbstbewußtsein. Aber: wenn nicht nur die reflexive
Struktur des Bewußtseins sondern auch die Reflexivität selbst in allen Einzelheiten bewußt
gemacht wird, d. h. wenn wir die Ergebnisse des Denkens ständig in Frage stellen, dann tritt
das ein, was uns heute alle belastet; nämlich, daß mein 'naives Vorverständnis' nicht mehr
den Konsens über die Realität der Außenwelt, d. h. die prinzipielle Realitätsförmigkeit des
Bewußtseins und die Identität des denkenden Subjekts mit sich selber sichert und das
Nachdenken über die Grundlagen des Bewußtseins somit zur Dauerbeschäftigung wird.
Diese Situation ist nicht besonders axiomatisch und auch nicht sonderlich vernünftig, denn
ein solch prekäres Bewußtsein kann einen drohenden Abfall in den Wahnsinn nur mit Mühe
abwehren und zeigt sich daher im sozialen Bereich allenfalls als drohende Manifestation der
Unordnung aber niemals als verbindende und zugleich als verbindliche Substanz gesicherter
Ordnung.
Diese wissenschaftstheoretischen Bemerkungen erschienen nötig, um die Problematik des
vorherrschenden Nationsbegriffs zu verstehen.
Bekanntlich gibt es eine unter Anthropologen, Soziologen und Historikern inzwischen
weithin akzeptierte Auffassung, daß Nationen in vielerlei Hinsichten artifizielle, imaginierte
Konstrukte seien. Anderson, auf den hier besonders angespielt wird, trifft damit zweifellos
etwas wesentliches, ist aber außerstande, das Problem theoretisch in den Griff zu bekommen.
Was Anderson immerhin erkannt hat, ist, daß Nationen keine willkürlich festlegbaren
Gegenstände sind, sondern mit nichtgegenständlichen Prozessen des Bewußtseins zu tun
haben.21
Zunächst einmal erscheint es in diesem Zusammenhang wesentlich, zwischen Nation und
Nationalismus zu unterscheiden. Eine einheitliche Theorie des Nationalismus stößt auf große
Schwierigkeiten.22 Man könnte höchstens sagen, das gemeinsame Merkmal der Moderne
bestehe darin, die Gesellschaft, im Sinne des Symbols der Selbstregierung, nicht mehr
kollektiv organisatorisch auf das gute Leben auszurichten. Die Schwierigkeiten werden
besonders dann deutlich, wenn der Nationalismus und die damit verbundene
Nationenbildung universalhistorisch als gleichsam geschichtstheologisch notwendige Phase
einer globalen Modernisierung verstanden werden sollen.23 Dieses Verfahren war das bisher
übliche. Aus ihm folgt natürlich eine funktionalistische Verallgemeinerung eines abstrakten
Nationenbegriffs (wie etwa bei A. Comte24). Es ist aus diesen theoretischen Gründen daher
angeraten, lieber vom Begriff der 'Nation' auszugehen.
Die Idee der Nation ist in Europa die mental vorherrschende Gemeinschaftsidee. Diesem
geschichtlichen Typus politischer Ordnung ist das Individuum qua physischer Existenz
eingebunden. Der äußeren Teilhabe jedoch entspricht eine innere, der sog. sinnhafte Aufbau
der sozialen Lebenswelt, die jede Gesellschaft für sich beansprucht. Erst hier kann von einer
bewußten Zugehörigkeit gesprochen werden, aber auch sie ist allein noch keine hinreichende
Erklärung, solange nicht die Frage nach der Substanz der Gemeinschaftserfahrung
aufgeworfen wird.25 An dieser Stelle wird nun die Frage der sog. 'Imagination' im
Zusammenhang mit der Identität akut: Erschöpft sich die Identität des modernen Menschen
in seiner nationalen Identität oder gibt es darüber hinausgehende Bereiche der Imagination?
In einem sehr konkreten Spannungsfeld lassen sich, wo immer wir die geistigen Grundlagen
moderner Konfliktlinien aufdecken, enge Verbindungen von nationaler Identität und
nationaler Ideologie ausmachen: So wurde der Anspruch deutscher oder französischer
Nationalität auf repräsentative Menschlichkeit mit Waffen ausgetragen.
Die moderne Forschung differenziert hier: Alle Ethnien der Vormoderne &173; aber auch
Stammesgesellschaften &173; erfuhren die Humanität ihrer politischen Ordnungen als
repräsentativ, was sie auch anderen gegenüber zu behaupten glaubten.26 Der Unterschied zur
Moderne liegt darin, daß die vormoderne Auffassung von Identität sich immer auf eine dem
sozialen Verband übergeordnete, ihm jenseitige Sphäre bezog (das Heilige etc.).27 Dadurch
wurde eigene Machtvollkommenheit prinzipiell eingeschränkt. Das mag für die Opfer
imperialer Mordunternehmungen wenig tröstlich gewesen sein, aber immerhin wurde so
begriffen, was Hybris sein könnte. Über tausend Jahre begriff sich der Westeuropäer über
seine agrarische Gesellschaft hinaus als fidelis (Gläubiger) (im Sinne des corpus mysticum).
Im Gegensatz dazu begreift sich der moderne Mensch als einem politischen Körper
angehörig, der sich in neuer, wesentlich komplizierterer Form artikuliert. Theoretisch wird
dies greifbar in der Übertragung der Idee des mystischen Körpers von der Kirche auf neue
politische Einheiten, in ihrer Nationalisierung. Historisch vor der modernen
Naturrechtsdoktrin stehen die Nationalisierung des corpus mysticum und im Gefolge der
Reformation die Religionsfreiheit. Dazu trat die in den italienischen Stadtstaaten zum
Ausdruck kommende klassisch-aristotelische Politiktradition der gemischten Verfassung, wie
sie sich dann vor allem in England und in den USA realisierte. Entscheidend für diese
Gemeinschaftsidee, die ihre Quintessenz in der Selbstregierung fand, ist der Anteil am
politischen Prozeß. Die Vernunftsnatur des Menschen wird als Maßstab politischen Handelns
in der Idee der Nation sichtbar: Machtpolitisch bewährte sich die Idee der Nation in der
Unterdrückung der mörderischen Konflikte der Religionskriege. Zwar wurde die
sozio-ökonomische Mobilisierung der Bevölkerung nach Zurückdrängung der christlichen
Spiritualität unvermeidlich, aber entscheidend ist es doch festzustellen, welche Inhalte
geschichtlich wirksam wurden: Nicht alle materialen Gehalte des nationalen Bewußtseins
hatten die Zerstörung aller transnationalen, repräsentativen Humanität zur Folge: Dafür steht
das Beispiel Skandinaviens, wo sich die Idee der Nation erst gegen Ende des 18.
Jahrhunderts zu artikulieren beginnt und &173; trotz allem &173; noch transzendent aufgehoben in der
Vernunftsnatur des Menschen, also noch immer vorletzte Möglichkeit blieb.
Freilich kennt die jakobinische Variante der französischen Revolution bereits die unteilbare
Nation als à-priori Einheit aller Franzosen. Das Aufgehen der Identität im nationalen
Kollektiv und damit die Zerstörung der persönlichen Identität spiegelt aber bereits den
Neologismus des Nationalismus wider &173; mit der spezifischen Variante ethno-kultureller
Identität und Besonderheit und der entsprechenden politischen Deklassierung derjenigen, die
nicht mit diesen Besonderheiten identisch sind.28 Damit tritt auf dieser Ebene der
Verwendung des Begriffs Nation der Verlust einer die Nation überwölbenden Wahrheit ein,
wie sie z. B. in dem Begriff "repräsentative Menschlichkeit"29 noch ausgedrückt wird, und
damit auch der Verlust der persönlichen Identität. Die Nationen hören auf, sich unter einem
gemeinsamen Namen zu kennen.
Wird aber die Nation verabsolutiert, folgt kompensatorisch unweigerlich die
Respiritualisierung von Politik (man denke an das Opfer im modernen Krieg), ein
eigentümliches Problem sog. innerweltlicher Religiosität.30Sie ist heute Gegenstand
intensiver wissenschaftlicher Forschung.31 Der Mensch erlebt seine Existenz prinzipiell als
kreatürlich bedingt und darum als fragwürdig. Dieser erregenden Erfahrung entspringt die
Suche nach einem überpersönlichen Etwas, das sich als Grund allen Seins enthüllt.
Historisch sind die Möglichkeiten sehr vielfältig, das Erlebnis eines Grundes als göttlich
erkannte Seinstatsache zu sakralisieren. Daher bedeutet Säkularisierung immer auch
Sakralisierung: In und durch die Nation wird jene fortschreitende Läuterung verheißen, die
den Menschen in dieser Welt seine menschliche Bedingtheit überwinden läßt und ihm eine
handgreifliche Unsterblichkeit zusichert, gepaart mit einer unermeßlich gesteigerten
Verfügungsgewalt über Menschen und Sachen. Säkularisierung im Bereich der absterbenden
religiösen Formationen bedeutet Sakralisierung im Bereich der Moden und anderer Aspekte
des modernen Lebens. Hier muß man von Ideologie sprechen. Es ist das Verdienst der
Arbeiten A. D. Smiths, auf diese Problematik in seinem neuesten Buch hingewiesen zu
haben, nämlich daß die Idee der Nation nur jeweils eine besondere Ausformung einer allen
Menschen gemeinsamen Natur sein kann. Daher sei der Nationalismus "[...] the secular,
modern equivalent of the pre-modern, sacred myth of ethnic election [...]".32 Dieser Mythos
ist nicht sehr modern, aber offenbar sehr wirksam. Mit anderen Worten: Keine Gesellschaft
kann ohne symbolische Politik existieren! Sie ist ein Teil unserer zivilen Theologie. Das hat
mit traditioneller oder moderner Lebensform überhaupt nichts zu tun, sondern mit der
Erfahrung der conditio humana in einer pluralen Welt.
III
Was hat dies nun mit Skandinavien zu tun? Hier sind solche Identitätskonstruktionen in der
Geschichte weitgehend vermieden worden, was eine positive Wirkung auf die Entwicklung
des politischen Lebens hatte.
Aber auch hier sind an Hand von Elementen der EU-Debatte Rudimente einer nationalen
Identitätskonstruktion mit Betonung des Andersseins und der moralischen Überlegenheit
sichtbar geworden, die man eigentlich in Skandinavien in dieser Form nicht vermutet hätte.
Charakteristisch hier: das andauernde Bemühen, die Frage zu vermeiden, weswegen es so
wichtig ist 'anders' zu sein (ob beim Skifahren oder sonstwo).33 Diese Freiheit im Sinne von
Besonderheit, wie sie manchmal sogar bei J. St. Mill auftaucht34 &173; diese romantische
Obsession ist durchaus, allerdings in gemäßigter Form, ein Zug der modernen norwegischen
Identität. Es gibt in diesem Zusammenhang eine Debatte, an der sich Wissenschaftler
verschiedenster Ausrichtung, von E. Sars über H. Koht bis St. Rokkan, beteiligen: alle diese
Autoren hängen einer spezifischen nationalistisch-ästhetischen Geschichtsspekulation des
Besonderen an, deren mythische Grundstruktur inzwischen mit gewaltigem Material
überwölbt worden ist.35 Auch die spekulative Einordnung des Wohlfahrtsstaates als Ergebnis
des Industrialisierungs- und Modernisierungsprozesses mag als ähnliche Mythopoiesis
angesehen werden.36 Sie ist allerdings spätestens bei der Kontrastierung des
sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaates mit den sehr diskutierten
Modernisierungsbestrebungen der Nationalsozialisten und in ihrem Schlepptau V. Quislings
in Norwegen problematisch geworden.37 Während in Deutschland die bezeichnende Debatte
darüber ausbrach, ob der Nationalsozialimus modern sei, wurde dieses Problem in
Skandinavien mit Stillschweigen übergangen. Daß das Modernisierungsmodell als Erklärung
für den Wohlfahrtsstaat damit eigentlich gescheitert war, schien nicht bemerkt worden zu
sein. Man wähnte sich im Funktionalismus auf der sicheren Seite.38 Denn immer läuft neben
dem nationalistischen Mythos auch der Gedanke an die Gründung der Demokratie mit, so
daß es schwierig erscheint, den Begriff 'national-demokratisch' unreflektiert passieren zu
lassen. Jedoch kann gesagt werden, daß auf der Ebene des unmittelbaren
common-sense-haften Verständnisses die Spannungen der Begriffsteile zueinander klar sind.
Der Grund für diesen glücklichen Umstand kann darin gesehen werden, daß die
wesentlichsten Erfahrungen der Nationenbildung in ihren äußeren und vor allem inneren
Aspekten hier noch greifbar sind und nicht so sehr in der Feststellung einer Differenz per se.
Die Ideologie-Immunität und die Abneigung gegen Intellektualisierungen sind eine
Grundkomponente des Demokratieverständnisses. Ideologien hat es in Skandinavien freilich
immer gegeben, aber sie wurden nie zu Massenphänomenen. Das mag sich jetzt ändern &173;
nachdem sich sogar die Ethnologen der Medien und anderer Massenkommunikationsmittel
in schönster funktionalistischer Manier angenommen haben &173; gleichsam als Vehikel für eine
neuartige historische Nationalisierung bzw. dann Globalisierung.39 Das darin enthaltene
Sender-Empfänger-Modell kann seinen Weberschen Hintergrund nicht verleugnen.
Ein weiterer Glücksfall mag sein, daß die idealistisch-romantische Schule in Skandinavien
über den universitären Bereich hinaus nie hat Fuß fassen können40, was weiterhin
zurückgeführt werden mag auf die im deutschsprachigen Raum kaum noch verständliche
Haltung, die im Englischen common sense (gesunder Menschenverstand) genannt wird. Der
gesunde Menschenverstand, dessen Denunziation auf die spekulative Philosophie des
deutschen Idealismus zurückgeht, hat nichts mit jenem 'Orakel' zu tun, auf das man sich
beruft, wenn man nichts Kluges zu seiner Rechtfertigung vorzubringen weiß, wie das Kant
einmal ausgedrückt hat.41 Es ist auffällig, daß sich skandinavische Autoren immer wieder auf
den common sense berufen, so daß man sagen kann, daß skandinavischer und
schottisch-angelsächsischer common sense Übereinstimmungen aufweisen.42 Weit davon
entfernt, sich mit der deutschen 'Bauernschläue' zu assoziieren, hat sich im Schwedischen
sogar ein eigenes Wort dafür herausgebildet: bondeförstand (Bauernverstand, im Sinne von
unverbildetem natürlichen Verstand).43 Sehr deutlich tritt das z.B. in G. E. Geijers 1820
erschienenem Werk Thorild hervor, das er "seinem guten Freund" Peter Anderson &173; einem
Repräsentanten des Bauernstandes widmet: "[...]weil Du in Deiner Einfalt weitaus besser bist
als alles wofür dies steht[...]".44 Gemeint ist hier ein Mensch mit sicherer Urteilskraft und
sicherem Verhalten in der Alltagswelt und zwar aus dem Grunde, daß seine Prinzipien auf
ein Wissen gegründet sind, das 'selbstverständlich' (selfevident) ist. Also keine
Orakelsprüche sondern eine Absicherung durch den Rekurs auf die Ratio, denn "[...]of such
principles every man who has common sense is a competent judge when he conceives them
distinctly"45. Es handelt sich also um das Verhalten eines von der Ratio geformten Menschen.
Common sense ist ein zivilisatorischer Habitus, der noetische Erfahrung voraussetzt &173;
gefiltert durch den sensus communis Ciceronianischer Provenienz: Der Mensch ist teilhaftig
bzw. er partizipiert am selben Bereich der Ratio wie die Götter. Dieser römisch-stoische
Bezug ist nahtlos ins Christentum übernommen worden. Er wird hier zur Imago-dei-Formel.
Im erweckerischen Ambiente J. Wesleys sowie im amerikanischen Awakening ab etwa 1740,
deren Vertreter Cicero genau gelesen hatten, findet sich dieses Bild wieder. Der
zivilisatorische homo politicus braucht nicht Philosoph zu sein, aber er muß common sense
haben:
The first (sc. common sense) is purely a gift from heaven. And when heaven has not given it, no education can supply the want. The second (sc. reason) is learned by practises and rules, when the first is not wanting. A man who has common sense may be taught to reason. But if he has not that gift, no teaching will make him able either to judge of first principles or to reason from them [...]. 46Dieses Wissen hat nichts mit instrumentellen Verkehrsregeln auf sozialer Ebene zu tun, sondern entspringt der Einsicht, daß der größte Teil der Menschheit keinen anderen Grad der Vernunft aufweist. Ist dieser nicht vorhanden, ist eine politische Zivilisation nicht möglich. Sondern in diesem Falle wird der common sense durch rivalisierende Ideologien ersetzt und eine Ideologie kennt keine politische Freundschaft, die ja auf geistiger Verläßlichkeit aufbaut. Das Gegenteil von Sense ist 'Nonsense' (Unsinn).47 Noch B. Bjørnson &173; im norwegischen Falle &173; spielt mit seinem unübersetzbaren Begriff von der 'Greihed' auf dieses Gemeinsame aller Menschen an, das, trotz aller Differenz in ideologischen Fragen, das wesentlichste Moment des Politischen ausmacht.48
Aber liegt nicht Nordeuropa weitab von den politischen Brennpunkten der Gegenwart? Die Frage der 'nationalen Identität' hatte in Skandinavien aus nachvollziehbaren Gründen bereits Konjunktur, bevor der europäische Umbruchsprozeß 1989 einsetzte: In der gesamten Nachkriegszeit hat die große Alternative EG neben dem in den dreißiger Jahren vorgedachten Wohlfahrtsstaat bestanden.
Hiermit ist bereits angedeutet, welches die Anlässe für die heute zu konstatierende neue Welle der Suche nach dem Selbstverständnis sind.49 Ist diese doch unübersehbar verbunden mit dem Gesuch Norwegens und Dänemarks (1972) um Aufnahme in die Europäische Gemeinschaft, was zu den größten innenpolitischen Verwerfungen der neueren Zeit im Norden führte.50 Beruhte doch der Wohlfahrtsstaat auf einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz bis weit in bürgerliche Kreise hinein, was sich in den Symbolen der Aufgehobenheit (trygghet) und des Volksheims (folkhem) äußerte.51
Sich diesem Binnenmarkt aus ökonomischen Zwang heraus anschließen zu müssen, bildete den entscheidenden Impetus für ein erneutes Nachdenken über das politische Selbstverständnis der skandinavischen Länder. Dieses schien unter einer dicken sozialdemokratischen Firnis der wohlfahrtsstaatlichen Bedürfnisbefriedigung verschwunden gewesen zu sein. Die mehr oder minder hämischen Kommentare der europäischen Presse über das Ende des skandinavischen Wohlfahrtsstaates gehen allerdings an der Sache vorbei, wenn sie das Ende der benevolenten Verteilungsakte mit einem Sinnverlust dieser Gesellschaften insgesamt gleichzusetzen suchen. Denn dieses Selbstverständnis ist nicht ökonomisch, sondern politisch.
Darauf soll nun etwas näher eingegangen werden, wobei sich die Einlassungen auf Norwegen und Schweden beschränken und auch hier nur in knapper Form versucht wird, die wesentlichsten Punkte auf psychischer und institutioneller Ebene zu skizzieren.
Vorab eine methodische Bemerkung: Die dominierende Methode der Analyse gesellschaftlicher Prozesse ist in Skandinavien noch immer der von D. Easton und T. Parsons her stammende Strukturfunktionalismus, der von Parsons in seiner General Theory of Action52 auf den Begriff gebracht worden ist: Die politische Welt läßt sich als System einer von der Herrschaft her funktional geordneten Struktur beschreiben und heißt seither politisches System. Dieser Systemtheorie des sozialen Handelns entsprang unmittelbar die Konzeption der Politischen Kultur. Strukturverhältnisse sind jedoch immer auch Bewußtseinsverhältnisse. Daß diese Schwäche auch in den Sozialwissenschaften allmählich erkannt wird, führt zu folgenden Schlußfolgerungen:
- Der ahistorisch formalisierte, strukturfunktionalistische Entwicklungsbegriff macht die empirische Erfassung der fundamentalen Eigentümlichkeiten in ihrer historischen Entwicklung unmöglich.
- Das formalisierte Strukturmodell trübt den Blick für die spezifischen Sozialbeziehungen der jeweiligen Gesellschaft.
- Die für die Strukturverhältnisse des sinnhaften Aufbaus der sozialen Welt konstitutiven geistigen Formen verlieren ihren Status als Ordnungskonstituenten. Eine historisch-genetische Analyse, die Sozialstrukturen, Herrschaftsformen und Machtbeziehungen bis hinein in die sie bedingenden Bewußtseinsformen analysieren will, muß sie in eine typologische Bestimmung einer Gesellschaft mit einbeziehen.53
Die unter 3. angeführten Dinge haben gerade in Skandinavien eine eindrucksvolle historische
Ausformung bekommen. Man stößt in diesem Zusammenhang sogleich auf die bedeutendste
sozio-politische und geistige Bewegung Norwegens und Schwedens: die sog.
Erweckungsbewegung. Diese Bewegung war eine gesamtskandinavische, ja
gesamtatlantische. Von den Niederlanden und den skandinavischen Ländern über England
bis in die Vereinigten Staaten ist die Erweckungsbewegung politisch lokalisierbar; man
könnte mit vollem Recht auch von einer gesamtatlantischen Politischen Kultur sprechen. Das
Auftreten dieser Bewegungen läßt sich durchweg an zwei modernen Erscheinungen
festmachen: Einerseits an der beginnenden industriellen Revolution und in politischen
Gründungsphasen. Die gesamte Bewegung in ihrer Hauptphase erstreckt sich von ca. 1740
bis ca. 1870.54 Letzteres Datum wurde gewählt, um zum Ausdruck zu bringen, daß hierunter
auch die späteren methodistischen Bewegungen des 19. Jahrhunderts fallen, also diejenigen
von ihnen, die von Westen her kommend mit der skandinavischen Arbeiterbewegung in
Berührung kamen: Hier sind nicht allein sozialgeschichtliche, institutionelle Faktoren
gemeint, sondern geistig-psychische Sozialisationsprozesse. Die Erwekkungsbewegungen
und die Auswanderung nach den Vereinigten Staaten verhinderten in Skandinavien nicht nur
eine Proletarisierung, sondern sie haben auch entscheidend dazu beigetragen, daß die
Menschen die Phase der industriellen Revolution überhaupt ertragen haben, daß die
Depravierungserlebnisse sich in Grenzen hielten.
Das ist nur möglich, wenn in den herrschenden Schichten der bürgerlichen Gesellschaft nicht
die politische Ökonomie zur Grundlage von Gesellschaft gemacht wird. Zwar werden
naturrechtliche Entwürfe in Skandinavien in dieser Periode zusehends durch Soziologie und
Sozialpolitik abgelöst, jedoch hatte sich ein naturrechtlich beeinflußtes Menschenbild bereits
im Bewußtsein der Aktivbürgerschaft festgesetzt, das nicht auf allen Ebenen vom modernen
Naturrecht des 17. Jahrhunderts beeinflußt war. Das hatte bereits der Einfluß Holbergs im
18. Jahrhundert verhindert. Darauf wird weiter unten noch näher eingegangen.
Ohne die Erweckungsbewegung würde zumindest die norwegische Entwicklung nicht zu
ihrer konstitutiven nationalen Identität geführt haben. Erweckungsbewegung &173; das bedeutete
das Priestertum jedermanns vor Gott, die Aufwertung des Individuums, also gerade das, was
als seit Luther typisches Kennzeichen der Moderne bezeichnet worden ist: Gewissen als
Urteilsinstanz, autochtone Imagination bzw. Interpretation der heiligen Schriften und Freiheit
als Glaube an Gott und schließlich Durchbrechung der staatskirchlichen Hierarchie, ein Akt
der Befreiung. Es fing zumeist mit einer Kritik der Sonntagspredigt des Pfarrers an und
endete in einer Volksbewegung. Deren Träger waren zunächst Bauern &173; allerdings nicht die
ärmsten. Die Bewegung hatte eine starke Sogwirkung auf andere Schichten der Gesellschaft,
vor allem auf die unteren. Insofern kann die Erweckungsbewegung als die emanzipative und
zugleich integrative Bewegung der skandinavischen Politien gelten. Eine lediglich
sozio-ökonomische Begründung dieser Sachlage ist ungenügend, sie bestätigt höchstens die
Situation. Die Erweckungsbewegung bildet den Kern der eigentlichen Gründungstheorie
zumindest der norwegischen Gesellschaft, aber sie hat außer sakralem auch universalen
Inhalt und ist damit eine der psychischen Voraussetzungen für die Bildung einer
Zivilgesellschaft, die die reinen Machtbeziehungen transzendiert.55
Noch ein wichtiger Faktor mag erwähnt werden: das Pathos ekstatischer Christlichkeit,
gerade die ekstatischen Komponenten können für die Befreiung der Unterschicht nicht
überschätzt werden, war eng verknüpft mit einer Reform der Lebensführung und der
pragmatischen Verbesserung der gesellschaftlichen Angelegenheiten. In der Durchformung
erheblicher Segmente der Gesellschaft mit radikal-protestantischem Geist, der auf
kollektives Gruppenhandeln angelegt war &173; nicht auf das atomistische leere Ich &173; und in
praktischer Kooperation von Führungseliten im Interesse gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrt
&173; hierin hat die Ethik der Wohlfahrtsmoralität Skandinaviens ihr Fundament. Diese
Ausbrüche geschahen rechtzeitig vor der industriellen Revolution. Dies bedeutet, daß das
politische und psychische Selbstverständnis von Gesellschaft bereits festlag und somit
ideologische Massenbewegungen vermieden werden konnten. Das Wort 'rechtzeitig' darf
nicht mißverstanden werden. Es steht für das Bewußtsein, daß ein gesellschaftliches
Selbstverständnis nicht durch Verteilungsmechanismen und Bedürfnisbefriedigung allein
getragen wird, sondern daß dahinter ein politischer gemeinschaftsstiftender Konsens stehen
muß. Die Prämissen dieses Konsenses sind Weltbilder über die jeweilige Ordnung der Welt
und die Rolle und den Zweck von Gesellschaft. Das jeweilige Bewußtsein legt sich selbst in
einer ganz bestimmten Art und Weise aus.
Begriffe zur Bezeichnung gesellschaftlicher Realität werden nie ganz zufällig gewählt; der
Zeitpunkt ihres Aufkommens ist ebenfalls nicht zufällig, sondern abhängig vom
geschichtlichen Auftreten des gesellschaftlichen Phänomens, das sie bezeichnen. Dabei spielt
es keine Rolle, ob das Phänomen alt oder neu ist &173; es kommt in beiden Fällen zum
sprachlichen Ausdruck. Man muß sich immer die Erfahrungsanlässe präsent halten, die zu
einem Begriff von Gesellschaft führen. Den Rahmen des politischen Selbstverständnisses, in
welchem die industrielle Revolution unter Kontrolle gehalten werden konnte, bildeten die
entwickelten politischen Institutionen. Offensichtlich hat es da einen gemeinsamen Nenner
gegeben. Nach einer bereits stattgefundenen industriellen Revolution ist die Herausbildung
von politisch repräsentativen Institutionen jedenfalls viel schwieriger.
In der schwedischen spekulativen Philosophie vor allem G. E. Geijers, die nicht unmittelbar
aus dem revival erwuchs, wird dieser erweckerische Zeitgeist formalisiert.56 Geijer weist in
seinen Beobachtungen der sich entwickelnden Arbeiterschaft in Schweden eine gewisse
Ähnlichkeit mit Lorenz von Stein auf, der in Deutschlands bereits frühzeitig vor den
Gefahren der Proletarisierung gewarnt hatte.57 Derartige Warnungen kommen in
Skandinavien allerdings aus einem ganz anderen Hintergrund als etwa dem von Steins.58
Der sog. berühmte 'liberale Umfall' Geijers im Jahre 1838 läßt sich nicht allein aus der
Beobachtung des Zeitgeistes erklären, auch die endgültige Verabschiedung der historischen
Schule steht offensichtlich im Zusammenhang mit der Erkenntnis der inneren Hohlheit dieser
und damit auch der hegelianischen Schule. Sein berühmter Ausspruch über das professorale
Lehramt als 'Krähenwinkel' und die Akademie als durch bewußtlose Pedanten
heruntergekommene Institution spricht für sich!59 Auch die Erkenntnis, daß die Handelsklasse
nunmehr eine öffentliche Klasse und mächtig geworden sei und daher von der
Staatsverwaltung nicht mehr ausgeschlossen werden könne, teilt er mit Grundtvig in
Dänemark und Schweigaard in Norwegen.60 Es ist nicht damit getan, ihn als Apologeten der
modernen bürgerlichen Gesellschaft zu charakterisieren. Er ist sich durchaus der
Äußerlichkeit der Vertragstheorie von Hobbes bis Kant bewußt. Deshalb darf die Nähe zu
deutschen Romantikern wie etwa Adam Müller nicht mißverstanden werden: Die Einheit von
erblicher Monarchie und Republikanismus meint bei Geijer mehr als nur ein
institutionell-numerisches Nebeneinander, sie ist getragen von der Einsicht, daß, solange sich
einer oder mehrere um das Gemeinwohl kümmern, nicht von einer Tyrannei gesprochen
werden könne; sollte das aber nicht der Fall sein, dann spiele die numerische Seite der Sache
keine Rolle. Ursprünglich von der Kantschen und noch viel mehr von der Schellingschen
Geschichtsphilosophie herkommend, überwölbt er diese mit einer religiösen
Geschichtstheologie: Geschichte als Einheit und Ziel ist Ausdruck der Offenbarung, aber sie
bleibt uneinsehbar und ist eine ständige neue Herausforderung der Erfahrung (sinnet): Kein
Ich ohne ein Du. Durch diese starke Erfahrungskomponente muß er schließlich sowohl den
romantischen Ästhetizismus Schellings als auch Hegels gedankliche Identitätskonstruktion
(Människans historia) in einen direkten Zusammenhang mit der schottischen
common-sense-Tradition bringen.
Diese 'Konversion' muß in ihren tieferen psychischen Dimensionen gesehen werden: Im
Mittelpunkt seiner philosophischen Spekulationen steht die Dignität der menschlichen
Persönlichkeit, ein Stück Offenbarung der göttlichen Person. Aus dieser Prämisse zieht
Geijer die Folgerung, das Individuum, in dem das Absolute sich offenbare, sei selbst einer
vollen und gleichen Mitgliedschaft in der Gesellschaft sowie einer sozialen Gerechtigkeit
wert. Hier zeigt sich, daß Geijer, ursprünglich ein Konservativer, sich unter dem Eindruck
der Erweckungsbewegungen zum Repräsentanten eines, in diesem Fall spezifischen
schwedischen, Konstitutionalismus wandelt. Der Wandel zur politischen Erfahrung des Du
muß universell-christlich verstanden werden und hier trifft sich Geijer mit den damals
virulent werdenden Erweckungbewegungen, die durch ihre Assoziationsgründungen
allmählich in die Gesellschaft hineinwuchsen.61 Durch diesen Erfahrungshintergrund wird die
Nation nicht sakralisiert, man partizipiert an ihr.
Diese schwedische Philosophie nimmt den Menschen als Mitglied einer empirischen
sozialen Gemeinschaft. Ihre politische Ideenwelt lebt von der Realerfahrung der nationalen
Beamtenklasse und der Freibauernschaft. Die Idee einer Gemeinschaft gleicher Menschen
mit aufeinander abgestimmtem Verhaltenskodex fällt mit der Vorstellung von der Gattung
gleicher Individuen, dem christlichen Begriff der Seelengleichheit in der Gemeinde, der
bürgerlich-naturrechtlichen Idee von der Gesellschaft gleichberechtigter Menschen, dem
patriarchalischen Ideal der Werkgemeinschaft der vorindustriellen Eisenhütte (bruk) und der
bäuerlichen Dorfgemeinschaft zusammen.62 Das entscheidende Moment kann darin gesehen
werden, daß gerade nicht die gesamte Nation zu einer erweckerischen Kirche wurde, sondern
daß in diesem Punkt durch Transzendenzerfahrungen ein Stück Nicht-Identifikation realisiert
werden konnte, d. h. also Abstandnahme, um überhaupt kritisch partizipieren zu können. Auf
der anderen Seite war die emanzipative Wirkung der Erweckungsbewegung stark genug, um
eine soziale Emanzipationsbewegung in Gang zusetzen, die zur Bildung selbstbewußter(!)
kommunaler Strukturen sowie einer integrativen politischen Bewegung beitrug, welche
letztlich zur Bildung des vollen Parlamentarismus führte. 63 Was hier ersichtlich wird, ist eine
völlige Neubewertung dessen, was als Gesellschaft zu verstehen ist. Zum Begriff
'Gesellschaft' (samhälle, samfunn) in Skandinavien nun einige Bemerkungen:
Läßt man einmal die staatsrechtliche und akademische Diskussion beiseite, so kennt die
norwegisch-schwedische, ja die skandinavische Verfassungswirklichkeit in ihrer
Selbstauslegung nicht die Dichotomie von Staat und Gesellschaft im Sinne des deutschen
Idealismus, vor allem Hegels. Der zentrale Terminus für den gesamten Bereich der
öffentlichen Angelegenheiten ist bis zum heutigen Tage der Terminus 'samfunn' bzw.
'samhälle'. Der Wortsinn 'Zusammenhalt' bzw. 'Zusammenfinden' deckt den Zusammenhang
aller Menschen ab, also politische Institutionen, legale Ordnung, freiwillige und gegenseitige
Hilfe, d. h. es treffen sich die Bedeutungen von Staat und Gesellschaft, Gemeinschaft und
Gemeinde in der Betonung des Gemeinsamen, des Zusammenhalts in geordneter und
geregelter Form sowie des Zusammengehörens in Institutionen und wechselseitigen
Sozialbeziehungen. Samfunn und Samhälle meint letzten Endes auch die neutestamentliche
homonoia (likemindedness) der Christen unter und in Gott, wobei hier dezidiert auf die
Erweckungsbewegungen Bezug genommen werden kann. Samhälle bzw. samfunn bezeichnet
den Schlüssel zur sozialen Wirklichkeit, auf diesen Terminus bezieht sich jede Diskussion
über die Ordnung des Menschen in Gesellschaft. 'Staat' meint dagegen in der Regel den
institutionellen Aspekt des Staatsapparates.
Samhälle bzw. Samfunn hat noch im 20. Jahrhundert etwas von der alteuropäischen
Wortbedeutung, wie sie bis ins 18. Jahrhundert hinein verstanden wurde. Diese implizierte
aktuelles soziales Handeln und damit die gemeinschaftsstiftende geistige Substanz, die sich
in öffentlichen und privaten Sozialbeziehungen entfaltet. Er verweist auf die
gesamteuropäische kompakte Erfahrungswirklichkeit des konkreten menschlichen
Existenzvollzuges. In den verschiedenen Theorieformen, die das klassisch-griechische
Politikverständnis in der res publica christiana erlangte, fand diese Wissensrealität ihre
spezifische Auslegung.64 Der Bruch mit dem alteuropäischen Normensystem und dessen
Sprechweisen findet nicht in der gleichen Weise statt wie in Mittel- und Westeuropa.
Dementsprechend hat auch die Interpretation der französischen Revolution, wie sie durch
den deutschen Idealismus betrieben und bis heute ausgelegt wurde, in Skandinavien keine
Basis. Die Reduktion der Gott, Mensch und Gesellschaft umfassenden Realität auf das
nackte Ich, das aufgerieben wird zwischen dem 'System der bürgerlichen Bedürfnisse' und
der Allgemeinheit und Wirklichkeit der Sittlichkeit, eben dem Staat, gewissermaßen in
Erwartung der Heilsübermittlung &173; die typische Kantianische Situation &173;, fand hier nicht
statt, wiewohl freilich der Beamtenstaat (embetsmansstat) durchaus eine Realität darstellte65.
Sämtliche modernen Wohlfahrtsdiskussionen innerhalb des strukturfunktionalistischen
Modells gehen auf diesen anthropologischen Ansatz unkritisch zurück. Sie alle identifizieren
sich mit der Auflösung der Identität von 'Staat' (civitas, res publica) und bürgerlicher
Gesellschaft (societas civilis)66. Erst in letzter Zeit beginnt sich das zu ändern67. Es erscheint
offensichtlich, daß diese drei Grundtendenzen des Umbruchs der alteuropäischen Ordnung,
die im deutschen Vormärz voll zur Geltung kommen, in Skandinavien nur mit Verzögerung
und in abgeschwächter Form auftreten: Schweden wurde nach 1809 nicht so vollständig
dekorporiert, d. h. in Klassen umgeändert, wie es immer gern dargestellt wird. Der sensus
communis eines alle Gesellschaftsmitglieder gemeinsamen geistig-politischen Ethos,
widerstand dem Zerfall. Die Begriffe 'samfunn' (norwegisch), 'samfund' (dänisch) und
'samhälle' (schwedisch) erschließen dem Betrachter hypothetisch die historisch-psychische
Tiefendimension, zumal in Dänemark und in Norwegen die Dinge ähnlich lagen.
Bezeichnenderweise behandelt H. Høffding in seiner Etik von 1887 in Auseinandersetzung
mit F. Tönnies das Verhältnis von Gemeinschaft und Gesellschaft und kommt zu dem
Ergebnis, daß 'samfunn' eine Gemeinschaft umschreibt, in der die Individuen durch ein
gemeinsames Ziel verbunden sind, wogegen die Gesellschaft als der Ort, wo es um die
Interessen geht, von ihm pikanterweise als 'selskab' im Sinne von Aktiengesellschaft
bezeichnet wird.68 Bereits in den sechziger Jahren hat nun Eckstein eine ähnliche Hypothese
für Norwegen entwickelt. Unzufrieden mit den gängigen komparatistischen Theorien über
die Stabilität einer modernen Demokratie, analysiert er Norwegen als einen von der
herrschenden Lehre abweichenden Fall. Ganz ähnlich wie Høffding69, kommt er zu dem
vorsichtig formulierten Ergebnis:
[...] the Norwegian sense of community might result from a quite unusual survival of primordial attitudes and behaviour patterns throughout the long process by which the modern Norwegian nation was formed.
Die sog. "primordial attitudes" mögen nun germanischer Art sein, in jedem Falle werden sie
in der Auseinandersetzung mit der westlich-christlichen Zivilisation offensichtlich nie ganz
abgelegt &173; was sich daran zeigt, daß Schweden und erst recht Norwegen Länder mit nur
gering durchgebildeter Grundherrschaft waren.70 Im Zuge der Kritik des sozialdemokratischen
Etatismus ist dies heute wieder Gegenstand der Wissenschaft.71 Die Aristokratisierung
Schwedens im Verlaufe des 17. und 18. Jahrhunderts muß in einem anderen Zusammenhang
gesehen werden. Hier handelt es sich größtenteils um neuerliche Nobilitierungen, d. h. um
die Schaffung eines Beamtenadels innerhalb eines ständisch-bürokratischen Gefüges, aus
dem dann der schwedische Reichstag erwuchs.72
Im Fall Schwedens, das im 19. Jahrhundert bereits auf eine mehrhundertjährige
institutionelle Entwicklung zurückblicken konnte, sieht die Sache folgendermaßen aus:
Zu den entscheidenden historischen Momenten gehört die Umbildung des mittelalterlichen
Reiches zum modernen Nationalstaat mit einer protestantischen Nationalkirche und einer
ständisch-bürokratischen Struktur im 17. Jahrhundert. In diesem Zeitraum wurden die
Königsmacht und die Stände auf spezifische Weise mit der Verwaltungsstruktur des
benevolenten absolutistischen Staates verbunden.73 Neben den drei Ständen des Adels, des
Klerus und des Stadtbürgertums behielten die Bauern als im Reichstag vertretener vierter
Stand eine gewisse soziale Selbständigkeit. In diesem Zeitraum entwickelte sich das bis
heute für Schweden charakteristische Organisationsprinzip der öffentlichen Verwaltung, der
sog. Kollegialbehörden, die die Staatsaufgaben verhältnismäßig selbständig durchführten. Es
entstand daraus ein professionelles Reichsbeamtentum als ein eigener Machtfaktor.
Zukunftsbestimmend war weiterhin die Freibauernschaft, das soziale Substrat der
schwedischen Gesellschaft bis zum Ende des 19. Jahrhunderts.74 Als Reichsstand zwar kein
selbständiger Machtfaktor, war sie doch rechtlich und politisch im öffentlichen Raum
präsent. Die Einbindung der Bauern in das Verfassungsleben beeinflußte den schwedischen
Weg in die Moderne ganz erheblich, wobei die intensive evangelisch-lutherische Prägung der
Bauernkultur von großer Bedeutung werden sollte.
Die theoretische Interpretation der Verfassungswirklicheit geschah unter der Verwendung
des reichen Arsenals europäischer politischer Ideen, wobei die Idee der monarchia mixta das
Zentralthema darstellte, also Mischverfassung und Gewaltenteilung. Sie brachten die
sozialen Realitäten zum Ausdruck, besonders nach dem Tode Gustav Adolfs 1632, als sich
aus dem Reichstag als Instrument der Monarchie mehrere langjährige
Vormundschaftsregierungen auf der einen Seite und parlamentarische Institutionen auf der
anderen im Ansatz spontan zu bilden begannen.
Das Schul- und Universitätssystem wurde reorganisiert, insbesondere wurden durch Joh.
Skytte Lehrstühle für Ethik und Politik etabliert, wo die etatistisch-paternalistische
Bürokratie gebildet wurde, deren spezifische Lebensform bis zum heutigen Tag sozial
prägend ist.75 Der Lebensstil dieses kleinadligen Beamtenstandes entwickelte sich im kleinen
Herrenhof, der ökonomischen Grundlage dieser Schicht, wirkte vorbildhaft auf alle
aufsteigenden Gesellschaftsgruppen bis hinab zu den Arbeitern im 20. Jahrhundert. Ihre
einzigartige Monopolstellung ermöglichte das schwedische Grundmuster von Gesetzestreue,
Beherrschung und Augenmaß. Eine solche Tradition der Lebensführung hatte keine
Schwierigkeiten, mit der utilitaristischen Ethik des Wohlfahrtsstaates zu verschmelzen.
Im 18. Jahrhundert kam es in Schweden zu einer in Europa einzigartigen Einschränkung der
Monarchie durch eine ständisch-konstitutionelle Komponente. Die vier Stände wurden zu
Repräsentanten der Nation. Über Jahrzehnte hinweg wurden die Praktiken kollektiven
Handelns repräsentativer Körperschaften erlernt. Seit 1766 gehörte auch der Bauernstand
dem sog. Geheimen Ausschuß an, der Koordinationsstelle nationaler Politik.76 Durch die
Bildung parteiähnlicher Gruppierungen, der Hüte und Mützen, mit unterschiedlicher
Programmatik und divergierenden gesellschaftlichen Interessen kündigte sich bereits der
Verfall der alten Sozialverfassung an. Hier kann bereits von kooperierenden Eliten als einem
Ordnungsprinzip der schwedischen Gesellschaft gesprochen werden, das sich nach 1809
endgültig Bahn brach. Entscheidend aber ist die tiefe Verankerung der Verfassung bei den
Eliten. Aber auch nach 1809 entwickelten sich die bereits bestehenden Institutionen fort; die
liberal-westliche Verfassungstradition verband sich mit spezifisch schwedischen
Traditionen.77
Das frühe 19. Jahrhundert sah die Auflösung des sozio-ökonomischen Substrates des
ständischen Konstitutionalismus. Die Revolution von 1809, ausgelöst durch den Verlust
Finnlands an Rußland, brachte eine neue Verfassung hervor, und damit kam das definitive
Ende der Gustavianischen Despotie, die ab 1772 die Periode der Freiheitszeit abgelöst
hatte.78 Die Verfassung von 1809/10 kann als ein Mittelweg zwischen einer konstitutionell
begrenzten Monarchie und ihrer Ausbalancierung durch die im Reichstag vertretenen vier
Stände angesehen werden. Wenn auch die liberale Nationalökonomie noch nicht durchweg
akzeptiert war, bedeutete die Verfassung doch insgesamt einen Machtschwund des Adels, der
bisher das Verfassungsleben bestimmt hatte, jedoch kein geistiges Vakuum. Der
Machtschwund des Adels fand seine Ergänzung in der Differenzierung der Gesellschaft in
soziale Gruppen sowie im politischen Aufstieg des Bauern zum Grundeigentümer.
Wesentlich ist nicht das Erscheinen der liberalen Interessenpolitik, sondern die graduelle
Realisierung des existentiell-politischen Bürgers.
Dies ist der Punkt, an dem die Erweckungsbewegungen als Volksbewegungen eine
entscheidende Rolle zu spielen beginnen, indem sie die Teile der schwedischen Gesellschaft
an die politische Öffentlichkeit heranführen, die bisher davon ausgeschlossen waren. Es
entstanden im 19. Jahrhundert große politisch mächtige Massenorganisationen
(folkrörelserna) bis hinab zu den Arbeiterbewegungen. Entscheidend waren dabei die
Mobilisierungskräfte der christlichen Spiritualität der Erweckungsbewegungen in und
schließlich außerhalb der lutherischen Staatskirche, so vor allem in den
Abstinenzlerorganistionen und in den Volkshochschulbewegungen. Sie bewirkten die
Entstehung des Genossenschaftswesens gerade bei den Bauern und Arbeitern, d. h. den
proletarischen Massen, die dadurch die Chance erhielten, sich in die soziale Welt zu
integrieren. Mit anderen Worten, der ständische Korporativismus wandelte sich in einen
organisierten Gruppenkorporativismus mit ausgeprägtem Gemeinschaftsgeist
(associationsanda). Ein freies Vereinigungswesen trat an die Stelle des zerfallenden
Korporationssystems.79 Diese Entwicklung führte dann 1866 zur Ersetzung der alten
Vier-Stände-Repräsentation durch eine funktionale. Dadurch war der schwedische
Nationalstaat stark genug, um die politischen und sozialen Konflikte der Umwandlung
Schwedens von der ständischen Agrargesellschaft zur demokratisch verfaßten industriellen
Wirtschaftsgesellschaft aufzufangen. Der korporative Individualist &173; so könnte man den
schwedischen Sozialtypus nennen &173; findet seine Identität primär in den gesellschaftlichen
Normen. Die Spannungen zwischen individuellem und kollektivem Bewußtsein löst er in der
Gruppensolidarität auf &173; erst danach findet er Geborgenheit im Volksheim (folkhem), wie die
Sozialreformer des 20. Jahrhunderts ihre Zielvorstellung von einer guten Gesellschaft für alle
plausibel umschrieben. Ohne die Einbeziehung der großen Volksorganisationen wäre die
Realisierung der sozialdemokratischen Wohlfahrtspolitik von den dreißiger Jahren an nicht
möglich gewesen.
Die soeben angedeutete Vision hält immerhin noch soweit vor, daß auch nach der
ökonomischen und politischen Krise von 1989 von der Suche nach einem neuen Volksheim
gesprochen wird.80
Das 'Volksheim' war in Schweden weit mehr als nur ein Propaganda-Ausdruck des
Sozialdemokraten A. Hansson81 oder gar auf rein motivationspsychologische Momente
reduzierbar. Dahinter stand der erweckerische Konsens über die Erziehung jedes Einzelnen
auf verschiedenen Ebenen von der Familie bis zur kommunalen Ebene zu einem zu
politischer Rationalität fähigen Bürger mit der Fähigkeit zur aktiven Freiheit.82 Diese
Formulierungen werden freilich seit den vierziger Jahren zunehmend abgelöst durch ein
soziologisches Wohlfahrtsstaatsverständnis: Mythen, Visionen und Bilder werden abgelöst
durch Sozial- und Gruppenpsychologie, politische Tätigkeit durch gerechte Verteilungsakte.
Obgleich Norwegen nicht auf eine ähnliche konstitutionelle Tradition zurückblicken kann
wie Schweden, gibt es, vor allem im 19. Jahrhundert, einige frappierende Ähnlichkeiten auf
psychischer Ebene. Die politische Entwicklung Norwegens ist in besonderem Maße durch
Naturrecht, verbunden mit Aufklärung, Rationalismus, common sense und betontem
Pragmatismus beeinflußt worden. Untrennbar ist diese Tatsache mit dem Namen des
Bergensers L. Holberg verbunden.83 Holberg kann als der große Popularisator des Naturrechts
gelten und in dieser Eigenschaft hat er als Universitätslehrer in Kopenhagen die norwegische
Beamtenschaft nachhaltig beeinflußt. Das äußerst populäre Kompilationswerk von Grotius'
Corpus Juris Naturae et Gentium, Holbergs Moralische Prinzipien oder Einführung in die
Wissenschaft der Natur und des Völkerrechts von 1716, stand in jedem Bücherschrank der
Männer, die dann maßgeblichen Einfluß auf die Verfassung von 1814 hatten. Die
naturrechtlich-christliche Sozialphilosophie war noch nicht zu einer reinen Pflichtenlehre für
Untertanen verkommen. Norwegen, seit 1536 Provinz der dänischen Einheitsmonarchie,
kannte keinen Erbadel, sondern lediglich eine dünne bürgerliche Oberschicht von Priestern
und Kaufleuten, denen eine breite Schicht von Bauern gegenüberstand. Letztere hatten es
verstanden, auf der kommunalen Ebene seit dem Mittelalter eine gewisse Selbständigkeit zu
bewahren, die sich im 18. Jahrhundert sozio-ökonomisch, besonders für die besitzenden
Freibauern, konsolidierte.84 Die ökonomische Rolle des norwegischen Bauern für die
dänischen Armeen sollte in ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden. Das Auftauchen
radikal asketischer Sekten ab Mitte des 18. Jahrhunderts steigerte außerdem spirituell das
Selbstbewußtsein dieser bäuerlichen Schichten. Besonders die erweckerische Bewegung H.
N. Hauges, eines Bauernsohnes, ab 1795, hatte es sich zum Ziel gesetzt, die Bauern von der
absolutistischen Bürokratie, wie sie vor allem durch den protestantischen Pfarrer
repräsentiert wurde, zu emanzipieren. Die radikalere Seite dieser Bewegung wurde zwar
niedergeschlagen; Hauge selbst gelang es zu überleben. Ihren stärksten Widerhall hatte die
Bewegung zunächst bei den Bauern gefunden. Dabei aber blieb es nicht. Dadurch, daß es
Hauge in der Folge gelang, die Bewegung innerhalb der Staatskirche zu belassen, wurde es
auch wichtigen Gruppen des Bürgertums möglich, sich der Erweckungsbewegung
anzunähern, mit wichtigen sozio-ökonomischen und politischen Konsequenzen.
Sozio-ökonomisch bedeutete es letztlich eine Vermeidung der Proletarisierung breiter
depravierter Schichten85, politisch die Formierung einer Oppositionsbewegung, die sich der
konstitutionellen Möglichkeiten der Verfasssung von 1814 bedienen konnte und maßgeblich
zur vollen Parlamentarisierung ab 1884 führte.86
Die Verfassung von 1814 ist sicherlich ein Gelegenheitswerk, das durch die außenpolitischen
Umstände der politischen Abtrennung Norwegens von Dänemark und seine Personalunion
mit Schweden bedingt war. Sie war auch ein Werk der bürgerlichen Oberschicht. Jedoch war
sie ihrem Repräsentativitätscharakter nach eine der freiesten Verfassungen Europas zu dieser
Zeit. Eine Partizipationsmöglichkeit drückte sich insbesondere im &167; 51 der Verfassung
aus87 und inaugurierte den Beginn der bäuerlichen Repräsentation auf politischer Ebene, die
zu dieser Zeit bereits durch den erweckerischen Zeitgeist geprägt war.
Das Auftreten Hauges, das in die Zeit der Loslösung von Dänemark sowie der Vorgänge um
die Verfassung von Eidsvold fiel, artikuliert bereits das gewachsene Selbstbewußtsein breiter
Schichten der Bevölkerung wie auch ihr Selbständigkeitsgefühl. Die
Sonntagsversammlungen, die Lesegemeinden (lesere), die Diskussionskonventikel schulten
am Vorabend der Demokratie die Artikulationsfähigkeit der Erweckten. Und als sich zur
Mitte des 19. Jahrhunderts das liberale politische Gedankengut in die öffentliche Debatte
mischt, sind viele der erweckten Bauern und auch Bürger inzwischen Protagonisten der
neuen Politik.
Die verfassungsmäßige Inkorporierung der Bauern, d. h. ihr Wahlrecht, beruhte zum einen
auf einer realistischen Einschätzung ihrer Entwicklung zum Eigentümer, zum anderen spielte
dabei auch das Kalkül eine Rolle, sich ihrer Loyalität zu versichern.
Die starke Stellung des Königs in der Verfassung erhielt durch die interventionalistische
Politik des schwedischen Königs einen bedrohlichen Zug und führte zu etwas, was
'Verfassungskonservativismus' genannt worden ist.88 Bezeichnenderweise wurde er vor allem
von den Bauern getragen und führte bereits 1836 zu einer Kommunalgesetzgebung, in der die
starke Stellung der Bauern auf dem Land beachtet werden mußte.
Bei einer Verfassung, die weder einen philosophischen Vorspann von
Menschenrechtserklärungen noch eine explizite Formulierung zur Kontrolle der Verwaltung
enthielt, muß die Verfassungspraxis in hohem Maße in Abhängigkeit von den öffentlichen
Verhaltensweisen und Gewohnheiten der gesellschaftlichen Repräsentanten gesehen werden.
Das Korrolarium einer solchen Verfassungspraxis liegt in der Zentrierung der kollektiven
Identität in einem gemeinsamen Maß. Christliche Bewegungen, die von einer Theologie der
Geschichte Abstand nehmen, haben offenbar eine reelle Chance, das Symbol der
Selbstregierung unter Gott als gemeinsames Maß einer Vernunftsnatur des Menschen in
sinnstiftende Sozialbeziehungen umzusetzen.
Solches Bewußtsein schlug sich bereits sehr früh in einer zunehmend interventionalistischen
Sozialpolitik nieder, die vom städtischen Bürgertum getragen wurde und in vielem eine
Fortsetzung der fürsorglichen Politik der absolutistischen Monarchie darstellte. Der Staat
wurde nicht als Gegner sondern als Repräsentant empfunden. Hier liegen die Ansätze zu
einer interventionalistischen politischen Soziologie des modernen Wohlfahrtsstates, wie sie
vom Beginn der fünfziger Jahre an von dem Theologen E. Sundt entwickelt wurden.89 Sie
sind natürlich nicht modern, sondern nehmen am Vorabend der industriellen Revolution
traditionelle Ideen des 17. Jahrhunderts wieder auf.
Auch die Werke des 'Modernen Durchbruchs', etwa Bjørnson, Ibsen und Kielland, weisen
diese Tendenz zum Sozialinterventionalismus auf, auch wenn sie sich gegen jede politische
und psychische Bevormundung aussprechen. Diese Klassiker skandinavischer Literatur und
Dichtung waren nicht nur Schriftsteller im ästhetischen Sinn sondern Dichterpolitiker, die
das Gewissen der Nation repräsentierten. Geschult an der Erfahrung von Ungerechtigkeit,
Elend, Armut und Heuchelei, entwickelten sie ein Sensorium für die politischen und
psychischen Probleme der bürgerlichen Gesellschaft, das ihnen Weltruhm verschaffte. Sie
hielten aber nicht Politik für einen Reflex des Sozialen &173; das ist es, was sie vor allem
auszeichnete.
Sicher kann gefragt werden, ob der staatliche Interventionalismus, dessen Konturen ab 1850
allmählich sichtbar werden, nicht geradewegs zur heutigen Situation konsumistischer
Erwartungshaltung im Wohfahrtsstaat geführt hat?90 Dagegen ließe sich einwenden, daß es
erstaunlich lange gedauert hat, bis die Krise des Wohlfahrtsutilitarismus hervorbrach: Das
größte Glück der größten Zahl hat nun wirklich sehr wenig mit der Konstituierung der
geistig-politischen Person zu tun &173; im Gegenteil zeigt diese Formulierung das hier
bestehende Mißverständnis aufs deutlichste: Ohne eine solche Konstituierung der Person ist
eine politische Gesellschaft nicht überlebensfähig. Sie ist die 'idée directrice' jeder
Gesellschaft. Heute ist nicht der symbolische Bereich aufgebrochen worden, sondern der
Wohlfahrtsstaat interventionalistischer Prägung.
Die wohl umfassendste Durchdringung der spirituellen Tiefendimension der skandinavischen
Gesellschaften findet bei N.F.S. Grundtvig in Dänemark statt.91 In Grundtvigs Denken
kristallisieren sich alle die bisher beschriebenen historischen und politischen
Erscheinungsformen: die Erweckungsbewegungen, der soziale Interventionalismus,
Liberalismus, Konstitutionalismus. Grundtvigs Verdienst ist es, diesen Traditionskomplex in
die Moderne vermittelt zu haben. Sein Einfluß war im gesamten skandinavischen Raum
spürbar und wird unmittelbar greifbar in der Volkshochschulbewegung ab 1870, die in allen
skandinavischen Ländern verbreitet ist. Die Volkshochschule diente in erster Linie der
religiösen und politischen Erziehung der Bauern zu liberalen Demokraten. Sie kann dem
erweckerischen Ambiente zugeordnet werden, wiewohl nicht in einer doktrinären Weise.
Zeit seines Lebens hielt Grundtvig Abstand zu einem erweckerischen Bibeldoktrinarismus.
Er wurde 89 Jahre alt, starb 1872. Seine Lebensspanne umfaßte die gesamte sog. 'Goldene
Zeit' der dänischen Politik, Literatur und Philosophie: von H. Steffens Naturphilosophie
schellingscher Provenienz und A. Oehlenschlägers Jugenddichtungen 1800 und 1805 von der
allumfassenden Einheit, letzterer verwandte bezeichnenderweise altnordische Themen, die
Grundtvig tief beeindruckten &173; bis hin zum Kulturradikalismus G. Brandes' und auch darüber
hinaus &173; bis auf den heutigen Tag ist Grundtvigs Einfluß spürbar.
Es gibt kaum ein ästhetisches, religiöses und politisches Problem, mit dem er nicht in
Berührung kam. Grundtvig war ein typischer Vertreter des Bürgertums, der sich, wie sein
Zeitgenosse E. G. Geijer, zunächst mit der idealistischen Philosophie vor allem Schellings
auseinandersetzte und durch ihn in die Bereiche der altnordischen Mythologie vorstieß &173; ein
Höhepunkt dieser Schaffensperiode ist sein Werk Nordens Mytologi (1832). Hier schien
Grundtvig seine schwärmerisch-mystischen Bedürfnisse zu befriedigen, was ihm das
dogmatische Christentum nicht mehr bieten konnte. In diesem Zusammenhang trug er
maßgeblich dazu bei, die Bestände der nordischen Mythologie zu popularisieren. Sie sind
seither auf dem akademischen Level fester Bestandteil der nordischen Identitätsdebatte.
Aber diese ideengeschichtliche Ebene reicht zum Verständnis Grundtvigs nicht aus. Sein
zentrales Anliegen war sein lebenslanger Kampf gegen die dogmatisch erstarrte
rationalistisch beeinflußte lutherische Staatskirche. Grundtvig hatte erkannt, daß die
staatskirchlich vermittelte Religion im Zeitalter der anbrechenden Industriegesellschaft nicht
mehr hinreichen würde, das geistige Fundament der Gesellschaft zu repräsentieren. Nicht zu
Unrecht empfand er den Abfall vom Christentum als geistige und politische Katastrophe, die
weit über Dänemark hinausreichte. Er selbst machte seit seiner Adoleszenz eine solche
Apostasie durch, die dann ab 1810 in einer depressiven Krise, wie er sie übrigens häufiger in
seinem Leben durchmachte, und in einer Rückkehr zum Christentum mündete.92 Unter dem
Einfluß v. a. Schellings, den er später stark kritisieren sollte, suchte er dem Prokrustesbett
der idealistischen Philosophie zu entkommen, um auf ein neues Fundament der Erfahrung zu
gelangen. Dieses fand er in der 'Lage des Menschen' in Gesellschaft und Geschichte sowie in
den Mythen des alten Nordens.93 Mit diesem Rückgriff auf die nordische Mythologie
transzendierte er, durchaus im Sinne Hegels und zivilisationsgeschichtlich gesehen,
christliche Materialien, aber er verließ nicht den Rahmen der christlichen Anthropologie.
Grundtvig war, im Gegensatz zu Hegel, nicht mit der Entäußerung des Geistes beschäftigt,
sondern mit dem Problem der geschichtlichen Erfahrungsbasis des Menschen. Aus diesem
Grund konnte er Mythologie und Christentum nebeneinanderstellen, das Christentum als
mehr oder minder vollkommenen Ausdruck von Mythologie betrachten. 94 Er fiel nicht auf
den Mythos zurück, sondern stellte das Christentum gewissermaßen unter eine
wissenschaftliche Prämisse, ohne aber dessen Authentizität zu gefährden. Er nannte diese
Methode die Suche nach dem 'lebendigen Wort', anders ausgedrückt, es ging Grundtvig um
das Problem der Äquivalenz der Erfahrungen &173; unter Anerkennung historischer
Differenzierungsprozesse. Das Problem der Äquivalenz von Erfahrungen läßt sich auf dem
Hintergrund einer starken persönlichen Erfahrung begreifen:
"[...] darum ist es nur durch die Betrachtung der Entwicklung des Menschengeschlechts und des eigenen Lebens möglich, daß man seine Kenntnisse über das menschliche Leben erweitern kann, so dieMutmaßung, daß wer nicht Sohn und Lehrling des Lebens sein will, sondern offenbar ein Wechselbalg, von dem wir aus der Kinderstube wissen, daß es nicht bloß um Taufe und Christentum schlecht gestellt ist, sondern alle Sorgfalt, Nahrung und Erziehung vergeudet sind."95
Dieses Erfahrungssubstrat findet ebenso in der Gemeinschaft Anwendung: Gemeinschaft
wird als das verstanden, worüber sich die Gemeinde einig ist. Wenn hier auch der christliche
Bezug naheliegt, so steht doch diese genuine übereinstimmende Erfahrung am Anfang aller
Gemeinschaftsbildung96. So christlich Grundtvig an dieser Stelle auch sein mag, sein
Realitätsbezug ist eindeutig: "[...] Möge dann jeder auf dieser Erde danach streben, ein
wahrer Mensch zu sein [...]".97
In den Jahren zwischen 1810&173;1825 beschäftigte er sich in ausgedehnter Weise mit der
Geschichte Skandinaviens aber auch mehrmals mit der Weltgeschichte (1812, 1814,
Verdenskrønike 1817). Hier sind seine Motive offenbar: Er sieht sich als Reformator
Dänemarks, allerdings als christlicher. Daher kann seine Methode hier als
geschichtstheologisch bezeichnet werden. 98
Seine in den Kroniken zutagetretende Begeisterung für das dänische Volk und dessen
Wiederentdeckung sind vielleicht am ehesten durch die im Bürgertum als schweres Trauma
erlebte militärische Katastrophe von 1807 erklärbar, als Kopenhagen durch englische
Schiffsartillerie schwer mitgenommen wurde; außerdem verlor Dänemark im Frieden von
Kiel Norwegen und schrumpfte auf seine nationalen Grenzen. Derlei Rückgriffe auf
mittelalterliche Paradigmata waren bezeichnende Versuche, die gestörte Identität der
dänischen Gesellschaft wiederherzustellen. Darin aber erschöpfte sich Grundtvig nicht. Was
er die "historiske anskuelse" nannte, geht über den romantischen Positivismus der
historischen Schule weit hinaus. Sie führte ihn zu einer philosophischen Betrachtung über die
menschliche Existenz im Allgemeinen, die die alte lutherische Dogmatik weit hinter sich
ließ.99 Dies bedeutete eine endgültige Auseinandersetzung mit dem Rationalismus der
Aufklärung, der lutherischen Orthodoxie, die versuchte, ihre enge Verbindung mit dem
obrigkeitlichen absolutistischen Wohlfahrtsstaat politisch und religiös ins 19. Jahrhundert
hinüberzuretten. Grundtvigs Betrachtungen bilden kein System und haben auch keinen
zusammenhängenden Begriffsapparat. Er schreibt für ein breites Publikum. Daher ist seine
Sprache bildreich und erzieherisch. Ausdrücklich distanziert sich Grundtvig hier von den
philosophischen Kunstbegriffen oder der intellektuellen Anschauung, wie er sie nannte. Er
will auf der Alltagssprache aufbauen, auf dem gesunden Menschenverstand.
Jedes in sich geschlossene philosophische und religiöse System sei eine große Lüge
(sandsebedrag), da es verlange, den Betrachter außerhalb zu stellen: "Was die Vernunft
erfassen soll, muß sie vorfinden".100
Ein tiefgehendes Verständnis der Existenz könne nur von historischer Art sein, eine
Dimension, die die Philosophen des 18. Jahrhunderts sträflich vermissen ließen. Die
entscheidenden Ergebnisse dieser Periode lassen sich vielleicht folgendermaßen
zusammenfassen: Grundtvig distanziert sich klar von der rationalistischen und auch
idealistischen Trennung von Seele und Körper: Der sinnlichen Sehkraft entspricht die
Vorstellungskraft, die Fähigkeit zur Imagination. Er versteht den Menschen in seiner
kompakten Ganzheit und &173; unverkennbar christlich beeinflußt &173; in seiner Fülle und Reife.
Grundtvig erkennt das Problem der sichtbaren und unsichtbaren 'Dinge'; die Innenwelt des
Bewußtseins ist keine Kopie der Außenwelt, sie hat einen anderen Erfahrungsmodus. Der
Mensch ist nicht aus sich selbst, sondern umgeben nicht nur von einer sinnlich
wahrnehmbaren, sondern auch von einer unsichtbaren Realität. Grundtvig erkennt also das
Problem des Bewußtseins in einer konstitutiveren Weise als die Philosophen des Idealismus:
Die Einheit von Erfahrung und Denken und die dadurch vollkommen offene Problematik der
Selbstauslegung des Menschen: Dieser ist ein erkennendes und aktives Wesen, das nicht
zwischen ethischer und moralischer Aktivität unterscheidet, sondern eines, das handelt. Der
Mensch ist von zeitlicher Erfahrung abhängig und in ein historisch-soziales Ambiente
eingebunden, sein Volk, das ihn prägt. Trotz solcher nationalromantischer Äußerungen hat es
Grundtvig zeit seines Lebens vermieden, in die Fußstapfen Herders und Hegels zu treten: Er
blieb immer ein Patriot, was sich in den diversen deutsch-dänischen Krisen des 19.
Jahrhunderts zeigte. Aber sein Patriotismus erschöpfte sich nicht in der
national-romantischen Einheit von Sprache, Grenze und Volk, wiewohl er immer wieder in
diese Richtung interpretiert worden ist101.
Sicherlich legt Grundtvig großes Gewicht auf das 'lebendige Wort'; das Wort der Poesie und
der Religion habe alle Vorstellungen über geistige Größe hervorgebracht. Aber es läßt sich
hier ersehen, wie die Loslösung der ästhetischen Erfahrung sowie der Leidenschaften von der
Kontrolle durch die Vernunft &173; ein typisches Ergebnis der Kantischen Ästhetik &173; solange
nicht zu den bekannten Ergebnissen der Romantik und der Moderne führen muß, wie das
Vertrauen in die Realitätserfahrung intakt geblieben ist.
Die hier skizzierten anthropologisch-philosophischen und historischen Grundgedanken
bilden das Gerüst für alle späteren Entwürfe von Mensch, Volk, Geschichte, Politik und
Pädagogik.
Diese wurden auch nicht durch seine drei spektakulären Reisen in den dreißiger Jahren nach
England verändert. Dort lernt er den englischen Liberalismus kennen und erfaßt vor allem
das Wesen der 'bürgerlichen Gesellschaft' in der Bedeutung, die politische Freiheit für die
Entwicklung und für den Wohlstand in der Gesellschaft hat102. Der Inhalt von Freiheit, wie
sie von Grundtvig verstanden wurde, deckte sich jedoch keineswegs mit dem des
Liberalismus. Grundtvig blieb gegenüber allen philosophischen Manifestationen von Freiheit
mißtrauisch, deren Mißverständnisse er nur allzu gut erfaßt hatte. Er wußte, daß die liberale
Demokratie der Gefahr des inhaltsleeren Formalismus ausgesetzt war. Daher muß Grundtvigs
Bemühung um eine Auffüllung der modernen liberalen Demokratie als seine bedeutendste
Leistung gesehen werden. Nun aber zunächst einige Bemerkungen zu seinen mannigfaltigen
politischen Aktivitäten:
Durch die Forderungen der bürgerlich-liberalen Opposition in den Dreißigern erkannte er
sehr bald nach der Krönung Christians VII. 1839, daß die Zeit der absolutistischen
Monarchie, mit der er zunächst sympathisiert hatte, endgültig vorbei war. Aus diesen
Gründen ließ er sich 1848 zum Mitglied der verfassungsgebenden Versammlung wählen.
Dort forderte er, ziemlich radikal, die maximale Freiheit. Er blieb Mitglied dieser
Versammlung bis zu deren Auflösung. Danach hatte er, mit kurzen Unterbrechungen, von
1850 bis 1858 einen Sitz im Parlament, dann stand er 1866 wieder in starker Opposition zu
den Bemühungen der national-liberalen Regierung, die Verfassung zu revidieren.
Im Parlament war er ein warmer Befürworter von Freiheit auf allen Gebieten, in Schule und
Kirche aber auch in der Ökonomie, der Gesetzgebung und Regierung:
Er war für ein allgemeines freiwilliges Berufsheer &173; die Abschaffung der Wehrpflicht, die
vor 1849 einseitig auf den Schultern der Bauern ruhte. Er unterstützte die ökonomische
Freiheit und machte sich zum Sprecher der Abschaffung der obligatorischen Mitgliedschaft
in ständischen Berufsvereinigungen.
Sein besonderes Augenmerk galt der Kirche. Bereits in den dreißiger Jahren hatte er die
Freiheit des Einzelnen in Glaubensangelegenheiten gefordert. Bereits zu dieser Zeit machte
er einen Vorschlag zur Aufhebung des Zwanges, sich ausschließlich der liturgischen Dienste
der Heimatgemeinde bedienen zu müssen (Parochialbindung). Die Aufhebung der
Parochialbindung wurde, nicht zuletzt durch das Wirken Grundtvigs, 1855 zum Gesetz.
Ebenso war er ein Gegner der obligatorischen Schulpflicht.
1864, als Grundtvig bereits 83 Jahre alt war, ließ er sich zum Mitglied des Landstings (der 1.
Kammer des Reichstages) wählen. Dort wurde er nicht nur zum scharfen Gegner der
Privilegien des Landstings, sondern auch zum Sprecher der Linken gegen die
Beschränkungen des allgemeinen Wahlrechts in der revidierten Verfassung von 1866.
Bis 1860 hatten Grundtvigs Ideen keine wesentliche politische Rolle gespielt. Das begann
sich um 1860 herum entscheidend zu ändern. Der 'Grundtvigianismus' wurde in Kreisen und
Vereinen bis dahin von einer überwiegend städtischen Mitgliedschaft getragen. In diesem
Zusammenhang kann auch die Gründung einer Gesellschaft für die Freiheit innerhalb der
Volkskirche gesehen werden.
Ab 1866 änderte sich die soziale Zusammensetzung seiner Anhängerschaft. Die Basis der
Bewegung verbreiterte sich wesentlich und reichte nun bis weit in die bäuerlichen Schichten
hinein. Vor allem umfaßte sie Schulleute bzw. Volkshochschullehrer, die aus dem
bäuerlichen Ambiente kamen, aber durch die Verfassungskämpfe politisch bewußt geworden
waren. Dahinter stand die sozio-ökonomische Entwicklung der meisten Bauern zu
Eigentümern, der nun führenden Schicht der Landbevölkerung.103 Nicht zuletzt auf Grund des
politischen Einflusses der Grundtvigianischen Gesellschaften kam es 1867 zum Gesetz über
freie Kirchengemeinden. Jedoch muß hier unterschieden werden: Der "Grundtvigianismus"
war sicherlich nicht nur eine Waffe im erfolgreichen bäuerlichen 'Klassenkampf', er war auch
eine erweckerische politische Volksbewegung und eine Bewegung innerhalb der
Kirche.104 Solche integrativen Bewegungen sind typische politische Themen des beginnenden
Industriezeitalters in Skandinavien. Sie umfaßten quasi alle Schichten der Bevölkerung, auch
die sog. Unterschichten. Einigermaßen verblüffend ist, daß es seit längerer Zeit politisch eine
linke Partei (Venstre) gab, die exklusiv für die sozialen und ökonomischen Interessen der
Bauern in Dänemark focht und die zunächst die grundtvigianischen 'Tagträume' belächelte;
und es ist ebenso verblüffend, daß ausgerechnet die Bauern die Volkshochschulen nicht
einseitig zum sozialen Aufstieg benutzten, sondern daß sie ihre Interessen in das allgemeine
Weltbild des christlich durchsäuerten common senseintegrierten. Das ist das eigentlich
Politische an der Bewegung.
Nur auf der Basis eines solchen fundierten Weltbildes ist das sog. 'universalistische
Wohlfahrtsmodell' überhaupt erklärlich. Eine Nominaldefinition allein hat den Mangel der
Inhaltsleere, sie kann Inhalte nicht authentifizieren. Bezeichnenderweise können auch die
neuesten Analysen nicht klären, was das 'universalistische' am skandinavischen Modell sein
soll.105
Auch P. Baldwins verdienstvolle Analyse verfängt sich in der Spanne von Altruismus,
Sicherheitsbedürfnis und Interesse. Die anthropologischen Probleme werden ausgeklammert.
Es gelang daher dem Führer der Linken, S. Høgsbro, im Reichstag alle linken Gruppen unter
der Ägide von Venstre zu vereinen, die sich von nun an die 'Vereinigte Linke' nannte. Im
Gegenzug dazu formierten die Grundbesitzer eine Allianz mit den rechten Nationalliberalen,
auf deren Konto der dänisch-deutsche Krieg von 1864 ging und bildeten eine neue
Regierung. Da auf der anderen Seite die 'Forenede Venstre' Partei fast die Hälfte der
Reichstagsmandate auf sich vereinte, war es ihre erklärte Absicht, auch die Regierung zu
bilden. Da eine linke Regierung zu der Zeit noch undenkbar war, kam es nicht zu einer
Regierungsbildung des 'Venstre', aber ihr parlamentarisches Gewicht wog schwer und die in
den Siebzigern anhebenden politischen Auseinandersetzungen waren bitter. Die Kombination
von Demokratie, Kirche und Schule und die Subsumtion dieser drei Ebenen unter den
Oberbegriff der 'Freiheit' &173; das war die Leistung der grundtvigianischen Zirkel. Hier läßt sich
eine deutliche Verbindung zu Norwegen feststellen, wo ebenfalls die Linke unter der
geistigen Führung von B. Bjørnson ein ähnliches metaphysisches Grundmuster vertrat.106
Grundtvig verstand sich nicht in erster Linie als Theologe, man müßte ihn eher
'Religionspolitologe' nennen, seine Beschäftigung mit den religionspolitischen Problemen der
lutherischen Staatskirche sind auf Grund der soeben skizzierten Voraussetzungen nur
konsequent &173; ganz abgesehen davon, daß er &173; wie viele seiner berühmten Zeitgenossen &173; aus
einem protestantischen Pfarrhaus stammte. Immer wieder hatte er ab 1821 mit
Unterbrechungen ein Pfarramt inne und er benutzte die Kanzel sehr oft für seine polemischen
Ausfälle gegen die lutherische Staatskirche. Es nimmt daher nicht weiter wunder, daß sehr
bald die Anhänger der Erweckungsbewegungen sich in ihm wiedererkannten. Wenn auch
Grundtvig ihr religionspolitisches Anliegen verstand und sie darin konsequenterweise
unterstützte, weil er die Unterdrückung der Freiheit des Glaubens durch die protestantischen
Priester klar vor Augen hatte, so behielt er den Erweckten gegenüber zeit seines Lebens eine
gewisse sozial bedingte Distanz. So ist es Grundtvigs Aktivität zuzuschreiben, daß sich die
Nüchternheitsorganisationen in Dänemark nicht in der gleichen Weise wie in Schweden und
Norwegen ausbreiten konnten. Er hielt nichts davon, sich in seinem Weinkonsum
einschränken zu lassen. Hintergrund dafür war aber, daß er die Instrumentalisierung der
christlichen Religion durch eine soziale Organisation fürchtete.107
Seine Gedanken fokussieren sich vielleicht am besten in dem zwischen 1855&173;61
erschienenen Buch Den christelige børnelaerdom.108 Im letzten Teil dieses Buches behandelt
er seine kirchenpolitischen Gedanken, die gerade in der Zeit zwischen 1849, dem Zeitpunkt
der ersten liberalen Verfassung, und 1855 in ein entscheidendes Stadium traten: Denn mit der
Verfassung von 1849 wurde die Religionsfreiheit eingeführt, und die bisherige Staatskirche
setzte sich in der Form einer sog. 'Volkskirche' fort, was für die große Mehrheit der
Gläubigen mit dem Versprechen einer repräsentativen Kirchenverfassung verbunden war.
Grundtvig bekämpfte nun mit allen Mitteln jegliche Verfaßtheit der Kirche, in der er
lediglich die Fortsetzung der jahrhundertealten religiösen Heuchelei der Staatskirche sah.
Daher mußte Freiwilligkeit das Grundgesetz jeder kirchlichen Gemeinschaft sein. Grundtvig
spielt hier auf die neutestamentarische homonoia (likemindedness) an, die alle Mitglieder der
Gemeinde durchströmt. Freiwilligkeit ist das Prinzip jeder Gesellschaft, vorausgesetzt, man
ist sich bewußt, welche Inhalte sie prägen. Dieses Gebäude kann nur funktionieren, wenn das
Symbol der repräsentativen Menschlichkeit noch lebendig ist. Das ist nach Kant in der
Philosophie nicht mehr der Fall, wohl aber in der common-sense-Tradition Skandinaviens,
die von der Zerstörung durch die idealistische Philosophie verschont blieb. 109
Die Ablehnung der staatskirchlichen lutherischen Orthodoxie verfolgte er sein ganzes Leben
lang; sie trug ihm entsprechend die Gegnerschaft des dänischen Episkopats ein. Er teilte im
übrigen seine prinzipielle Abneigung gegen die Staatskirche mit seinem
berühmt-berüchtigten Zeitgenossen S. Kierkegaard. 110
Was jedoch Grundtvig von vielen anderen Zeitgenossen auch noch heute unterscheidet, ist,
daß er die politische-institutionelle Bedeutung der Kirche und Religion für die Gesellschaft
als Ganzes erkannte, und eben auch die psychische Bedeutung der Religion, also den tieferen
Zusammenhang von Religion und Politik. Diese Bemerkungen führen wieder zurück zu den
grundlegenderen Problemen von Gesellschaft.
IV
Es ist eine allgemeine Ansicht der Moderne, daß alle Religion, einschließlich des
Christentums, eine idealistische Philosophie voraussetzt, die unvereinbar sei mit einer
materialistischen, die ihrerseits zumeist die Voraussetzung der Sozialwissenschaften sowie
der Ökonomie bildet. Folglich erscheint das Christentum als eine hoffnungslos veraltete
Angelegenheit. Diese Art der Täuschung &173; im Sinne der Whiteheadschen fallacy &173; ist bis
heute in der wissenschaftlichen Diskussion ziemlich tabu. Tatsächlich ist heute &173; gut 125
Jahre nach Grundtvig &173; evident, daß die sog. bürgerliche Politische Ökonomie unter der
Prämisse angetreten war, eine Politische Wissenschaft, beruhend auf der Zentralkategorie der
Vernunft, durch die Institutionalisierung der Leidenschaften, der Interessen zu ersetzen. Das
Problem eines solchen Ansatzes ist, daß zur Regulierung der Leidenschaften immer ein
Bezugspunkt außerhalb des Systems derselben notwendig ist, von dem aus diese auch
legitimiert werden. Das hatte die Trennung von Staat und Gesellschaft zur Folge. Denn durch
die Verdrängung der Vernunft als transzendierendes Moment des Ich zum Du, etwa als
Möglichkeit der Freundschaft, und ihre Ersetzung durch die Leidenschaften, die bekanntlich
nicht sehr gesellschaftsfördernd sind, wurde es schwierig, gemeinschaftsfördernde Tugenden
zu legitimieren. Sämtliche Gesellschaftsentwürfe seit Hobbes bis einschließlich Marx
übernehmen diese Trennung als Problem, das es irgendwie zu überwinden gilt. Solange nun
die Vernunft &173; wenn auch in der reduzierten Form des modernen Naturrechts &173;
vorherrschend war, konnte diese Trennung noch verdeckt werden. Fiel jedoch diese
verbindende Funktion der Vernunft &173; vor allem im modernen Liberalismus &173; weg, dann trat
die Trennung der beiden Bereiche voll ins Bewußtsein und die lutherische Staatskirche fand
sich als Disziplinierungsinstitution auf der Seite des Staates wieder. Dies ist genau die
Situation, die den Kirchenkampf Grundtvigs und Kierkegaards auslöste.
Besonders Kierkegaard betonte, daß das Christentum in seinem Kern überhaupt nichts mit
moderner Sozialwissenschaft und Naturwissenschaft zu tun habe, sondern mit inneren
geistigen Höhepunkten des Einzelnen. Er kann hier als der zentrale Diagnostiker der
Moderne angesehen werden &173; weit mehr als etwa Freud. Aber seine Sprache blieb der
Allgemeinheit verschlossen. Er beschleunigte freilich unter den Intellektuellen den Abfall
von der lutherischen Staatskirche.
Grundtvig war nun gut 30 Jahre älter als Kierkegaard und schon deshalb ist seine Sprache
kompakter, traditioneller. Er bestand auf der biblischen Perspektive der Menschheit und auf
einer Welt, die von einer unerforschlichen Macht geschaffen worden sei, die wir Gott
nennen, was prinzipiell analog zu dem ist, was Kierkegaard zum Ausdruck brachte.
Kierkegaard war allerdings dabei der sokratischere von beiden und betonte das subjektive
Moment des Leidens im meditativen Prozeß. Über die pietistische Färbung dieses
Leidensmoments bei Kierkegaard ist viel gestritten worden.111 Während sich jedoch
Kierkegaard bezeichnenderweise eine gewisse Skepsis gegenüber Grundtvigs
romantisch-emphatischer 'Tiefe' (dybde) bewahrte112, gab sich Grundtvig der Erfahrung
einfach hin und empfand alles als 'deilig': "Das Christentum ist Gegenstand der Wahrheit;
wenn er heute noch kein Christ ist, so wird er es morgen [...]"113. Grundtvig geht noch vom
alten römischen Religionsbegriff aus, der den Bereich, den es eigentlich zu analysieren gilt,
als gegeben hinnimmt &173; für moderne Geister wie Kierkegaard ein Paradox: "Mein
Hauptgedanke", sagte Kierkegaard, "war, daß man in unserer Zeit durch das viele Wissen
vergessen hat, was es bedeutet, zu existieren und was Innerlichkeit bedeutet[]"114. Für
Kierkegaard gibt es den sog. objektiven Inhalt des Glaubens nicht mehr, er verkörpert sehr
viel stärker die Problematik der modernen Existenzialphilosophie, geläutert durch eine
'Innerlichkeit', die ihre Tiefe in Gott im Sinne der augustinischen anima animae hat. Folge
davon aber ist bereits die Ankündigung der modernen existentiellen Unsicherheit: das
Vertrauen in den Kosmos ist bei Kierkegaard bereits in Frage gestellt. Das ist der
Hintergrund für den 'Sprung' Kierkegaards in den Glauben.
Kierkegaards großer Antipode war Hegel, der von Grundtvig Schelling. Beide hatten das
Problem der Abhängigkeit des Christentums von einer idealistischen Philosophie und
Theologie erkannt. Man mag diese als unvermeidlich betrachten, nur löst dies nicht das
politische Problem. Jede Politik ist auf Symbole angewiesen, und ausgerechnet das
Christentum mit seiner Betonung der Transzendenz hat sich mit dem Problem der
Legitimation politischer Symbole immer schwergetan. War doch Augustin im 5. und 6.
Kapitel seiner "De Civitate Dei" nicht angetreten, um die politische Kultur Roms &173; besser
dessen zivile Theologie, die Kongenialität von Religion und Politik &173; zu zerstören! Augustin
tritt diesem Problem als aufgeklärter Intellektueller gegenüber, der merkt, daß ihm etwas
entgleitet. Aber er bemerkte nicht den folgenschweren Fehler in seiner Haltung, daß nämlich,
wenn eine Differenzierung des Bewußtseins gegenüber dem kompakten Mythos eingetreten
ist, zwar im Bewußtsein eines Einzelnen eine neue dramatische Symbolisierung dieser
Erfahrung einsetzt, daß sich aber in der ihn umgebenden Gesellschaft gar nichts ändert. Das
Ergebnis wird dann eine gewaltsame Übertragung des Kultes sein. Das ist alles sattsam
bekannt115. Das Christentum eignet sich nicht als zivile Theologie, aber keine Gesellschaft
kann ohne eine solche leben. Daher waren die Versuche, das Christentum dennoch in dieser
Funktion zu etablieren, vielfältig. Der berühmteste Fall für die Moderne ist der von Hobbes.
Sein Versuch ging dahin, das Christentum ohne Transzendenzerfahrung als zivile Religion zu
etablieren. Hobbes hatte vor Augen, daß das Christentum mit seiner radikalen
Transzendenzerfahrung revolutionäre Konsequenzen haben konnte. Es mußte aber um jeden
Preis vermieden werden, daß sich die Menschen um der Wahrheit willen gegenseitig
umbrächten.
Dazu kamen die anthropologischen Voraussetzungen Hobbes', der den Menschen lediglich in
seiner Triebnatur sah und diese 'Verrücktheit' (madness) mit Hilfe der Naturwissenschaften
auf eine methodisch sichere Grundlage stellen wollte. Hobbes benutzte die Trennung von
Seele und Körper jedoch nur in Ansätzen. Er war sich darüber im klaren, daß jede kluge
Politik natürlich auf die Kontrolle der Körperlichkeit des Menschen ausgeht und keine Ethik
rein rational begründbar ist. Um sich dieser Hobbesschen Pressionen zu entziehen, ist eine
idealistisch-platonisierende Reaktion, etwa in der Person Shaftesburys und anderer, nur zu
verständlich. Erst diese vollzieht die Trennung von Körper und Seele wirklich. Auch das
reformatorische Christentum bediente sich dieser Trennung und trug damit zur
'Entweltlichung' des Menschen in erheblichem Maße bei. Bei Luther wird allerdings 'Freiheit'
noch als inneres Symbol der Entscheidung für ein bestimmtes Leben begriffen. Daher konnte
Freiheit mit dem Glauben an Gott mühelos identifiziert werden. 116
Nach der Zerstörung der klassischen Metaphysik blieb der protestantische Gott höchstens als
Denknotwendigkeit übrig &173; temperiert durch einen kantianischen Transzendentalismus. Das
war Kierkegaard bewußt, mit unerbittlicher Deutlichkeit stellt er diese quälende Trennung
dar, sie wird zu einem seiner zentralen Topoi.
Grundtvigs Sprache läßt ihn dagegen als geeigneter erscheinen, den mythischen Bedürfnissen
der Mitglieder einer Gesellschaft nach Einheit Ausdruck zu verleihen. Grundtvig war sich im
Kern ebenfalls der Sachlage bewußt. Er war nur der Ansicht, daß die Öffentlichkeit dies auch
verstehen müßte. Daher waren seine Sprache des common sense und seine mythisierende,
hymnische Sprache, besonders in seinen Liedern, ein Versuch, geeignete Symbole für den
Menschen als Ebenbild Gottes in seiner Körperlichkeit zu finden. In einer solchen Situation
ist der Rückgriff auf unbewußte Bereiche des Mythos unerläßlich oder &173; eine
demokratischere Lösung &173; es werden Erziehungsinstitutionen eingerichtet, an denen ein
solches Bewußtsein vermittelt wird. Grundtvig ist den letzteren Weg gegangen. In der
praktischen Umsetzung wird es niemals ohne eine gewisse Hierarchisierung abgehen. Wie
schon weiter oben angedeutet wurde, steht Grundtvig grundsätzlich allen denjenigen
philosophischen Systemen skeptisch gegenüber, die die Gründe für die Freiheit in der
Vernunft finden &173; und sämtliche Systeme der Moderne tun dies.
Nach der Bibel war es ja gerade die Freiheit, die einen Akt der Revolte gegen Gott darstellte
und dann zum Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies führte. Für Grundtvig stellt
also die moderne Vernunft einen Akt der Revolte gegen Gott dar, einen Akt der Vergottung
des Menschen. Daher ist logischerweise der Glaube ein Akt, der mehr ist als ein instinktiver
Vorgang; der Glaube stellt eine Einsicht der Vernunft in die condition humaine dar oder, wie
Grundtvig es ausdrücken würde, Glaube ist die natürliche Entwicklung des kindlichen
Vertrauens der reifen Person und genau dieses ist der modernen Gesellschaft abhanden
gekommen; nämlich, wie schon weiter oben ausgeführt worden ist, das Vertrauen in die
Realitätsförmigkeit der Welt, das die mythischen Personen in der nordischen Mythologie, die
Grundtvig so ausdauernd bemühte, offenbar noch hatten. Klar wird dadurch, daß in
Grundtvigs Anthropologie und Psychologie die Teilung in Körper und Geist nicht existiert, er
betrachtet den Menschen als eine Einheit. Die Unmöglichkeit, wie Brandes fand, Darwins
Evolutionstheorie mit der christlichen Perspektive zu versöhnen, daß der Mensch kreatürlich,
d. h. geschaffen und von seiner göttlichen Bestimmung abgewichen sei, erschien für
Grundtvig eine Möglichkeit, die, allerdings nicht in gnostischer Form, d. h. der Tendenz zur
Vergottung oder Entfremdung des Menschen, mißverstanden werden darf.
Es ist daher zumindest mißverständlich, wenn A. P. Thyssen in seinem Artikel zu Grundtvig
"Der Säkularisierungsprozeß in Dänemark" ausgerechnet von Säkularisierung spricht. Das
hieße ja, er würde die geschichtsphilosophische Konzeption Max Webers akzeptieren117.
Allerdings wird das Wort Säkularisierung auf die historisch-soziologische Tatsache des
Niedergangs der Staatskirche in Dänemark eingegrenzt. Es ist ja kaum anzunehmen, daß die
Bevölkerung deshalb irreligiös wurde &173; im Gegenteil, es erhebt sich eher die Frage, wie der
Wegfall ersetzt wurde und ob das Kompensat sich als sinnvoller erwies als die vorherige
Institution. Die Kirche hatte sich mit den herrschenden Gruppen in der Gesellschaft in einer
Weise identifiziert, daß sie in den Verdacht geriet, Selbständigkeit und Verantwortung zu
unterdrücken. Verantwortlichkeit und freie Entscheidung sind ja im Grunde nach dem
Christentum die einzigen noch möglichen Tugenden, die also den anthropologischen
Voraussetzungen des Menschen in der Moderne noch am ehesten entsprechen. Wir haben
seit dem Christentum keine höhere Spannung als die von amor dei und amor sui! D. h. die
Frage nach der Sinnhaftigkeit der Existenz ist zunächst einmal jedem Einzelnen überlassen.
Trotz dieser im demokratischen Verfassungsstaat 'aufgehobenen' Problematik der
repräsentativen Menschlichkeit jedes einzelnen Aktivbürgers hatte Grundtvig darüber hinaus
großes Interesse für die Gesellschaft als ganzes (folket som helhed), also die Frage jeder
vernünftigen Sozialwissenschaft, wie man nämlich Konsens herstellt. Grundtvig wußte,
ebenso wie Kierkegaard, daß die Mehrzahl Nichtchristen waren. Vor allem dieses 'Volk' und
sein Staat sollten von diesem staatskirchlichem Scheinwesen befreit werden. Hier war
Grundtvig prinzipiell sehr konsequent.
Die bürgerliche Gesellschaft sollte dann nicht mehr auf dem somit als radikal verstandenen
Christentum basiert werden, sondern auf sog. folkelige Prämissen bzw. Werten, d. h. auf
Werten, die von allen geteilt wurden; und die natürlicherweise stark vom Christentum
beeinflußt waren. Das ist der Grund dafür, daß er sich für Volksaufklärung (folkeopplysning),
Staatsverfassung und Vaterland stark machte. Es ging darum, den Geist des Volkes
(folkeaanden) auf eine Diskussion über das allgemeine Gute bzw. das, was das Gute für eine
humane Existenz wäre, einzustimmen, eine Frage, die heute &173; in der Krise des
Wohlfahrtsstaates &173; wieder ebenso aktuell ist wie damals. Um das Symbol des allgemeinen
Guten zu umschreiben und ein Bewußtsein dafür zu wecken, suchte er in allen möglichen
mythischen, religiösen und historischen Bereichen nach Symbolen, mit denen sich das
dänische Volk würde identifizieren können. Solche Identifikationsprozesse verlaufen zumeist
unbewußt, sie sind Teil der kollektiven Erinnerung einer Gesellschaft. Dabei kam ihm der
'Zufall' zu Hilfe, daß die dänischen Liberalen nicht so antiklerikal eingestellt waren wie ihre
mitteleuropäischen Kollegen. Folge davon war, daß die rein kirchlichen Veränderungen nach
1849 bei weitem noch nicht radikal waren. Erst um 1870 begann die sog. kulturradikale
Befreiung, die wirklich dezidiert kirchenfeindlich war. Ihr Wortführer war der
Literaturhistoriker G. Brandes, der vom französischen Antiklerikalismus beeinflußt war und
ausgerechnet auch von Kierkegaards Sturm auf die offizielle Kirche. Für Brandes war Jesus
eine sympathische Gestalt &173; in der typischen Manier der Religionssoziologie des 19.
Jahrhunderts; aber er hegte gegenüber dem Christentum als dem Unterdrücker freier
Forschung und kulturellen Fortschritts einen tiefen Haß. Es gibt dazu auch ein Pendant
innerhalb der Arbeiterbewegung, die ebenfalls mit der Gestalt Jesus als Sohn eines
Schreiners sympathisierte und ausgerechnet Kierkegaard als Zeugen für ihren
Antiklerikalismus hernahmen. Hier wird das typische Mißverständnis aller Moderne sichtbar,
wobei zugegebenermaßen die Kirche als politische Institution selbst in hohem Maße dazu
beigetragen hatte: Man meinte nämlich, mit den sekundärdogmatischen Erscheinungsformen
der Kirche und deren Beseitigung den Kontakt mit der prädogmatischen Wissensrealität
wiederhergestellt zu haben. In den skandinavischen Wohlfahrtsstaaten scheint dieser Irrtum
den Beteiligten erst heute wieder zu dämmern.
V
Wir waren oben davon ausgegangen, daß die Idee der Nation im Zusammenhang steht mit
der Idee der vernünftigen Teilnahme an einem Ganzen. Das historische Spezifikum
Skandinaviens war es, daß diese Idee auch die soziale und politische Integration der
inzwischen durch die industrielle Revolution entstandenen Arbeiterschaft bewirkte, die
keinesfalls als rein ökonomische Integration mißverstanden werden darf. Auch die
weitverbreitete These, die Sozialdemokratie sei der Erfinder des Wohlfahrtsstaates, ist
wissenschaftlich unhaltbar, wie Baldwin inzwischen bestätigt hat.118 Eine viel beachtete
These verficht in diesem Zusammenhang auch Esping-Andersen, der der Arbeiterbewegung
jede universalistische Idee abspricht, und davon ausgeht, daß die Arbeiterschaft zunächst auf
die liberalistische Idee der minimalen Wohlfahrt zurückzugreifen gezwungen
war.119 Natürlich meinten die Arbeiter zunächst sich selbst. Da aber auch sie von den
Erweckungsbewegungen beeinflußt waren, konnten sie sich universalistischen Ideen öffnen.
Die damit zusammenhängenden metaphysischen Probleme werden von beiden Autoren, aus
jeweils verschiedenen Gründen, ausgelassen.120 Es ist eine Tatsache, daß die
Erweckungsbewegungen in ihrer methodistischen Form unendlich viel dazu beigetragen
haben, entwurzelte Häusler, Kleinbauern und Waldarbeiter psychisch und damit auch
politisch zu stabilisieren. Dadurch waren sie überhaupt in die Lage versetzt, die
Industrialisierung aktiv mitzugestalten und nicht nur passiv über sich ergehen zu lassen.
Zwischen 1890 und 1940 rekrutierte sich ein Großteil der Politiker der Arbeiterpartei in
Norwegen direkt aus solchen erweckerischen Vereinigungen. Hier läßt sich eine
soziologische Beobachtung machen: Treten die Kräfte der traditionellen Ermahner und
Laienprediger zurück, kommt es zu einem Transfer ihrer Kräfte auf die Gewerkschafts- und
Parteipolitik. Der Kern der Sache liegt in der Sozialisation und Internalisierung der Inhalte
der religiösen Doktrin, die die Regeneration und nicht etwa die Verworfenheit der Person
betont, was bei der Arbeiterschaft ungeheuer wesentlich war, weil es dadurch möglich
wurde, soziale Konflikte aufzulösen, bevor sie zu Klassenkonflikten wurden: Zugleich
konnte ein Abgleiten in einen doktrinären Sozialismus weitgehend vermieden werden. Diese
Bemerkung erscheint insofern wichtig, weil die norwegische Arbeiterpartei in den zwanziger
Jahren starken ideologischen Spannungen ausgesetzt war. Es gab etliche Führer, die vom
amerikanischen Syndikalismus beeinflußt, zum Kommunismus tendierten; hier lag aber auch
der Übergang zum Faschismus. Es gab auf der bürgerlichen Seite, in den schwierigen Zeiten
nach dem Ersten Weltkrieg, Bewegungen mit erheblicher Anhängerschaft, die unter anderen
psychischen Grundbedingungen zum Faschismus hätten führen können.121
Als dann jedoch die Arbeiterparteien Anfang der dreißiger Jahre an die Macht kamen,
entfremdeten sie weder die Bauern, noch die lohnabhängige Mittelklasse und auch nicht die
Industriellen. Der Zwischenschritt der erweckerischen Sozialisation ermöglichte es den
ersten Arbeiterregierungen, mit den Bauern Ende der zwanziger Jahre rot-grüne Koalitionen
einzugehen. Die Bauern waren zu dieser Zeit hartgesottene Anhänger des Protektionismus
und vertraten einen eisernen Sparkurs. Geld durfte nicht ausgegeben werden, es sei denn für
die Bauern. Daß die Bauern dazu gebracht werden konnten, das projektierte deficit-spending
mitzutragen, ist das eigentlich revolutionäre an der Sache: Es handelt sich um einen
regelrechten Paradigmenwechsel &173; in Bezug auf das politische Verhalten und politische
Denken, in Schweden als 'Kuhhandel' bezeichnet. Man einigte sich, die sozialen Leistungen
des Staates den jeweils grünen oder roten Unterprivilegierten zukommen zu lassen. Arbeiter
und Bauern sollten an der allgemeinen staatlichen Sozialversicherung partizipieren. So
wurde die durch Steuern finanzierte Rente Realität, deren Idee zum ersten Mal 1891 in
Dänemark an die soziale Oberfläche getreten war. Nun, in den Dreißigern, unterstützten die
Bauern die Politik der Sozialdemokraten.
Der Kreis schließt sich insofern, als der sozialdemokratische Etatismus an alte schwedische
Wurzeln des Obrigkeitsverständnisses anknüpfte, ohne den er überhaupt nicht denkbar
gewesen wäre. Es ist in diesem Zusammenhang immer wieder behauptet worden, die
Sozialdemokraten hätten die Modernität in die folkhems-Idee eingebracht; dies hat sich
inzwischen als eine zweischneidige Sache erwiesen.
Die schwedische Gesellschaft hatte den Staat seit Jahrhunderten als Freund erlebt und
insofern bestand genügend Vertrauen gegenüber seinen Handlungen. Der Staat förderte ab
gut 1900 naturgemäß die Industrialisierung und Modernisierung. Der entscheidende
Durchbruch in dieser Hinsicht muß zwischen 1909 und 1918 gesehen werden. In dieser
Phase wurden die mächtigen Interessenorganisationen, die auf erweckerische, die moralische
Überlegenheit fördernde Traditionen aus dem 19. Jahrhundert zurückblicken konnten, nun in
den Prozeß der Entscheidungsfindung in einem bisher nicht gekannten Ausmaß
eingebunden.122 Als symbolischer Gipfelpunkt dieser Fusion zwischen Arbeiterschaft und
Modernisierung mag die Stockholmer Industrieausstellung des Jahres 1930 gelten. Diese
Fusion hatte aber auch eine ungeheure Bürokratisierung zur Folge, die nur durch die Idee des
starken Staates als Konkretisierung der Vision von der guten Gesellschaft getragen werden
konnte. Dadurch liefen aber die Sozialdemokraten Gefahr, die alte Idee der Teilnahme an
einem Ganzen der Nation aufzugeben.
Die fünfziger und sechziger Jahre können das goldene Zeitalter des skandinavischen
Wohlfahrtsstaates genannt werden. Ironischerweise verlor jedoch die Arbeiterpartei
ausgerechnet dann an Macht, als sie gerade dazu ansetzte, den Wohlfahrtsstaat massiv zu
expandieren. Trotz der Ausdehnung des öffentlichen Sektors in bisher private
Dienstleistungsbereiche konnte eine wirtschaftliche Rezession in den Achtzigern nicht
verhindert werden. Auch wenn ein immer größer werdender Anteil von Steuern in die
Finanzierung von Serviceleistungen einging, entstand ein schwer zu steuerndes
psychologisches Problem, wenn bisher private Bereiche nun plötzlich per staatlicher
Bürokratie reglementiert werden sollen.
Wie konnte der Irrtum auftauchen, Moderne und folkhem in dieser Form verbinden zu
wollen?123 Wird dadurch doch eine interventionalistische Politik auf die Spitze getrieben und
der mündige Bürger zum privaten Konsumenten herabgewürdigt. Die Prämissen der
Wohlfahrtspolitik im Sinne von administrativ verordnetem Glück erschienen plötzlich
fragwürdig. Man beginnt am Sinn eines Wohlfahrtsstaates zu zweifeln, wenn dieser lediglich
in der ständigen Erfüllung uferloser Bedürfnisse bestehen soll. Und zwar bezeichnenderweise
zuerst in der Sozialpolitik. Das Skandinavische Modell im Sinne einer einseitigen
Ausrichtung auf den Kapitalismus, der nichts außer der Befriedigung von Bedürfnissen im
Auge hat, führt früher oder später zu einem politischen Legitimationsdefizit.
Neoliberalistische Ansätze, auch wenn sie in ethnologischer Form auftauchen124, ändern
nichts am Grundproblem.125 Der obrigkeitliche Wohlfahrtsstaat, dessen Wurzeln u.a. in
Deutschland liegen, ist in eine Krise geraten. Diese hat jedoch nichts mit dem Symbol des
folkhem zu tun, das letztlich in der Idee der Teilnahme an einer Nation, die transzendent
aufgehoben ist, wurzelt. Dieses Symbol wurde damals in einer sozialen und ökonomischen
Krise aktualisiert. Eine solche Aktualisierung kann auch heute wieder geschehen.
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Fußnoten
1.A. Schütz: Der sinnhafte Aufbau der sozialen Lebenswelt. Wien 1960. Damit wird zum erstenmal von den Weltbildern des Bewußtseins gesprochen und formuliert, daß Gesellschaft Realität bildhaft forme. Somit war der Versuch gemacht, den Strukturfunktionalismus zu durchbrechen. Diese in den dreißiger Jahren formulierte These fand ihren Niederschlag in P. L. Berger; T. Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit: Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt am Main 1967 (= Sozialwissenschaft Fischer; 6623) 394ff. (multiple Auflagen; letzte überarbeitete 1992). Lange Zeit sehr viel einflußreicher blieben bezeichnenderweise jedoch die Arbeiten von G. A. Almond: Essays in heuristic theory. Boston 1970; G. A. Almond; S. Verba: The Civic Culture: Political Attitudes and Democracy in five Nations. Princeton 1963; G. A. Almond; S. Verba: The Civic Competence. Boston 1965; L. W. S. Pye; S. Verba (Hg.): Political Culture and Political Development. Princeton, NJ 1965. Der Einfluß Max Webers ist hier unverkennbar: Der Mensch bleibt der Objekt-Subjekt-Beziehung zwischen Staat und Individuum unterworfen.Die Beliebigkeit und Undeutlichkeit des Begriffs 'Politische Kultur' scheint in der Sache selbst zu liegen. Vgl. dazu: C. Lipp: "Politische Kultur oder das Politische und Gesellschaftliche in der Kultur". In: W. Hartwich; H.-U. Wehler (Hg.): Kulturgeschichte heute (= Geschichte und Gesellschaft, SH 16, 1996) 79&173;109. Für einen kritischen Aufriß von Politischer Kultur siehe J. Gebhardt: "Politische Kultur und Zivilreligion". In: D. Berg-Schlosser; H. Schissler: Politische Kultur in Deutschland. Opladen 1967, 49&173;60; (= PVS Sonderheft 18/1987); E. W. Said: "Kultur und Identität". In: Lettre International. 34, III. Vj. 1996, 21&173;25;
2.B. Anderson: Die Erfindung der Nation. [OT: Imagined Communities: Reflections on the Origin and Spread of Nationalism. 1983]. Frankfurt am Main 1992. Anderson erkennt, daß Nationen keine definitorisch umschreibbaren Gegenstände sind, sondern mit den Symbolen, die das Bewußtsein und das Selbstverständnis von Menschen ausdrücken, in Zusammenhang gebracht werden müssen. Was für Inhalte diese Symbole wie Nation haben sollen &173; darüber läßt sich Anderson nicht weiter aus. Er erkennt zwar der 'Religion' eine spezifische Rolle bei der Bildung existenziellen Selbstverständnisses von Mensch und Gesellschaft zu, kann aber nicht darlegen, daß Institutionen damit etwas zu tun haben könnten. Der gesamte Zeitraum vor der Entstehung des modernen Nationalstaates im 15. Jahrhundert hat offenbar keine Bewußtseinsstruktur, die von sich aus einsichtsfähig wäre; sondern der Zusammenhang von Kosmologie und Geschichte wird als bewußtloser Zusammenhang begriffen. Daß im Nationalstaat die Spannungen zwischen universellen Aspekten der Person sowie den machtstaatlichen Identifikationsforderungen sich in einer Verfassung zum Ausdruck bringen lassen können, kann er als Marxist nicht zulassen. Er beschreibt dann nur noch sog. Paradoxien oder die Leidensgeschichte der Unterdrückung und deren nationalistische und weltweite Konsequenzen des sog. nationbuilding ohne theoretische Voraussetzungen. Eine übermäßige Betonung der Rolle der Imagination bei der Bildung von Gesellschaft liefert auch C. Castoriadis: Gesellschaft als imaginäre Institution. Entwurf einer politischen Philosophie [OT: Imaginaire de la société]. Frankfurt am Main 1990, Kap. 4&173;7.
3.Die in den USA seit Jahren geführte Diskussion zwischen Communitarians und Republicans hat sich zu einer bemerkenswerten sachlichen Tiefe und Breite ausgeweitet und hat nun &173; wenn auch zögerlich &173; auch in Westeuropa Fuß gefaßt, darunter in der Bundesrepublik, zumal nach der Wiedervereinigung und den Veränderungen in Osteuropa. Sie verläuft unter der Bezeichnung liberales versus republikanisches Demokratiemodell. Die Wiedervereinigung Deutschlands hat diese Frage verschärft: liberale Marktgesellschaft versus Freiheit, Gleichheit und demokratische Mitbestimmung. Hierzu: J. Gebhardt; R. Schmalz-Bruns (Hg.): Demokratie, Verfassung und Nation. Baden-Baden 1994; M. Walzer: Sphären der Gerechtigkeit: ein Plädoyer für Pluralität und Gleichheit. [OT: Spheres of Justice]. Frankfurt am Main 1992; C. Taylor: Quellen des Selbst. Die Entstehung der neuzeitlichen Identität [OT: Sources of the Self. 1989]. Frankfurt am Main 1994.
4.Die Literatur zur Identitätskrise ist Legion und global. Die skandinavische Diskussion dreht sich einerseits um den Sinn und Unsinn des Wohlfahrtsstaates und ist damit ein spezifischer Diskurs zur Moderne: Hierzu u. a. G. Herlitz: Svenskar. Hur vi är och varför vi är som vi är. Uppsala 1991; U. Østergaard: Was ist das Dänische an den Dänen? Aarhus: Center for Kulturforskning, 1989; U. Østergaard: Europas ansigter. Nationale stater og politiske kulturer i en ny, gammel verden. Kopenhagen 1992; G. Broberg (Hg.): Gyllene äpplen. Svensk idéhistorisk läsbok. 2 Bde., Stockholm 1991; Ø. Sørensen (Hg.): Nordic Paths to National Identity in the Nineteenth Century. Oslo 1994; Å. Daun: Den europeiske identiteten. Stockholm 1992; S. Graubard (Hg.): Die Leidenschaft für Gleichheit und Gerechtigkeit. Essays über den nordischen Wohlfahrtsstaat. Baden-Baden 1988; T. Hylland-Eriksen: Veien til et mer eksotisk Norge. En bok om nordmenn og andre underlige folkeslag. Oslo 1991; G. T. Kurian: Facts on File National Profiles: Scandinavia. New York 1990; K. Lunden: Norsk grålysning. Oslo 1992.
5.Bereits beim utilitaristischen Prinzip gerät das durcheinander. Grundlegend: P. Ricoeur: Soi même comme un autre. Paris 1990; O. Marquard: "Identität: Schwundtelos und Miniessenz." In: O. Marquard; K. H. Stirlen: Identität.München 1979, 347&173;371.
6.J. Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, Frankfurt am Main 1991.
7.G. Esping-Andersen: The Three Worlds of Welfare Capitalism. London 1991, 21ff.
8.I. Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. In: Ders.: Werke. Bd. VIII, Hg. von W. Weischedel. Frankfurt 1968, 56 und weitere Stellen.
10.B. Henningsen: Der Norden: Eine Erfindung. Das europäische Projekt einer regionalen Identität. (= Öffentliche Vorlesungen; 50) Berlin: Humboldt-Universität, 1995.
11.L. Kramm: Politische Ökonomie. München 1979, 71ff.
12.C. F. Alford: The Self in Social Theory. London 1991, 112ff.
13.Auf die Differenzierung vom empirischen Ich und dem Selbst kann hier nicht eingegangen werden. S. dazu H. Herwig: Formen der Emanzipation. München 1981, 42ff.; Das ist das zentrale Problem aller modernen Philosophie seit Descartes.
14.J. Locke: Versuch über den menschlichen Verstand. Bd. 2, Hamburg 1988, 107ff., 410ff.; Ch. Fox: Locke and the Scriblerians. Los Angeles 1988, 27ff.
15.C. E. Bärsch: Die Gleichheit der Ungleichen. München 1979, 17f.
16.C. Taylor: Die Politik der Anerkennung. Frankfurt 1993.
17.J. Locke: "Some Thoughts concerning education". In: E. Axtell (Hg.): The Educational Writings of John Locke.Cambridge 1968, 103ff., 110ff.
18.D. Hume war der erste, der das radikal zum Ausdruck brachte. Die Konsequenz des transzendentalen Bewußtseins ist die Freisetzung der Imagination ohne Inanspruchnahme der Vernunft. Daraus entwickelten sich auch entsprechende Wissenschaftssparten, z.B. die Religionswissenschaft sowie die hermeneutische Methode. Siehe hierzu J. Mittelstraß u.a.: Die Einheit der Wissenschaft. Frankfurt am Main 1991.
19.I. Kant: Zum ewigen Frieden. In: Ders.: Werke. Bd. XI, Hg. v. W. Weischedel. Frankfurt 1968. 223ff.
20.Hier wäre der Begriff der generischen Identität anzusiedeln. Der Begriff stammt aus der Biologie und wurde auf die Sozialwissenschaft übertragen. Sämtliche organologischen Spekulationen eines Volkskörpers sind von ihr abzuleiten. Vgl. D. Mendlewitsch: Volk und Heil. Vordenken des Nationalsozialismus im 19. Jahrhundert. Münster: Rheda 1988; K. Vondung: Die Apokalypse in Deutschland. München 1988, 150ff.
22.W. Mommsen: "Nationalismus und Nationalitätenfrage". In C. D. Kernig: Marxismus im Systemvergleich. Freiburg 1974, 90-174.
23.Als typisches Beispiel sei dafür C. Tilly (Hg.): The Formation of National States in West-Europe. Princeton 1975, genannt.
24.A. Comte: Die Soziologie. Stuttgart 1974.
25.P. Alter: Nationalismus. Frankfurt 1985, 23ff.
26.C. Armstrong. Nations before Nationalism. New York 1984. Armstrong 'befreit' den Nationalstaat aus seiner ausschließlichen Bindung an die Moderne &173; vor allem inhaltlich. Er kommt auf das Problem der organisierten Religion zu sprechen und kann dadurch das Problem der Äquivalenz der Erfahrung in den Blick bekommen. Er stößt dabei auf eine Literaturgattung, die schon seit langem an diesen Problemen arbeitet: so z.B. R. Coulborn: Der Ursprung der Hochkulturen, Stuttgart 1962, 105ff; E. Voegelin: Order and History. 4: The Ecumenic Age. Baton Rouge 1974, 114-174.
27.M. Eliade: Geschichte der religiösen Ideen. Bd. 4, Wien 1993, 123ff.
28.J. Gebhardt: "Nationale Identität und Nationale Ideologie". In: Zeitschrift für Politik. Jg. 32, 3, 1985, 236&173;249; E. Kamenka (Hg.): Nationalism. London 1976.
29.I. Kant: Zum ewigen Frieden. s. Anm. 19.
30.C. E. Bärsch: Erlösung durch Vernichtung. München 1987. Das Problem des Opfers für das Vaterland kann seit der französischen Revolution das neue Element genannt werden.
31.J. L. Talmon: The Myth of the Nation and the Vision of Revolution. London 1981; H. H. Schrey (Hg.): Säkularisierung. Darmstadt 1981. Die Erfahrung der Kreatürlichkeit &173; allerdings behaftet mit dem Problem, daß ein Gott in diesen Körper hineingeraten ist &173; wird nun seit einigen Jahren in intensiver Form in der Körperliteratur zum Ausdruck gebracht. Vgl. hierzu M. Feher (Hg.): Fragments for a History of the Human Body. I-III, New York 1989&173;1993.
32.A. D. Smith: National Identity. London 1993, 101.
33.A. Lindberg: Skihoppets Estetikk i Norsk Diktning eller: Svevets Metaphysikk. in: Samtiden 1, 1994, 2&173;7.
34.J. S. Mill: Über die Freiheit. Stuttgart 1988. (= Reclam; 3491), Kap. XII.
35.Die Entstehung des norwegischen Nationalstaates ist gerade innerhalb der Identitätsdebatte Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen: Hierzu Ø. Østerud: Det moderne statssystem og andre politisk-historiske studier. Oslo 1987; K. Lunden: Nasjon eller union. Oslo 1993; Ø. Sørensen: Ernst Sars' teori om 1814 &173; et forsvar verdt? in: Historisk Tidskrift (N) 1987:4, 471&173;495; K. Lunden: Norsk grålysning. Oslo 1992. Auf die ästhetischen Konstruktionen kann in diesem Zusammenhang nicht eingegangen werden, da das den Rahmen dieser Untersuchung sprengen würde. Vgl. dazu U. Østergaard: "Hvad er det danske ved danskerne?", in: Den Jyske Historiker. 29&173;30, 1994, 85&173;134; B. Henningsen, s. Anm. 10.
36.Daß der Wohlfahrtsstaat in Skandinavien eine Erfindung der Sozialdemokratie gewesen sei, ist ein bisher kaum erschüttertes Sacrum. Allerdings gibt es das Problem, daß auch die empirische Forschung auf 'Tatsachen' stößt, die nicht zu leugnen sind. S. Lundquist: Folkrörelserna i det svenska samhället. 1850&173;1920. Stockholm 1977; ders.: Politik, Nykterhet och Reformer. En studie i folkrörelsernas politiska verksamhet 1900&173;1920. Uppsala 1974; L. Mjeldheim: Folkerørsla som vart parti. Venstre fra 1880-åra til 1905. Bergen 1984.
37.Ø. Sørensen: Verdenskrig og velferd. Oslo 1993.
38.P. Råberg: Funktionalistisk gennombrott. Radikal miljö och miljödebatt i Sverige 1925&173;1931. Stockholm 1972.
39.B. Ehn; J. Frykman; O. Löfgren: Försvenskningen av Sverige. Det nationellas förvandlinger. Stockholm 1993.
40.Allerdings gibt es einen starken positivistischen wertnihilistischen Niederschlag etwa in der Philosophie Hägerströms, vgl. S. Nordin: Från Hägerström till Hedenius. Lund 1983.
41.M. Henningsen: Die Wirklichkeit des Common-Sense, in: Politische Studien 26, 1975, 385&173;402; I. Kant: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik die als Wissenschaft wird auftreten können. In: Ders.: Werke. Bd. V, Hg. von W. Weischedel. Frankfurt 1968, 117; vgl. auch B. Henningsen: Die Politik des Einzelnen. Göttingen 1979, 68ff.
42.Auffällig ist die ständige Berufung skandinavischer Autoren auf den Common Sense. Arbeiten zu diesem Problem sind noch immer ein Desiderat. Eine rühmliche Ausnahme bildet T. Segerstedt: Moral-Sense-skolan och dess inflytande på svensk filosofi. Uppsala 1937; vgl. auch B. Henningsen, s. Anm. 40.
43.Ordbok öfver svenska språket. Hg. v. Svenska Akademien. Lund 1925, Bd. 5 Spalte 3855.
44.E. G. Geijer: Samlade skrifter III. 34ff; zit. nach S. Nordin: Romatikens filosofi. Lund 1987, 154. Original: "[] emedan du i din enfald är långt bättre än allt vad däri står []."
45.T. Reid: Essays on the intellectual Powers of Man. Cambridge 1985. 568.
47.B. Henningsen: Die Politik des Einzelnen. s. Anm. 40.
48.B. Bjørnson: Brev, Brytningsår, Breve fra årene 1871&173;1878. Hg. v. H. Koht, Kristiania 1921, 274ff.
49.Ich ziehe diesen Begriff den der Identität vor.
50.Es führte zu Parteigründungen, die das bisherige Konsensverhalten durchbrachen, so die Glistrup-Partei in Dänemark und die Anders-Lange-Partei in Norwegen. Diese Parteien sind heute Gegenstand aller Darstellungen des skandinavischen Regierungssystems. So z. B.: B. F. U. Pappi; H. Schmitt (Hg.): Parteien, Parlamente und Wahlen in Skandinavien. Frankfurt 1994; 57ff.
51.N. Runeby: "The Individual, the Group and the People's Home." In: R. Björk; K. Molin (Hg.): Societies made up of history. Edsbruk 1996, 75&173;86.
52.T. Parsons: Toward a General Theory of Action. Chicago, Mass. 1951.
53.Das sind Bereiche, die von den bisher gängigen Analysen nicht berührt werden, so etwa von D. Berg-Schlosser: Politische Kultur. München 1972, 42. Hier wird im Sinne D. Eastons analysiert.
54.H. Perkin: The Origins of Modern English Society 1780&173;1880. London 1969; J. H. Holmes: John Wesley and the Methodist Revolt. Toronto 1923; A. J. Harding: The Social Impact of the Evangelical Revival. London 1947; A. Hassing: Methodism and Society in Norway 1853&173;1918. Ann Arbor 1974; M. Edwards: John Wesley and the eighteenth century. London 1955; R. L. Bushmann: The great awakening. New York 1970; T. L. Smith: Revivalism and Social Reform. New York 1965.
55.W. Rothholz: Die politische Kultur Norwegens. Baden-Baden 1985, 27ff.
56.Mit Einschränkung auch Boströms &173; hierzu vgl. S. Nordin: Romantikens filosofi. Lund 1987, 400ff.
57.E. G. Geijer: Om vår tids indre samhällsförhållanden. Stockholm 1842.
58.In Norwegen kommen diese Warnungen von E. Sundt, vgl. A. L. Seip: Veiene til velferdsstaten. 1994.
59.S. Nordin: Romantikens filosofi, 160 .
60.Ø. Sørensen, Anton Martin Schweigaards politiske tenkning. Oslo 1988.
61.H. Sanders: Bondevækkelse og Sekularisering. Stockholm 1995; T. Jansson: Adertonhundretalets associationer, Uppsala 1985.
62.J. B. Hovde: The Scandinavian Countries. I, 1948, 59ff; P. Aronsson: "The Eighteenth and Nineteenth Century Experience", in: Rural History, 3, 1993, 41-57.
63.H. Gustafsson: Kommunal frihet för nationell samling. Debatter om kommunalreformer i 1800-talets Norden. Stockholm 1987; H. Gustafsson (Hg.): Religiösa väckelserörelser i Norden under 1800- och 1900-talet. Lund 1985; s. auch T. Jansson (Anm. 60).
64.J. Gebhardt: "Politische Demokratie und soziale Gewaltenteilung in Schweden", in: Civitas. Jahrbuch für. Sozialwissenschaften. 1977, 67ff.
65.J. A. Seip: Fra embetsmansstat til etpartistat og andre essays. 2. Aufl. Oslo 1974; E. Udhammar: Partierna och den stora staten. En analys av statsteorier och svensk politik under 1900talet. Stockholm 1993.
66.M. Riedel: "Gesellschaft, bürgerliche", in: O. Brunner u. a. (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe. I, 719&173;800.
68.H. Høffding: Etik. København 1887, 331ff.
69.H. Eckstein: Division and Cohesion in Democracy. Princeton 1966, 109ff.
70.J. Rosén; S. Carlsson (Hg.): Den Svenska historien, Bd. 2, Medeltid, 1319&173;1520. Stockholm 1968, 232ff.; S. Bagge; K. Mykland: Norge i dansketiden. 3. Aufl. Oslo 1993, 18&173;22; G. A. Blom: Norge i unionen på 1300tallet. Kongedømme, politikk, administrasjon og forvaltning, I-II. Oslo 1992.
71. P. Aronsson, "The Eighteenth and Nineteenth Century Experience", s. Anm. 61; ders.: Bönder gör politik. Det lokala självstyret som social arena i tre smålandssocknar 1680&173;1850. Lund 1992, 9&173;51.
72.R. Metcalf (Hg.): The Riksdag. The History of the Swedish Parliament. Stockholm 1988.
73.M. Roberts: The Swedish Imperial Experience 1560&173;1718. Cambridge 1979.
74.J. Rosén; S. Carlsson (Hg.): Den Svenska historien. Gustav Adolfs och Kristinas tid. Bd. 4. Stockholm 1964, 44ff, 242ff, 286ff.
75.S. Strömholm: Sverige 1972. Stockholm 1972, 45ff; N. Runeby: Monarchia mixta. Maktfördelningsdebatt i Sverige under den tidigare stormaktstiden. Stockholm 1962.
76.M. Roberts: Swedish and English Parliamentarism in the eighteenth century. Belfast 1973.
77.N. Herlitz: Schwedische Verfassungsgeschichte. Stockholm 1967, 82ff.
78.J. Rosén; S. Carlsson (Hg.): Den Svenska historien. Gustavianska Tiden 1772&173;1809. Bd. 7. Stockholm 1968.
80.B. Stråth: Folkhemmet mot Europa. Ett historiskt perspektiv på 90-talet. Göteborg 1993, 23ff.
81.T. Tilton: The Political Theory of the Swedish Social Democracy. Oxford 1990, 125ff.
82.N. Runeby: "The Individual, the Group and the People's Home". In: R. Björk; K. Molin (Hg.): Societies made up of history. Edsbruk 1996, 75&173;86.
83.Hierzu: B. Henningsen: Die Politik des Einzelnen. Göttingen 1979, 54&173;93.
84.Ø. Østerud: Agrarian Structure and Peasant Politics in Scandinavia. London 1978, 245ff.
85.Was von allen Sozialhistorikern anerkannt wird. Vgl. E. Bull: Sozialgeschichte der norwegischen Demokratie. Stuttgart 1968.
86.Hierzu: J. A. Seip: Utsikt over Norges Historie, Bd. 2. Oslo 1981, 44ff.
87.J. Andenaes: Norsk Statsforfatning. 8. Aufl. Oslo 1994.
88.J. A. Seip: Utsikt over Norges Historie, Bd. 1. Oslo 1974.
89.A. L. Seip: Sosialhjelpestaten blir til. Oslo 1984, 68ff.
90.Ders.: Veien til Velferdsstaten. Oslo 1994.
91.R. Skovmand: "Die Grundtvigsche Volkshochschule", in: C. Torberg; A. P. Thyssen (Hg.): N. F. S. Grundtvig, Tradition und Erneuerung. Kopenhagen 1983, 348&173;372.
92.N. F. S. Grundtvig: Mands-Minde 1788&173;1838. København 1877, 387. in: S. Johanssen; H. Høirup: Grundvigs Erindringer og Erindringer om Grundtvig. København 1948, 201&173;254; F. Lundgreen-Nielsen: "Grundtvig und die Romantik", in: A. P. Thyssen u. C. Thodberg (Hg.) (dt. Übers. v. E. Harbsmeier): N. F. S. Grundtvig. Tradition und Erneuerung. Kopenhagen 1983, 21&173;48.
93.N. F. S. Grundtvig: "Nordens Mytologi", in: Udvalgte Skrifter. [künftig zit. als: US] Bd. V. Hg. v. H. Begtrup, I&173;X, København 1904&173;1909, 394.
94.Ders.: "Brevveksling mellem Nørrejylland og Christianshavn", In: US, Bd. IV, 229&173;236.
95.N. F. S. Grundtvig: US, Bd. V, 433. Original: "[] derfor er det kun ved Betragtning af Menneske-Slægtens og sit eget Levnets-Løb, Man kan vinde Forstand paa Menneske-Livet, saa den Speculation, der ikke vil vaere Livets Sön og Laerling er aabenbar en Skifting, paa hvem vi alt fra Amme-Stuen veed, ikke blot Daab og Christendommen, er ilde staedt, men al Omhu, Naering og Opdragelse spilet []".
96.N. F. S. Grundtvig: US, Bd. IX, 409.
97.Zit. bei R. Prenter: Skabelse og Genlösning. Kopenhagen 1951, 263. Original: "[] Straebe da hver paa denne jord sandt menneske at vaere []".
98.S. A. Aarnes: "Grundtvig als Historiker", in: N. F. S. Grundtvig, Tradition und Erneuerung. Kopenhagen 1983, 57&173;78.
99.J. Balling; H. R. Iversen u. a. (Hg.): Grundtvig og den grundtvigske arv. Afhandlinger af A. P. Thyssen. København: 1991, 3&173;143.
100.N. F. S. Grundtvig: "Om det filosofiske Aarhundrede", in: Dannevirke I, 1816. In: US, Bd. III, S. 332&173;333. Original: "Hvad fornuften skal fatte, maae den forefinde."
101.Dieses Problem muß einer größeren Abhandlung vorbehalten bleiben. Vgl. hierzu B. Thyssen: "Grundtvig und der Grundtvigianismus als politischer Faktor", In: N. F. S. Grundtvig. Tradition und Erneuerung. Kopenhagen 1983, 328f.
102.H. Grell: England og Grundtvig. Aarhus 1992.
103.A. P. Thyssen: "Der Grundtvigianismus als Bewegung bis 1900." In: N. F. S. Grundtvig. Tradition und Erneuerung. Kopenhagen 1983, 401&173;427.
104.Solche Bewegungen werden bei der Analyse der Genese des universalistischen Modells zumeist vergessen. Repräsentativ hier z.B. T. Knudsen: Tilblivelsen af den universalistiske velfaerdsstat .(Ms.) 1997.
105.P. Baldwin: The Politics of Social Solidarity. London 1991.
106.A. Skrondal: Grundtvigianismen i Noreg I&173;II; Bergen 1929&173;1936; B. Furre: Lars Oftedal. I&173;II, Oslo 1991.
107.S. Eriksen: "Vækkelse og afholdsbevægelse. Et bidrag til studiet af den svenske og den danske folkekultur", in: Scandia 2, 1988, 251&173;295.
108.N. F. S. Grundtvig: Den christelige børnelærdom. In: US, Bd. IX, 520ff.
109.M. Henningsen: "Die Wirklichkeit des Common-Sense", in: Politische Studien 26, 1975, 385&173;402.
110.O. Bertelsen: Dialogen mellem Grundtvig og Kierkegaard. København 1990, 85ff.
111.K. E. Løgstrup: Opgør med Kierkegaard. København 1968.
112.S. Kierkegaard: Samlede Værker. Hg. v. A. B. Drachmann; J. L. Heiberg; H. O. Lange. Bd. VII. København 1901&173;1906, 490, zit. bei O. Bertelsen: Dialogen mellem Grundtvig och Kierkegaard, København 1990, 96.
113.N. F. S. Grundtvig: Sang-Vaerk til den danske Kirke I-V, København 1868-81, V, Nr. 12. Original: "Ær Kristendom da Sandheds sag/ om kristen ej han ær i Dag,/ han bliver det i Morgen []".
114.Kierkegaard, 210. Original: "Min Hovedtanke var at man i vor Tid formedelst den megen Viden havde glemt hvad det er at existere, og hvad inderligheden har at betyde []".
115.E. Voegelin: The New Science of Politics. Chicago 1951.
116.M. Luther: Von der Freiheit eines Christenmenschen. München 1968, 161ff.
117.A. P. Thyssen: Sækulariseringsprosessen i Danmark, In: J. Balling; H. R. Iversen u. a. (Hg.): Grundtvig og den grundtvigske arv. Afhandlinger af A. P. Thyssen. København 1991.
118.P. Baldwin: The Politics of Social Solidarity. London 1991, 48ff.
119.G. Esping-Andersen: The Three Worlds of Welfare Capitalism. London 1990, 15ff.
121.Ø. Sørensen: Fra Marx til Quisling. Oslo 1983; B. Stenseth: En norsk elite. Oslo 1993.
122.J. Moren: Organisasjonene og forvaltningen. Bergen 1958; J. P. Olsen: Organized Democracy. Political Institutions in a Welfare-State. Oslo 1983.
123.B. Henningsen; B. Stråth: Die Transformation des schwedischen Wohlfahrtsstaates. Ende des Modells? in: Jahrbuch für Politik. 5. Jg. Halbb. 2, 1995, 221&173;247.
124.J. Frykman: The Internationalization of National Identity, in: Ethnologia Europaea, 25, 1995, 15&173;36.
125.E. O. Eriksen: Justification of Needs in the Welfare State. Bergen 1996.
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