Humboldt-Universität zu Berlin - Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät - Nordeuropa-Institut

Die intellektuelle Kultur Norwegens
(Henrik-Steffens-Vorlesung)
Helge Høibraaten
VL 52 213 Di 18–20 DOR 24, 3.134  

Die intellektuelle Kultur Norwegens ist geprägt worden durch Spannungen:

  • durch die Romantik und den Nationalismus eines spät unabhängig gewordenen Staates, aber auch durch ein weit verzweigtes internationales Engagement;
  • durch kulturelle Stärke der Regionen, aber auch durch einen starken Staat, der in einem an Fläche großen, dünn besiedelten Land unumgänglich war, gerade auch für eine demokratische Entwicklung;
  • durch einen staatskirchlichen Protestantismus, der ursprünglich von oben aufoktroyiert wurde, dann aber langsam die Bevölkerung von innen ergriff, um seit dem Ende des 19. Jahrhun-derts zunehmend durch Freidenkerei, Nietzsche-Einfluss, Psychoanalyse und Kulturradikalismus herausgefordert zu werden, neuerdings auch durch Einwanderung und eine multireligiöse Situation;
  • durch die Idee einer substanziellen Gleichheit der Volksglieder, aber auch durch die Idee der Gleichwertigkeit (zu deutsch: gleichen Würde) aller Menschen, wie immer verschieden, die dem Gedanken der universellen Menschenrechte zugrunde liegt;
  • durch den Kult des Genies aus dem Dorfe (bygdegeniet), der die Hauptstädter überragt, aber auch durch den Horror vor kultureller Enge und Konformismus (Trangvik, Jantelov, Bygdedyret), durch eine kräftige Hauptstadtbohème, neuerdings auch durch Urbanismus;
  • durch eine starke Tradition des psychologisch-realistischen Romans, die eher aus dem Durch-bruch der literarischen Moderne als einem so genannten germanisch-nordischen (völkischen) Denken stammt, aber auch durch eine Verspätung der Moderne in der Malerei.
  • Und nicht zuletzt muss geschichtlich eine Prägung nicht nur durch Dänemark, sondern auch durch Deutschland betont wenden – eine Prägung, die nach dem Nationalsozialismus mehr ignoriert als produktiv verarbeitet worden ist, ob zustimmend oder kritisch.

Die Henrik-Steffens-Vorlesungen, die sich seit ihrem Anfang insgesamt an einem solchen Rahmen orientieren, werden dies auch im kommenden Semester tun, und zwar mehr programmatisch. Sie werden auch durchgeführt mit Blick auf eine im Mai stattfindende Exkursion nach Oslo und Telemark. Dabei ist Teilnhame an dieser Exkursion selbstverständlich keine Bedingung für den Besuch der Steffens-Vorlesungen!

Teilnahmehinweis: Die Vorlesungen werden meist in skandinavischen Sprachen gehalten.

Existenzphilosophie und Seinsmystik: Skandinavien und Deutschland Helge Høibraaten
VG 52 214 Mi 16–18 DOR 24, 3.231  

Die Vorlesung wird Themen aus der deutschen Existenzphilosophie, einschließlich der philosophischen Anthropologie, mit verwandten skandinavischen Denkern vergleichen. Die wichtigsten Philosophen sind dabei Kierkegaard und Heidegger, aber auch Gesichtspunkte von Peter Wessel Zappfe, Helmut Plessner und Arnold Gehlen werden behandelt. Diskutiert wird auch die Seinsmystik Heideggers und ihre mögliche Beziehung zu skandinavischer Philosophie und Literatur, wobei das Verhältnis zu Hamsun für Heidegger selbst von Bedeutung war.

Philosophische Literatur: Heidegger: Sein und Zeit. 1926. – Ders.: Holzwege. 1950. – Ders.: Vorträge und Aufsätze. 1954. – Zur Einführung und zur Biographie: Rüdiger Safranski: Ein Meister aus Deutschland. Martin Heidegger und seine Zeit. – Søren Kierkegaard: Furcht und Zittern (urspr. 1843). – Ders.: Die Krankheit zum Tode (urspr. 1849). – Ders.: Der Begriff Angst (urspr. 1844/1855). – Peter Wessel Zappfe: Om det tragiske. 1941. – Hans Skjervheim: Vitskapen om mennesket og den filosofiske refleksjon. 1963. – Helmuth Plessner: Die Stufen des Organischen und der Mensch. 1928. – Arnold Gehlen: Der Mensch. 1940. – Ders.: Urmensch und Spätkultur. 1956. – Franz Josef Wetz: Das nackte Daß. Die Frage nach der Faktizität. 1990.

Mythische Geographie: Der Norden, der Süden, das Abendland, das Morgenland Helge Høibraaten
UE 52 215 Do 16–18 DOR 24, 3.134  

Das Seminar hat seinen Ursprung in Vorlesungen der Sommersemester 2006 und 2007 über „Mitte“ und „Norden“ und zum Norden und Süden im Lichte der Orien-talismusdebatte. Sie werden aber nicht vorausgesetzt. Referate und Hausarbeiten können sowohl kulturwissenschaftliche wie literaturwissenschaftliche Aspekte be-handeln.

Literatur: Herder: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. 1774. – Ders.: Ideen zu einer Philosophie der Geschichte der Menschheit. 1784–1791. – Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte. 1840 (Ausg. Gans). – Bachofen: Der Mythus von Orient und Occident. Hg. Schroeter, 1926. – Nietzsche: Der Ursprung der Tragödie. 1872. – Paulus Svendsen: Gullalderdrøm og utviklingstro. 1940. – Hans Sedlmayr: Verlust der Mitte. 1948. – Karl Heinz Bohrer: Der Mythos vom Norden. Diss. Heidelberg, 1961. – Puschner, Schmitz, Ulbricht (Hg.): Handbuch zur „Völkischen Bewegung“. 1996. – von Schnurbein, Ulbricht (Hg.): Völkische Religion und Krisen der Moderne. 2001. – Klaus von See: Barbar, Germane, Arier. 1994. – Edward Said: Orientalism. 1978. – Elisabeth Oxfeldt: Nordic Orientalism. 2005. – Léon Poliakov: Der arische Mythos. 1993. – Stefan Arvidsson: Aryan Idols. 2006. – Øystein Sørensen: Bjørnstjerne Bjørnson og nasjonalismen. 1997. – Mögliche belletristische Autoren u. a.: Oehlenschäger: Aladin/En Jøde. – Ibsen: Peer Gynt/Kaiser und Galiläer. – Bjørnson: Über die Kraft. – Sandemose: Ein Flüchtling kreuzt seine Spur/Der Klabautermann. – Hamsun: Pan/Mysterien/Segen der Erde/I Æventyrland.

Leistungsnachweis: Aktive Teilnahme, Referat und schriftliche Hausarbeit.

WS 07/08 Magister Lehrangebot für Magisterstudierende im SS 2008
WS 07/08 Übersicht Lehrveranstaltungen SS 2008