Humboldt-Universität zu Berlin - Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät - Nordeuropa-Institut

Humboldt-Universität zu Berlin

Philosophische Fakultät II

Nordeuropa-Institut

Dr. Stephan Michael Schröder

52 243 GK Einführung in die skandinavistische Kulturwissenschaft

 

 

Thema:

Natürlich, fröhlich und ein bißchen sexy –

Skandinavische Schlagerstars

in Deutschland

Funktionen eines deutschen Stereotyps

 

WS 1999/2000

Petra Mittermayer

3. Semester

Matrikelnummer: 155660

Studienkombination:

Kulturwissenschaft

Musikwissenschaft

Skandinavistik

 

INHALTSVERZEICHNIS

 

1. Einleitung

2. Zur Referentialität

3. Zur Rhetorizität

4. Zur Symbolizität

5. Zusammenfassung

Anhang

Quellenverzeichnis

 

 

 

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit untersucht die verschiedenen Funktionen eines deutschen Hetero-stereotyps der Skandinavier, das Schlagersängerinnen wie Gitte (Haenning), Wencke Myhre und Siw Malmkvist vor allem in den 60er und 70er Jahren transportierten. Am Beispiel dieser drei skandinavischen Sängerinnen sollen die verschiedenen Funktionen erklärt und erläutert werden.

Gitte, 1946 in Århus (Dänemark) geboren, war in ihrer Heimat schon ein berühmter Kinder-star; in Deutschland wurde sie zum Teenager-Idol. Wencke Myhre kommt aus Oslo, wurde dort 1947 geboren, und auch sie kann zwei erfolgreiche Karrieren sowohl in Norwegen als auch in Deutschland verzeichnen. Wie Siw Malmkvist, geboren 1936 in Landskrona (Schweden), vertrat auch Wencke Myhre Deutschland erfolgreich beim Grand Prix Eurovision de la Chanson.

Alle drei verkörpern den auf dem deutschen Musikmarkt so erfolgreichen Typ "skandina-vische Frau": Schönheit, Natürlichkeit und der niedliche Akzent erobern den deutschen Schlagerfan der 60er und 70er Jahre mit Leichtigkeit. Das von ihnen transportierte Stereotyp der skandinavischen Frauen ist weniger von blonden Haaren - denn nur Gitte ist blond - geprägt, sondern von Natürlichkeit, Fröhlichkeit und einer gewissen Portion naivem Charme.

Dieses Bild soll Ausgangspunkt für die im weiteren Verlauf folgenden analytischen Erläuterungen sein. An ihm soll die Stereotypenforschung der Vergangenheit und der Gegenwart und die damit verbundenen verschiedenen Funktionen des Heterostereotyps erklärt und ein semiotisches Modell entworfen werden, "mit dessen Hilfe zwischen referentiell-denotativen, rhetorischen und symbolischen Funktionen von Stereotypen differenziert werden kann" (Stephan Michael Schröder, 1996, 1).

Zur Begriffserläuterung:

Der Begriff "Stereotyp" wurde 1922 von Walter Lippmann in seinem Buch "Public opinion" eingeführt. Ihm liegt der Gedanke der Kategorienbildung und -einteilung zugrunde, die Menschen, wie Lippmann feststellt, aus denkökonomischen Gründen finden und benutzen, denn "Each of us lives and works on a small part of the earth´s surface, moves in a small circle, and of these acquaintances knows only a few intimately." (Walter Lippmann, 1965, 53) Er wird also gegen eine Welt von Komplexität verwendet.

In Abgrenzung zum Begriff "Stereotyp" ist das Wort "Image", das im Zusammenhang mit Prominenz auch eine wichtige Rolle einnimmt, viel weniger konstant und leicht veränderbar. "Images knüpfen wie Stereotypen an reale Situationen an, reichen aber bewußt weit darüber hinaus. Images sind Bilder, ursprünglich vor allem von Produkten, denen eine besondere Eigenschaft zugeordnet [...] wird." (Hans J. Kleinsteuber, 1991, 64) Auch Gitte, Siw Malmkvist und Wencke Myhre stehen in diesem Produktzusammenhang. Ihre Lieder, ihr Aussehen und Auftreten wurden auf ein bestimmtes Zielpublikum zugeschnitten, und ihre skandinavische Herkunft spielt dabei eine große Rolle. An diesem Punkt überschneiden sich die Begriffe "Image" und "Stereotyp". Eine Unterscheidung kann man im vorliegenden Fall vielleicht darin sehen, daß das Image der jeweiligen Sängerin nur das Transportmittel für ein allgemein skandinavisches Stereotyp darstellt. Im weiteren Verlauf soll also weniger das Image der einzelnen Interpretin, sondern das von ihr – auch durch ihr Image - transportierte Stereotyp untersucht werden.

Der Begriff "Vorurteil" wird in der vorliegenden Arbeit nur in seiner herkömmlichen Bedeutung als "Prä-Urteil" eine Rolle spielen. Die untersuchten Aspekte des Stereotyps sind als durchweg positiv zu bewerten, so daß das heutige Verständnis des Begriffs als negatives Gefühlsurteil unberücksichtigt bleibt.

 

 

2. Zur Referentialität

Die referentiell-denotative Stereotypenforschung sucht nach historischen, ethnologischen oder gesellschaftlichen Referenzen, die die Entstehung eines Stereotyps erklären können. Fragt man hier nach Gründen für ein sexuell geprägtes skandinavisches Stereotyp, auch eine Komponente des Erfolgs skandinavischer Schlagersängerinnen, kann auf die liberalere Sexualpolitik und Sexualhandhabe in Skandinavien im Vergleich zu Deutschland Bezug genommen werden. Besonders in den 60er Jahren, als die Debatte über sexuellen Liberalismus mit großem Enthusiasmus geführt wird, galt Schweden als internationaler Standardträger und Vorreiter eines sexuellen Modernismus. Untersucht man aber vergleichende Statistiken, so sind die Unterschiede keineswegs relevant, so daß die referentiell-denotative Stereotypenforschung keine eindeutigen Erklärungsmuster bietet.

Auch das Stereotyp des natürlichen und unkomplizierten Skandinaviers, wie es Gitte, Wencke Myhre und Siw Malmkvist transportierten und in Deutschland bekannt machten, kann referentiell nicht eindeutig erklärt werden. Einige Aspekte beinhalten geographische Begebenheiten und gesellschaftliche Phänomene. So ist Skandinavien ein dünn besiedeltes Gebiet mit weiten Wäldern und vielen Seen. Die Menschen dort haben daher ein viel innigeres Verhältnis zur Natur. Vielleicht läßt sich hier eine Erklärung für die Komponente des natürlichen Skandinaviers sehen. Das unkomplizierte Mädchenhafte, das vor allem Gitte und Wencke Myhre berühmt machte, ist als Stereotyp referentiell schwieriger zu begründen. Doch kann man vermuten, daß das Bild der unbeschwerten Kindheit, wie z. B. bei Astrid Lindgren immer wieder thematisiert, hier Einfluß nimmt. Die Erziehung ist stark durch den Aspekt der Gleichheit geprägt, und so wachsen Kinder in Skandinavien möglicherweise unbeschwerter auf.

Die referentiell-denotative Stereotypenforschung sucht auf diesem Weg Referenzen; die Funktion des Stereotyps basiert so allerdings auf einem naiven Verständnis der Dekodierung und von Sprache, denn es wird vorausgesetzt, daß Sprache Wirklichkeit abbilden kann und daß die Stereotypisierung lediglich auf einem Mangel an Informationen beruht, was sie damit stark veränderbar und auch beseitigbar machen würde. Diese Vorstellung korrespondiert mit denen der aufklärerischen Vorurteilstheorie, in der der Begriff Vorurteil, anders als heute, noch als "Prä-Urteil", also noch zu untersuchendes Urteil angesehen wurde. Ihm folgte dann nach eingehender Untersuchung das wahre Urteil. Somit war klar, daß das Vorurteil aus aufklärerischer Sicht revidierbar sein mußte. Als Grundlage der Stereotypenforschung ist diese Annahme allerdings überholt, denn sowohl in methodischer als auch in sprach-philosophischer und terminologischer Hinsicht gibt es Einwände gegen diese Art der Stereotypenforschung: Die Bildung eines Stereotyps einzig und allein mit referentiell-denotativen Argumenten zu begründen, basiert lediglich auf einer ungerechtfertigten Vereinfachung. Damit handelt es sich um eine naive Semantisierung, die methodisch unwissenschaftlich und auch intellektuell als uninteressant zu bewerten ist. Sprachphi-losophisch gesehen geht die referentiell-denotative Stereotypenforschung von der - ebenfalls naiven - Möglichkeit aus, daß Sprache Wirklichkeit abbilden und wiedergeben kann. Als Gegenargument läßt sich auf die übermächtige Präsenz der Medien, die die Realität eines jeden stark beeinflussen, wenn nicht sogar konstruieren, verweisen. Auch in terminologischer Hinsicht können Argumente gegen eine referentiell-denotative Stereotypenforschung gefunden werden, handelt es sich hierbei doch ganz klar um eine falsche Terminologie: Die untersuchten Phänomene basieren lediglich auf fehlenden Informationen oder Reflexionen und unterliegen noch einem Glauben an Transformationsmöglichkeiten. Dies ist in der Stereo-typenforschung aber als annähernd unmöglich erkannt worden. Die gebildeten stereotypen Kategorien sind äußerst konstant, auch über längere Zeiträume hinweg. So gründet also aus terminologischer Sicht die referentiell-denotative Stereotypenforschung auf einem weiteren Verständnis naiver Art, denn neben Semantisierung und Sprachdefinition ist auch das Ver-ständnis der Stereotypisierung selbst naiv.

3. Zur Rhetorizität

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, prägte Walter Lippmann den Begriff "Stereotyp" in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts. Auch noch im 19. Jahrhundert war der Begriff "Vorurteil" weitgehend aufklärerisch gebraucht worden. Nun betonte die Stereotypen-forschung vor allem denkökonomische, wissenssoziologische und sozialpsychologische Aspekte. Die referentiell-denotative Stereotypenforschung wurde somit von der rhetorischen abgelöst, was eine neue Reflexivität ermöglichte. "Während das Vorurteil die Einstellung gegenüber einem bestimmten Kollektiv bezeichnet, ist das Stereotyp die semiotische Konkre-tisierung dieser Einstellung." (Stephan Michael Schröder, 1996, 6) Die stereotype Kategorien-bildung wurde nun als notwendig erachtet, um den Menschen vor einer Paralysierung durch den immensen Informationsfluß, dem er ausgeliefert ist, zu schützen. Die Welt "da draußen" wird in ihrer Komplexität auf ein Minimum reduziert, so daß der einzelne Mensch handlungs-fähig bleibt. "In the great blooming, buzzing confusion of the outer world we pick out what our culture has already defined for us, and we tend to perceive that which we have picked out in the form stereotyped for us by our culture." (Walter Lippmann, 1965, 55)

Auch die rhetorische Funktion der Stereotypen bezieht referentielle Phänomene mit ein. Bei der Ursachenforschung können diese Aspekte nicht außer acht gelassen werden, allerdings spielen sie nur noch eine untergeordnete Rolle. Das Stereotyp selbst wird nun stärker als Kommunikat begriffen. Stephan Michael Schröder stellt hierzu fest: "Die Bedeutung eines Stereotyps ist also als Interferenz, als Überlagerung zweier Wellen zu begreifen: einerseits die vermeintliche Referenz, die die Elemente des Stereotyps bereitstellt, andererseits die Kommu-nikationsgemeinschaft, die diese vermeintlich referentiellen Elemente zu einer Struktur organisiert." (Stephan Michael Schröder, 1996, 7)

Aufgabe der rhetorischen Stereotypenforschung ist also die Funktion im Kommunika-tionsprozeß in pragmatischer Hinsicht zu untersuchen. Diese neue Dimension fragt z. B.: Was sagt das Heterostereotyp des sexuell freizügigen Schweden über die westeuropäische Kom-munikationsgemeinschaft aus?

Diese zweite Ebene der Stereotypenforschung unterscheidet sich von der ersten, indem der Dekodierungstyp nun funktional ist. Wirklichkeit wird geschaffen. Die Stereotypisierung basiert hierbei hauptsächlich auf denkökononischen Aspekten. Der Mensch muß mit stereotypen Denkstrukturen leben, um überhaupt leben zu können. Auch das Sprach-verständnis, das der rhetorischen Stereotypenforschung zugrunde liegt, unterscheidet sich von dem der referentiell-denotativen Stereotypenforschung, denn Sprache wird hier nicht mehr als purer Reproduzent der Wirklichkeit, sondern Konstrukteur einer Wirklichkeit durch Strukturierung gesehen.

Am Beispiel der skandinavischen Schlagersängerinnen Gitte, Wencke Myhre und Siw Malmkvist läßt sich deutlich sehen, wie Wirklichkeit durch stereotype Produkte geschaffen wird und auch kommerziell eingesetzt werden kann. Das Bild der natürlichen, fröhlichen, teilweise kindlich naiv wirkenden Skandinavierin wird zur täglichen Wirklichkeit der Fern-sehzuschauer. Durch ihre Fernsehpräsenz in den 60er und 70er Jahren beeinflußten Gitte, Siw Malmkvist und Wencke Myhre das Skandinavierinnenbild der Deutschen maßgeblich. Das liebe, nette Mädchen mit dem niedlichen Akzent aus dem Norden wird zum Idol einer ganzen Generation. Die rhetorische Stereotypenforschung kann in Bezug auf den Kommunikations-zusammenhang auch hier die westeuropäische Kommunikationsgemeinschaft untersuchen. Was sagt das Stereotyp der lieben, fast naiven, jungen Skandinavierin über die Kommunika-tionsgemeinschaft aus? Wie erklärt sich der kommerzielle Erfolg dieser Interpretinnen?

Auch der denkökonomische Aspekt der rhetorischen Stereotypenforschung läßt sich am Beispiel nachvollziehen. Da die Komplexität der gesamten nordischen Bevölkerung schwer vorstellbar und reflektierbar ist, wird das liebe, natürliche Mädchen als Repräsentant zum Stereotyp für eine ganze Volksgruppe. Diese Kategorisierung ist Teil eines Weltüberblicks, der nur durch Stereotypisierung möglich ist.

 

 

4. Zur Symbolizität

Jedes Stereotyp oder einzelne Komponenten eines Stereotyps können auch autoreferentielle Eigenschaften entwickeln. Dann erleben sie eine vom ursprünglichen Stereotyp unabhängige Existenz und können syntaktische Verbindungen zu anderen Stereotypen bilden. Dies geschieht insbesondere bei plakativen Stereotypen, die eine starke kommerzielle Eignung und Attraktivität besitzen. Das Stereotyp der blonden Schwedin ist eines dieser auch autoreferentiell existierenden Stereotypen, die sich längst von ihrem Ursprungsland Schweden bzw. ganz Skandinavien entfernt hat, und auf Zeitschriftencovers, in der Werbe- und Filmbranche ein Eigenleben führt. Die blonde Haarfarbe ist seit Marilyn Monroe zum Attribut der Sexbombe geworden. Das frühere Bild der engelhaften Unschuld weicht einer wieder-erkennbaren Ikone für Sexualität. Die Massenmedien und ihre realitätskonstruierende Fähigkeit beschleunigen dies immens und haben auch heute noch größten Einfluß. "Hier bedient man sich reflexiv eines Stereotyps; ein reflexiver Gebrauch von Stereotypen scheint diese also entweder als Stereotypen zu enthüllen oder aber deren symbolisch-emergente Funktion zu stärken – gegebenenfalls auch beides zugleich." (Stephan Michael Schröder, 1996, 9) Das Stereotyp wird hierbei aus dem Kommunikationsprozeß herausgelöst und gewinnt ein Eigenleben, meist mit massenmedialer Funktionalität.

Dieser massenmedialen Funktionalität unterliegen auch Gitte, Siw Malmkvist und Wencke Myhre, die als stereotype Produkte für einen massenmedial gesteuerten Markt produziert wurden. Ihre natürliche, unkomplizierte Art wird kommerziell eingesetzt und somit zur Realität des Konsumenten. Die einzelnen Komponenten haben sich von ihrem ursprünglichen skandinavischen Stereotyp getrennt und werden nun auf die einzelne Interpretin fokussiert. Hier entwickelt sich das Stereotyp autoreferentiell zum Image der jeweiligen Sängerin, das massenmedial transportiert wird und ausschließlich für den kommerziellen Erfolg produziert wurde.

Mit der symbolischen Funktion wurde die Bedeutung der referentiellen und rhetorischen Funktionen des Stereotyps stark eingeschränkt. Das Stereotyp erreicht nun das eigene Auf-tauchen im Vorgang seines Geschichtewerdens, was durch die Massenmedien, die es auf ein Versatzstück reduzieren, stark beschleunigen. Die Sprache wirkt wieder als Konstrukteur einer Realität. Im Unterschied zur rhetorischen Funktion allerdings nicht durch Strukturierung sondern durch Autopoiesis und –referentialität.

 

 

5. Zusammenfassung

Unter dem Begriff "Stereotyp" versteht man feste, starre Kategorien, die wir in unserer Vorstellung bilden und verschiedenen Menschen- bzw. Völkergruppen zuordnen. Es handelt sich dabei um nicht hinterfragte Hypothesen, die niemals wertneutral sind. Positive Stereotypen können Interesse, auch Sehnsüchte wecken; negative Stereotypen können sehr schnell zu Vorurteilen werden. Das Individuum hängt an Stereotypen, geben sie doch durch Kategorisierung einen Weltüberblick: Das Leben ist zu kurz, alles zu erfahren, und es ist dem Mensch eigen, unter jedem Begriff eine Vorstellung zu besitzen.

Die verschiedenen Funktionen des Stereotyps können auf drei unterschiedlichen Ebenen untersucht werden. Die referentielle Ebene nimmt Bezug auf gemeinsame Erfahrungen, sucht nach Referenzen im historisch-ethnischen Bereich. Auf rhetorischer Ebene steht die Kon-struktion von Wirklichkeit durch Sprachstrukturierung im Mittelpunkt. Die Stereotypen er-schöpfen sich allerdings nicht in der Wirklichkeit und entwickeln autoreferentielle Eigen-schaften auf symbolischer Ebene.

Die Untersuchung der verschiedenen Arten der Stereotypenforschung hat ergeben, daß die referentiell-denotative Forschung drei unterschiedlichen naiven Verständnissen unterliegt: einem naiven Verständnis von Semantisierung, von Sprache und von Stereotypisierung selbst. Das macht sie unwissenschaftlich und intellektuell uninteressant. Ein Stereotyp kann also mit referentiell-denotativer Terminologie nicht zufriedenstellend erklärt werden.

In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die referentiell-denotative Stereotypen-forschung dann von der rhetorischen abgelöst. Nun standen Aspekte der Denkökonomie, Wissenssoziologie und Sozialpsychologie im Mittelpunkt. Die Forschung fragte außerdem nach den Kommunikationszusammenhängen, in denen das Stereotyp verwendet wurde.

Durch Gebrauch vor allem in den Massenmedien wird die rhetorische Stereotypenforschung allerdings immer weniger wichtig. Die symbolische Funktion der Stereotypen tut sich hervor, unterstreicht das Auftauchen des Stereotyps und unterscheidet es von seinem ursprünglichen Kommunikationskontext. Das Stereotyp selbst beginnt eine unabhängige autoreferentielle Existenz, die von der symbolischen Stereotypenforschung untersucht wird.

Auch das von den skandinavischen Schlagersängerinnen Gitte, Wencke Myhre und Siw Malmkvist transportierte Stereotyp kann anhand dieser drei verschiedenen Arten von Stereo-typenforschung untersucht und gedeutet werden. So liegen ihm Referenzen zugrunde, die das Entstehen beeinflussen, es aber nicht zweifelsfrei begründen können. Eindeutiger ist der denkökonomische Aspekt, der die weibliche skandinavische Bevölkerung auf wenige Kompo-nenten (natürlich, fröhlich, unkompliziert, kindlicher Charme) reduziert. Im Zusammenhang mit dem Kommunikationsprozeß fragt die rhetorische Stereotypenforschung nach den Aussagen, die über die Bedeutung des Stereotyps in bezug auf die Kommunikationsgemein-schaft gemacht werden. Das stark massenmedial geprägte Stereotyp der Skandinavierinnen gewinnt auch eine symbolische Funktion, haben sich doch einzelne Komponenten des Stereotyps von ihrer geographischen Herkunft Skandinavien getrennt und führen ein auto-referentielles Dasein.

Man kann zusammenfassend sagen, daß Stereotypen immer referentielle Elemente umfassen. Diese werden rhetorisch in Strukturen gebracht, können aber auch unabhängige auto-referentielle Existenzen entwickeln.

QUELLENVERZEICHNIS

 

Holger Burandt: Der Grand Prix Eurovision de la Chanson 1956-1994, Köln 1995

Hans J. Kleinsteuber: Stereotype, Images und Vorurteile – Die Bilder in den Köpfen der Menschen, in: Günter Trautmann (Hrsg.): Die häßlichen Deutschen: Deutschland im Spiegel der westlichen und östlichen Nachbarn, Darmstadt 1991

Walter Lippmann: Public opinion, New York 1965

Mechthild Mäsker: Das Frauenbild im deutschen Schlager 1970-1985, Berlin 1990

Dieter Moll: Die deutschen Schlager der 70er Jahre, Königswinter 1996

Stephan Michael Schröder: More Fun with Swedish Girls? Functions of a German Heterostereotype, in: Ethnologia Scandinavica. A Journal for Nordic Ethnology 27, 1997

Stephan Michael Schröder: Mehr Spaß mit Schwedinnen? Funktionen eines deutschen Heterostereotyps, Arbeitspapiere "Gemeinschaften" Band 3, Berlin 1996

http://www2.hu-berlin.de/gemenskap/inhalt/publikationen/arbeitspapiere/ahe_03_html

 

 

http://www.online.prevezanos.com/schlager