Schwesterstädte Linköping und Norrköping
(21.–29. Mai 2016)
Die Exkursion im Sommersemester 2016 führte gut zwanzig Studierende und Begleitpersonen in eine etwas aus Berliner Sicht vernachlässigte Region Schwedens: Östergötland. Dieses direkt südlich an den Stockholmer Großraum angrenzende län ist sowohl aus historischer als auch aktueller kultureller, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und politischer Sicht äußerst spannend – wie alle Teilnehmenden sicherlich jetzt bestätigen können.
Die Exkursion dauerte vom 21. bis zum 29. Mai und wurde durchgeführt mit drei angemieteten Kleinbussen. Nach Durchrechnen aller Alternativen erwies sich diese Lösung nicht nur als die flexibelste, sondern auch als die preisgünstigste Variante. Auch mit der Unterkunft waren alle sehr zufrieden: Wir wohnten in Einzel- und Doppelzimmern in der Valla folkhögskola, gleich neben der Universität in Linköping, etwas außerhalb des Zentrums von Linköping. Die Unterbringung in zwei Häusern mit großzügigen Kochgelegenheiten und grüner Umgebung (Rasen z. B. zum Kubb spielen geeignet) förderte die Gruppenbildung ungemein.
Zunächst stand die Orientierung in der unmittelbaren Umgebung und die Versorgung mit Proviant im Mittelpunkt: Gamla Linköping, ein feines Freiluftmuseum, wurde zu Fuß erwandert, eine Teilnehmerin führte uns in die Innenstadt und wies auf bedeutende Baudenkmäler (Dom!) hin.
Der Montag galt der Wissenschaft: Unser ERASMUS-Kontakt in Linköpings universitet, Wolfgang Schmidt, führte über den Campus und erläuterte zusammen mit Kolleginnen dortige Schwerpunkte in Lehre, Studienaustausch und Forschung. Die Mittagsfreizeit wurde in den herrlichen, die Universität umschließenden Parks verbracht. Ein etwas längerer Fußmarsch führte ins Mjärdevi Science Center, einer etwas bescheideneren Ausgabe von „Adlershof“ – leider war hier nicht so viel selbst zu erkunden.
Neben dem Standort Linköping besitzt die Universität einen weiteren in Norrköping, wo wir am Dienstag zunächst das Visualiserings-Center besuchten, eine moderne Einrichtung zur Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse an jede Altersstufe. Während einige noch ins Kunstmuseum gingen, erkundeten andere bei herrlichem Wetter die sehr gut erhaltene und restaurierte Innenstadt. Am Nachmittag wurde im Arbetets museum deutlich, welche Wichtigkeit die industriellen Entwicklungen seit dem 19. Jahrhundert für diese Stadt und die Region hatte. Einige machten sich dann noch auf den Weg zu einer großen Anlage mit hällristningar (Felszeichnungen).
Der Mittwoch stand unter dem Motto „Strukturveränderungen in der Region“. Er begann mit einem Besuch in der Redaktion von Corren – der altehrwürdigen Zeitung Östgöta Correspondenten. Wir wurden informiert über die Geschichte der Zeitung, vor allem aber über die Veränderungen von Arbeitsbedingungen, Nachrichtenvermittlungen und Arbeitsrhythmen aufgrund der Digitalisierung in der Medienwelt. Insbesondere der erste Vortrag zur allgemeinen Situation der Zeitung hat wohl alle Teilnehmenden begeistert.
Linköping war der erste große Luftwaffenstützpunkt in Schweden und damit verbunden auch Geburtsort der schwedischen Luftfahrtindustrie, die immer noch weltweit bekannt ist (SAAB). Aber Reduzierungen in den Militäretats, Schwerpunktverlagerungen in der Außenpolitik und insbesondere die zunehmenden Investitionskosten in dieser Branche haben in Linköping viele Arbeitsplätze gekostet und die Bedeutung dieses Wirtschaftszweigs gemindert. Der Besuch im Flygvapenmuseum diente deshalb nicht nur dazu, sich einen Einblick in die Geschichte der Flugzeugherstellung zu verschaffen, sondern auch dazu, die politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen von Aufstieg und beginnendem Niedergang zu diskutieren. Sehr beeindruckend war die Sonderausstellung zum Abschuss der schwedischen DC3 vor der russischen Küste 1952, einem Spionageflugzeug, dessen Schicksal lange Zeit ungeklärt geblieben war und dessen Wrack 2003 auf dem Ostseegrund entdeckt worden war, und hier mit zahlreichen Originaldokumenten aus der damaligen Zeit (Untersuchungsberichten, Radaraufzeichnungen, Gesprächsmitschnitte) ausgestellt wurde. Fast alle, die einen Besuch dieses als Militärmuseum angesehenen Ortes im Vorfeld heftig abgelehnt hatten, empfanden den Besuch abschließend doch als lohnend.
Der Donnerstag stand unter dem Motto „Vadstena und die frühe Geschichte Östergötlands“. Vadstena war religiöses, politisches und kulturelles Zentrum seit dem 12. Jahrhundert bis in die frühe Neuzeit hinein. Am Vättern gelegen, erhielt es zunächst überragende religiöse Bedeutung durch das Wirken des auf den Ideen der Heiligen Birgitta fußenden Klosters, das über die Grenzen Schwedens hinaus wirksam war. Kirche und Schloss sowie der nahe gelegene Göta-Kanal weisen auf die weiter wirkende Bedeutung dieses heute kleinen und überschaubaren Ortes hin.
Auf dem Weg zur Wohnanlage der bedeutenden Pädagogin, Publizistin und auch politisch wirksamen Ellen Key genossen wir die Fahrt durch die Wald- und Strandlandschaft am Vättern. Mit dem Alvastra kloster, der Heda- und der Skänninge-Kirche erkundeten wir wichtige religiöse Stätten in der Nachbarschaft von Vadstena. Ein weiterer Höhepunkt der Exkursion war die Besichtigung, Interpretation und historische Einordnung des größten Runensteins Schwedens, dem Röksten.
Am Freitag führte der Weg wieder südlich in einen anderen Teil Östergötlands: In Kisa wurde das kleine, aber feine und mit viel Idealismus aufgebaute Emigrantmuseet besichtigt sowie im dort befindlichen Café Columbia eine Kaffeepause eingelegt. Mit Vimmerby und Katthult wurde in zwei spontan besuchten Orten der Erinnerung an die von Astrid Lindgren geprägte Kindheit gehuldigt.
Alle unsere Besuchspunkte waren in der vorbereitenden Praxislehrveranstaltung bereits vorgestellt worden und wurden vor Ort in zum Teil sehr engagierten Vorträgen von den Studierenden noch einmal näher betrachtet.
Die Rückreise erfolgte am Sonnabend, jedoch nicht wie auf der Hinfahrt auf der schnellsten Route über Helsingborg, sondern dieses Mal mit einer landschaftlich etwas attraktiveren Fahrt durch Småland und Skåne, inklusive fika in Södra Rörum und die für einige erste Fahrt über die Öresundsbro. Leider hatte die gebuchte Fähre in Gedser ungewöhnlicher Weise Verspätung, so dass wir erst nach Mitternacht wieder in Berlin eintrafen. Trotz dieser zum Schluss etwas nervenaufreibenden Fahrt: Die Evaluation der Exkursion hat ergeben, dass nicht nur der Informationsertrag weit höher war als von den meisten erwartet. Die Entscheidung, mit Kleinbussen zu fahren, hat eine große Flexibilität in der Organisation einzelner Programmpunkte ermöglicht, außerdem den Einkauf sehr erleichtert – denn es wurde an jedem Abend sehr lecker gekocht (wie in jeder WG üblich – gab es leider beim Aufräumen und Abwaschen so das eine und andere Problem). Das Wetter war hervorragend, die Stimmung insgesamt locker und heiter.
Fotos: Romy Fürstenau, Sanja Hame, Tomas Milosch, Marieke Preußer, Annika Speckhan, Reinhold Wulff