Humboldt-Universität zu Berlin - Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät - Nordeuropa-Institut

Exkursion 2023

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Text:
Georg Benger
Fotos: Georg Benger, Ivy Kräuter, Frederik Witte

Oslo – Bergen – Trondheim
13.–21. Mai 2023

13. Mai, Berlin → Oslo

Abflug vom BER, 9:30 Uhr. Nachdem sich alle Kursteilnehmer*innen versammelt hatten, begann unter der Leitung von Ralph Tuchtenhagen (Professor für Skandinavistik/Kulturwissenschaft), Lukas Rösli (Juniorprofessor für Skandinavistik/Mediävistik) unsere Reise in den Norden: Süd- und Mittelnorwegen.

Foto: Oper in Bjørvika, Georg Benger
Foto: Oper in Bjørvika, Georg Benger

Konstruktion von Identität(en) vom Mittelalter bis in die Gegenwart, so der thematische Hintergrund. Auf einer 8-tägigen Städtereise besichtigten wir die Stationen Oslo – Bergen – Trondheim. Die frühsommerliche Ankunft im Anker-Hostel Oslo, welches im Stadtteil Sentrum/Grünerløkka liegt, bot uns noch vor dem Einchecken die Möglichkeit, das neue Hafenquartier, das Friedensnobelpreismuseum und das Rathaus zu sehen. Darüber hinaus die Oper in Bjørvika, danach Akershus slott og festning. Die im April 2008 vom Architekturbüro Snøhetta fertiggestellte Oper wurde als Baudenkmal der Nachkriegszeit einem treibenden Eisberg gewidmet. Reflektierender, weißer Carrara-Marmor unter unseren Füßen. Fast unwirklich und surreal, eine faszinierende Konstruktion, diese Oper.

Foto: Blick auf den Oslo-Fjord, Frederik Witte
Foto: Blick auf den Oslo-Fjord, Frederik Witte

Die Aussicht war einzigartig mit Blick auf den Oslo-Fjord, danach ging es schnellen Schrittes weiter zur Festung Akershus, welche König Håkon V. Magnusson im 14. Jahrhundert hatte errichten lassen. Später wurde die Burganlage weiter ausgebaut und überlebte einige Belagerungen. Unter gleißender Sonne pilgerten wir die Anlage hinauf und hinunter, passierten die Burgtore und genossen den ersten Tag in Oslo. Zu besuchen sind dort zum Beispiel auch das Verteidigungsmuseum und das norwegische Heimatfrontmuseum sowie unter anderem die Konzert- und Theaterbühne Karpedammen.

Oslo liegt im Süden Norwegens am Ende des Oslofjords. Die Stadt erstreckt sich über eine Fläche von rund 480 Quadratkilometern, über eine Reihe von Hügeln und bewaldeten Gebieten. Die Stadt wurde im Jahr 1040 gegründet und hat im Laufe der Jahrhunderte eine bedeutende Rolle in der norwegischen Geschichte gespielt. Bevor Oslo 1299 n.Chr. zur Hauptstadt erkoren wurde, waren die historischen Hauptstädte Norwegens zuerst Trondheim von 1030 bis 1217, danach Bergen von 1217 bis 1299. Bekannt ist die Stadt auch für ihre Bemühungen um Nachhaltigkeit und grüne Initiativen. Insbesondere setzt sie sich aktiv für den Umweltschutz ein und strebt an, bis 2030 klimaneutral zu sein.

Nach dem ersten Stadtrundgang stand Einkaufen auf der Agenda. Erwartungsgemäß gestaltete sich das als kostspielige Angelegenheit. Norwegen ist teuer. Warum? Hohe Lebenserhaltungskosten, unglaublich hohe Einkommen aber auch Steuern, Transport- und Logistikkosten aufgrund der geografischen Lage und zu guter Letzt: strenge Regulierungen. Insbesondere gilt Letzteres dem Verkauf von Alkohol, der bis auf wenige Märkte in staatlich kontrollierten Geschäften („Vinmonopol“) erhältlich ist.

Zur Nachmittagszeit gelangten wir zurück ins Hostel, bezogen unsere Zimmer und waren rundum geschafft von der Hinreise. Ein gelungener erster Tag, alle schienen sehr hyggelig. Der Abend klang für einen Teil mit Kaltgetränken auf der Dachterrasse aus, von der man einen atemberaubenden Ausblick über Oslo genießen konnte, für andere mit dem ESC in internationaler Gesellschaft in der Lobby.

 

14. Mai, Oslo

Foto: Fram-Museet von innen, Frederik Witte
Foto: Fram-Museet von innen, Frederik Witte

Museen standen auf dem Programm. Treffen vor dem Hostel, dann ging es Richtung Hafen, wieder fantastisches Wetter. Wir stiegen in eine kleine Fähre ein und schipperten zur Halbinsel Bygdøy. Dort erwartete uns ein Vortrag von Ivy Kräuter aus unserer Exkursionsgruppe über das legendäre Forschungsschiff „Fram“, dessen gleichnamiges Museum auf Bygdøy angesiedelt ist. Die Fram war das Schiff, das Fridtjof Nansen (1861–1930) bei seiner berühmten Fram-Expedition (1893–1896) benutzte. 1892 von ihm entworfen und gebaut, entwickelt speziell für Expeditionen in die arktischen und antarktischen Regionen. Das Schiff war bekannt für seine außergewöhnliche Stärke und Fähigkeit, Eis zu brechen und somit neue Regionen erschließen zu können. Später wurde die Fram auch von anderen Polarforschern wie Roald Amundsen (1872–1928) und Otto Sverdrup (1854–1930) genutzt. Das Schiff spielte eine wichtige Rolle bei der Erforschung der Polarregionen und trug wesentlich zum Verständnis des Arktischen Ozeans bei. Die Halbinsel beherbergt weitere renommierte Museen, darunter das Wikingerschiffsmuseum, das Kon-Tiki-Museum und das Norwegische Seefahrtsmuseum.

Foto: Fram-Museet, Georg Benger
Foto: Fram-Museet, Georg Benger

Um 14:00 Uhr trafen wir Karl Johansson, einen schwedischen Professor für Altnordische Philologie an der Uni Oslo. Sein Forschungsinteresse widmet sich der Kultur altisländischer Manuskripte, darüber hinaus leitete er die vergangenen vier Jahre das Forschungsprojekt „Translation, Transmission and Transformation. Old Norse Romantic Fiction and Scandinavian Vernacular Literacy 1200–1500.“

Besichtigung des Campus. Dort liegt unter anderem die Universitätsbibliothek Oslo, die eine der größten wissenschaftlichen Bibliotheken in Norwegen ist. Sie beherbergt eine umfangreiche Sammlung von Büchern, Zeitschriften, digitalen Ressourcen und anderen Medien in verschiedenen Fachgebieten. Die Bibliothek bietet den Studierenden, Forschern und der Öffentlichkeit Zugang zu Informationen und Dienstleistungen für ihre akademische Arbeit, vergleichbar mit dem Grimm-Zentrum der HU.

Nach der Campus-Führung spazierten wir ein wenig weiter und ließen den Tag ausklingen.

 

 

 

 

 

 

15. Mai, Oslo

Foto: Karl Johans Gate og slottet, Frederik Witte
Foto: Karl Johans Gate og slottet, Frederik Witte

Wenn man in Oslo ist, muss man auf Karl Johans Gate gewesen sein. Das ist die Hauptstraße, die vom Osloer Hauptbahnhof bis zum Königlichen Schloss führt. Sie wurde im Jahr 1852 benannt nach dem schwedisch-norwegischen König Karl III. Johan (Jean Bernadotte) (Amtszeit 1818–1844). Karl III. Johan spielte eine entscheidende Rolle bei der Anerkennung der Unabhängigkeit Norwegens von Dänemark. Nach den Napoleonischen Kriegen wurde Norwegen 1814 im Vertrag von Kiel von Dänemark an Schweden übergeben. Karl III. Johan akzeptierte die norwegische Unabhängigkeit jedoch nicht und strebte die Union zwischen Norwegen und Schweden an.

Gesagt – getan, wir wanderten die Straße hinauf bis zum Schloss und erledigten dabei die „Oslo Challenge“, die uns eine Reihe wichtiger Namen und Daten offenbarte. Darunter die steinernen Statuen vor dem Nationaltheater, die den norwegischen Dramatikern Henrik Ibsen und Bjørnstjerne Bjørnson aus dem 19. Jahrhundert gewidmet sind.

Etwas später dann Führung durch die „Nasjonalbibliotek“ mit Jóhanna Katrín Friðriksdóttir und Johanne Ostad, die ehemals am NI studiert hatte und dort in der Sprachwissenschaft zum Thema Zweisprachigkeit bei Kindern mit Down-Syndrom (2008) promovierte.

Foto: Georg Benger
Foto: Georg Benger

Die Führung gestalteten die beiden durch einen Abriss historischer Bücher und Manuskripte und einer beeindruckenden Sammlung mittelalterlicher Handschriften (die wir aus Rechtsgründen nicht anfassen durften, aber eigentlich Gang und gäbe sei). Dazu gehörten seltene und wertvolle Werke aus verschiedenen Epochen und Disziplinen. Dank der nachträglichen Recherchen von Lukas Rösli hier ein kurzer Überblick über einige der dort ausgestellten Exemplare, von Lukas mit Beschreibungen und Verlinkungen versehen:

Foto: Vigelandspark, Georg Benger
Foto: Vigelandspark, Georg Benger

Die jahrhundertealten Pergamenthandschriften wurden anschließend in fachgerechten Schutzverpackungen gesichert, denn auf demselben Tisch sollten anschließend Gebäck und Kaffee serviert werden, fast ein bisschen befremdlich. Gebannt beobachteten wir das Geschehen, Lukas teilte uns noch mit, dass ebenjene Handschriften durch Papierentsäuerung und Trockenreinigung besonderen Schutz genießen würden.

Nach der Kaffeerunde schlenderten wir weiter, überfielen den Souvenirshop, manche nahmen den Umweg über die Ausstellung zu norwegischem Black Metal (https://www.nb.no/blackmetal/). Draußen angekommen: der nächste Kaffee. In der Regel bezahlt man im Übrigen zwischen 35 und 45 norwegischen Kronen für eine Tasse in Oslo. Das entspricht etwa 3,50 – 4,50 Euro.

Weiter ging es Richtung Vigelandspark, der sich im Frognerpark befindet (etwa 3 Kilometer westlich des Stadtzentrums). Auch zu diesem Kulturdenkmal hatte Ivy ein Referat vorbereitet. Der Park wurde vom norwegischen Bildhauer Gustav Vigeland (1869–1943) entworfen und gestaltet. Vigeland war einer der bedeutendsten Bildhauer Norwegens und bekannt für seine monumentalen Skulpturen. Der Park besteht aus einer beeindruckenden Sammlung von mehr als 200 von Vigeland geschaffenen Skulpturen. Sie umfassen menschliche Figuren in verschiedenen Posen, Altersstufen und Ausdrucksformen. Hauptthema der Skulpturen sind der menschliche Körper und das menschliche Leben – für einige verstörend, aber dennoch hochinteressant. Die Themen umfassen Liebe, Familie, Geburt, Tod, Konflikte und Harmonie, während jede Skulptur eine Geschichte erzählt oder eine bestimmte Emotion ausdrückt.

Foto: Dachterrasse Anker-Hostel, Fredrik Witte
Foto: Dachterrasse Anker-Hostel, Fredrik Witte

Nach ausschweifenden Debatten, Diskussionen, Interpretationen über Vigelands teilweise verstörenden Skulpturen und ausschweifender Kunstkritik machten wir uns auf den Rückweg. Die Läden hatten geschlossen, also ging es ins Restaurant oder in den Kiosk. Untergehende Sonne und viele Menschen auf den Straßen, es war ein schöner letzter Tag in Oslo. Einige verbrachten die letzten Stunden erneut auf der Dachterrasse, ehe wir zu Bett gingen, denn es stand die große Zugfahrt (6 Stunden) nach Bergen vor der Tür. Matpakke vorbereitet, Koffer gepackt, Licht aus.

 

 

 

16. Mai, Oslo → Bergen

7:45 Uhr, wir mussten uns beeilen, checkten aus. Zimmerkarten gingen über den Tresen der Rezeption. Etwas mühselig schleppten wir unsere Koffer nach unten (wir hatten noch keinen Kaffee getrunken). Dann direkt auf Richtung Oslo Sentralstasjon, dem Osloer Hauptbahnhof. In der morgendlichen Sonne wuchs die Vorfreude, dann hinein in den Bahnhof, dann in den Zug, dann auf den Sitzplatz. Check. Der erste Stress vorüber.

Jana Kley und Berthold Peitsch hatten ein ausgesprochen schönes Plakat zur „Bergensbanen“ gestaltet und ein Referat über die Geschichte dieses Zuges vorbereitet. Die Planung für die Bergensbanen begann Ende des 19. Jahrhunderts, als die Idee entstand, eine Eisenbahnstrecke zwischen der Hauptstadt Oslo und der westnorwegischen Stadt Bergen zu errichten. Der Bau begann im Jahr 1894 und war technisch hoch anspruchsvoll, da die Strecke durch gebirgiges Gelände und schwierige klimatische Bedingungen führte.

Der Schaffner stieg ein, der Zug fuhr los. Ehe man sich versah: Hochgebirge, Schnee, Hütten, Fjorde, wildes raues Norwegen, erstaunte Gesichter, blitzende Handykameras. Ein unglaubliches Highlight und eine der schönsten Zugstrecken der Welt. Die Strecke führte durch zahlreiche Tunnel (es sind sagenumwobene 182!) und über mehrere hohe Gebirgspässe, darunter die Hardangervidda, eines der größten Hochplateaus Europas. Es wurden Brücken, Viadukte und Schutzdämme errichtet, um die Strecke stabil und sicher zu machen. Der mit einer Länge von ca. 10.647 Metern längste Tunnel ist der Finsetunnel in der Gemeinde Ulvik in Vestland.

Foto: Bergensbanen-Ausblick, Georg Benger
Foto: Bergensbanen-Ausblick, Georg Benger

Wir starrten aus den Fenstern. Der Versuch, eine Seite in einem Buch zu lesen, scheiterte fast jede zweite Sekunde an der Kulisse, die sich vor uns auftat. Der Druckunterschied für die Ohren war unfassbar, die Höhenmeter, die der Zug erreichte, spektakulär. Der höchste Punkt des zu überquerenden Gebirges liegt bei ca. 1273 Metern über dem Meeresspiegel. Während der Fahrt hielt Henriette Brietzke einen Vortrag über die Hardangervidda und friluftsliv.

Friluftsliv ist ein norwegisches Konzept, das wörtlich übersetzt „Leben im Freien” bedeutet. Es ist eng mit der norwegischen Kultur verbunden und betont die Bedeutung des Kontakts mit der Natur und des Genießens von Aktivitäten im Freien. Friluftsliv beinhaltet Wandern, Camping, Angeln, Skifahren, Kajakfahren und andere Outdoor-Aktivitäten. Allerdings setzt bei dem Terminus eine ähnliche Übersetzungsschwierigkeit wie bei der altbekannten Hygge ein, denn es handelt sich schlicht um ein exklusiv skandinavisches Lebensgefühl.

6 Stunden fühlten sich wie 6 Minuten an. Auf einmal waren wir da, in Bergen, zwischen den Bergen. Am Bahnhof angekommen, machten wir uns auf den Weg zum Hotel Hordaheimen, nahe dem Stadtzentrum. Zimmerverteilung, Einchecken, zurück nach draußen.

Foto: Bryggen, Georg Benger
Foto: Bryggen, Georg Benger

Es war bewölkt, ca. 10–15 Grad warm. Typisches Bergenwetter. Hier pflegt man zu sagen, dass es kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung gibt. Wortwörtlich: Det finnes ikke dårlig vær, men bare dårlig klær. Wir besichtigten Bryggen und das Hafenquartier. Bryggen ist ein UNESCO- Weltkulturerbe und besteht aus einer Reihe von farbenfrohen Holzhäusern, die entlang des Hafenbereichs von Bergen stehen. Das Viertel stammt aus dem 14. Jahrhundert und war einst das Handelszentrum der Hanse. Die charakteristische Architektur der Gebäude mit ihren schiefen Winkeln und engen Gassen verleiht Bryggen einen einzigartigen Charme. Bergen ist von einer atemberaubenden Landschaft umgeben. Die Stadt liegt am Byfjord, inmitten von sieben Hügeln, die einen spektakulären Blick auf die Umgebung bieten. Die Berge, Fjorde und Wasserfälle der Region machen Bergen zu einem beliebten Ziel für Naturliebhaber und Outdoor-Enthusiasten.

Auflistung der Berge in Bergen:

  • Fløyen
  • Ulriken
  • Damsgårdsfjellet
  • Løvstakken
  • Rundemanen
  • Lyderhorn

Wir gingen in gesammelter Mannschaft einkaufen und verzweifelten an den Preisen. Der Tag endete in geselliger Runde im Hotel. Dann Licht aus, der 17. Mai stand vor der Tür.

 

17. Mai, Bergen: Hurra – es ist grunnlovsdag!

Auf einmal wird aus Norwegen eine Partyhochburg. Der 17. Mai („Syttende mai“) ist der Nationalfeiertag. 1814 wurde an diesem Tag die norwegische Verfassung unterzeichnet, und Norwegen erlangte seine Unabhängigkeit von Dänemark. Obwohl Norwegen zu dieser Zeit noch in einer Union mit Schweden war, wurde der 17. Mai seit 1814 als Tag der norwegischen Nationalidentität und des Stolzes gefeiert. Und wir feierten mit.

Foto: Bryggen, 17.-Mai-Parade, Georg Benger
Foto: Bryggen, 17.-Mai-Parade, Georg Benger

Auf dem Weg zum Treffen mit Eike Schnall (Professor für Nordistik/Altnordisch an der Universitetet i Bergen) erblickten wir Frauen, gekleidet in „Bunad“ und „Festdrakt“, Männer in Anzügen. Das war der Dresscode. Eine Bunad ist eine traditionelle norwegische Tracht, bestehend aus einem meist handgefertigten Kleid oder einem Ensemble, das oft mit aufwändigen Stickereien, Schmuck und Accessoires verziert ist. Die Bunad wird von beiden Geschlechtern getragen und ist ein Ausdruck des Stolzes auf die norwegische Tradition und Kultur. Jede Region Norwegens hat ihre eigene Bunad und fungiert so als identitätsstiftendes Medium.

Eike blieb neben den Hansekontoren stehen. Hinter uns setzte sich eine Parade in Bewegung, die Lukas' Aussage zu Folge bis zu acht Stunden andauern kann. Wir winkten, und die Paradenteilnehmer winkten zurück. Laute traditionelle Korps-Musik, bunte Farben, überall Flaggen. Patriotismus in seiner Höchstform, aber das funktioniert in Norwegen, ohne auszuufern.

Foto: Snorri Sturluson, Georg Benger
Foto: Snorri Sturluson, Georg Benger

Der Tag war den Festlichkeiten gewidmet, die Straßen waren überfüllt wie an einem Donnerstagnachmittag in Berlin-Mitte. Wir hatten uns kleine Holzflaggen gekauft (kosteten nur schlappe 5 Euro das Stück, nichts Wildes). Dann begaben wir uns ins Geschehen, besichtigten aber vorerst noch die Statue von Snorri Sturluson, auf die Lukas hinwies. Snorri war ein isländischer Gelehrter des 13. Jahrhunderts (weitere Berufsbezeichnungen: Dichter, Historiker, Politiker). Sein bekanntestes Werk ist die „Prosa-Edda” (Autorzuschreibung aus dem 17. Jahrhundert), eine Sammlung von Erzählungen, Dichtkunst und poetischen Regeln, die eine wichtige Quelle für die nordische Mythologie und die Skaldendichtung darstellt. Die „Prosa-Edda” bietet Einblicke in die nordische Götterwelt, ihre Helden und das komplexe System der Skaldendichtung.

 
Foto: Blick vom Fløyen, Frederik Witte
Foto: Blick vom Fløyen, Frederik Witte

Am Nachmittag kraxelten wir den Fløyen hinauf bzw. nahmen die Drahtseilbahn. Die Straßen in Bergen sind sehr diffus angelegt, es gibt viele „Schleichwege“, und so mussten wir den Einstieg des Wanderpfades erst einmal finden. Eike erzählte, dass er ausgewandert sei, daher kannte er sich bestens mit der Stadt aus. Oben angekommen, kramten wir unser Grillgut aus, machten es uns gemütlich und genossen den Sonnenuntergang. Vom Fløyen hatten wir eine wunderbare Sicht auf die Stadt.

Gesättigt und mit Vorfreude auf den Abend machten wir uns später auf den Rückweg, einige Kursteilnehmer*innen wurden dabei von freilaufenden Ziegen verfolgt, das war ein Anblick für die Götter. 21 Uhr eskalierte die Stimmung in ekstatischer Manier: Feuerwerk, noch mehr Menschen in Bunad. Man verlor sich im Gemenge, gab sich knappe Handzeichen, um kommunikatives Geschick zu beweisen. Irgendwann landeten wir wieder im Hotel. Was für ein Tag!

 

18. Mai, Bergen

Foto: Håkonshalle, Frederik Witte
Foto: Håkonshalle, Frederik Witte

Nachdem wir ein wohltuendes und revitalisierendes Frühstück genossen hatten, das uns Energie wiedergab, machten wir uns auf zur Museumstour. Die Stadt war leergefegt. An den Hansekontoren angekommen, hielten Sarah Große und Bärbel Pobloth ein Referat über die Hanseatische Vereinigung, deren Geschichte und Ausbreitung sowie Bedeutung für Bergen. Erste Station danach: die Håkonshalle (Håkonshallen), eine beeindruckende mittelalterliche Halle in Bergen. Sie wurde im späten 13. Jahrhundert unter König Håkon Håkonsson (1204–1263) erbaut. Die Halle diente als königlicher Palast und Festsaal. Die Halle besticht durch massive Architektur, die reich verzierten Holz- und Steinmetzarbeiten sowie die gotischen Elemente.

Rosenkrantztårnet ist ein historischer Turm, der Teil der mittelalterlichen Verteidigungsanlage Bergenhus festning (aus dem 13. Jahrhundert) in Bergen ist. Der Turm wurde 1560 vom Schlosshauptmann zu Bergenhus, Erik Rosenkrantz, erbaut und diente als Residenz für den königlichen Verwalter und als Verteidigungsbauwerk.

Foto: Sandviksfjellet, Frederik Witte
Foto: Sandviksfjellet, Frederik Witte

 

 

Danach Bryggens Museum. Dieses ist in einem restaurierten Teil der alten Hanseatischen Kontore untergebracht. Es präsentiert Artefakte und Ausstellungen, die die Geschichte und Bedeutung von Bryggen als Handelszentrum während des Mittelalters beleuchten. Man kann dort historische Gegenstände, Überreste von Gebäuden, Werkzeuge, Kunstwerke und Informationen über den Handel, die Kultur und das Leben in dieser Zeit erkunden.

Foto: Fantoft Stavkirke, Frederik Witte
Foto: Fantoft Stavkirke, Frederik Witte

 

 

Nach dem Museumsbuch spaltete sich die Gruppe und erlebte Bergen individuell. Stadtrundgang, Stabkirche Fantoft, Wanderung. Den Möglichkeiten war keine Grenze gesetzt.

 

 

 

 

 

 

 

19. Mai, Bergen → Trondheim

Frühstück um 6:30 Uhr, dann schnell zum Bus. Unsere letzte Station wartete: Trondheim. Norwegens erste Hauptstadt. Die Maschine von Norwegian Air hob ab und durchbrach die Wolkendecke, ließ den Regen hinter sich. Ehe man „Henrik Ibsens ripsbærbusker og andre russiske buskvekster“ sagen konnte, setzte der Flieger zur Landung an. Es folgte mit sonorer Stimme eine kurze Wetterprognose des Flugpersonals, dann ging es in den Bus. Wir fuhren eine Station zu weit, liefen zum Hotel Thon zurück und checkten ein letztes Mal auf dieser Reise ein. Es breitete sich ein Gefühl der Melancholie aus. Anders als in Bergen herrschten in Trondheim wieder frühsommerliche Temperaturen.

Foto: Bryggen in Trondheim, Frederik Witte
Foto: Bryggen in Trondheim, Frederik Witte

Aufgrund der begrenzten Öffnungszeiten entschieden wir, die ausgiebige Stadtführung auf den nächsten Tag zu versetzen. Wir zogen auf eigene Faust los und erforschten die Stadt – Cafés und Antiquitätengeschäfte, Sehenswürdigkeiten wie den Nidarosdom, die Gamle Bybro und die Festung Kristiansten. Trondheim wurde im Jahr 997 von König Olav Tryggvason gegründet und war lange Zeit die Hauptstadt Norwegens. Während des Mittelalters war Trondheim ein wichtiges politisches, religiöses und kulturelles Zentrum. Die Stadt war der Sitz der norwegischen Könige und des Erzbischofs von Nidaros, der wichtigsten religiösen Institution in Norwegen.

 

20. Mai, Trondheim

Das Frühstück ähnelte dem Angebot eines 5-Sterne-Luxusrestaurants. Energiegeladen begann der Tag mit einer ausgesprochen gut strukturierten Stadtführung. Trondheim hat eine enge Verbindung zum Fluss Nid, auch als Nidelva bekannt. Die Nid fließt direkt durch das Stadtzentrum, was eine strategisch günstige Lage für Handel und Transport bot. Der Fluss ermöglichte den Zugang zum Meer und erleichterte den Handel mit anderen Städten entlang der Küste und im Inland.

Foto: Bakklandet in Trondheim, Ivy Kräuter
Foto: Bakklandet in Trondheim, Ivy Kräuter

Unter anderem besichtigten wir Bakklandet, ein charmantes und malerisches Viertel in Trondheim, das für seine gut erhaltenen Holzhäuser und kopfsteingepflasterten Straßen bekannt ist. Es befindet sich auf der östlichen Seite des Flusses Nid, gegenüber dem Stadtzentrum. Bakklandet hat eine reiche Geschichte und war einst ein Arbeiterviertel. Heute ist es ein beliebtes Viertel für Touristen und Einheimische, die die engen Gassen, gemütlichen Cafés, kleinen Boutiquen und den entspannten Charme der Nachbarschaft genießen möchten.

Abstecher ins Café, dann weiter zur alten historischen Stadtbrücke, der sogenannten „Gamle Bybro“. Der Aussage unserer Stadtführerin zufolge verspräche ein Kuss auf dieser Brücke „evig kjærlighet“. Es handelt sich um eine Bogenbrücke aus Stein, die über die Nid führt und das Stadtzentrum von Trondheim mit dem Stadtteil Bakklandet verbindet. Die Brücke hat eine Länge von etwa 50 Metern. Sie besteht aus Granitblöcken und verfügt über charakteristische rote Holzhäuser auf beiden Seiten, die ihr ein markantes Aussehen verleihen. Die Gamle Bybro wurde im Rahmen der Stadtrekonstruktionen unter der Leitung von Johan Caspar von Cicignon im Jahr 1681 erbaut. Aufgrund ihrer militärischen Bedeutung übernahm der König die Kosten für den Bau. Die Brücke wurde 1685 fertiggestellt und bestand ursprünglich aus Holz, das auf drei Steinpfeilern ruhte.

Foto: Nidarosdom, Georg Benger
Foto: Nidarosdom, Georg Benger

Etwas später ging es zum Nidarosdom, dem Highlight der Stadt, zugleich berühmteste Kirche/Kathedrale Norwegens. Anna Dmitrienko hielt einen Vortrag über dieses majestätische Bauwerk. Die imposante gotische Kathedrale ist die Grabstätte des heiligen Olav (Krönung 1015 n.Chr., † 1030) und ein bedeutender Wallfahrtsort. Der heilige Olav, auch bekannt als Olav II. Haraldsson war eine bedeutende historische und religiöse Figur in Norwegen. Eine der herausragenden Leistungen von Olav war die Förderung des Christentums in Norwegen. Er war ein entschiedener Anhänger des Christentums und bemühte sich, das Heidentum in Norwegen zu bekämpfen und das Christentum als Staatsreligion zu etablieren. Unter seiner Herrschaft erfolgte die weitgehende Christianisierung Norwegens.

Die Exkursion neigte sich dem Ende zu, und wir genossen die letzten Stunden in der Stadt und im Hotel. Die Nacht war kurz, wir brachen um 4:15 Uhr am 21. Mai auf. Ha det bra, Norge!

Im Namen aller Teilnehmenden sind Dörte Linke, Ralph Tuchtenhagen, Lukas Rösli und Tomas Milosch für diese ausgesprochen schöne Reise zu danken. Ob Sprache/Dialekt, Kultur/Tradition und Natur, Geschichte und Religion – für das weitere Studium in der Skandinavistik werden wir noch oft und gern auf diese Erlebnisse und Erfahrungen zurückgreifen können.

 

Ein Reisebereicht von Georg Benger, Berlin, 28.5.2023