Humboldt-Universität zu Berlin - Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät - Nordeuropa-Institut

Susanne Storbeck
Neuere Ansätze der oral studies und folkeviser.
Untersuchungen am Beispiel der dänischen vise »Tord af Havsgaard«

Mündliche Dichtung aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit ist seit jeher ein Forschungsthema, welches viele Fragen offen lässt. Aufgrund der Tatsache, dass uns heute lediglich mehr oder weniger zufällig überlieferte Texte für die Analyse zur Verfügung stehen, die einstige Aufführung aber auch von Tanz, einem Instrument und sogar Interventionen des Publikums begleitet wurde, ist uns nur ein Bruchteil der performance bekannt. Die oral-poetry-Forschung beschäftigt sich mit eben dieser Problematik. Seit den 1970ern verlagerte die Forschung ihren Fokus von der reinen Textanalyse zur Kontextualisierung. Dies beinhaltet die Einbettung der einzelnen Variante in den Überlieferungszusammenhang. Es wird der Versuch gemacht, möglichst viel vom Umfeld, der Aufführungssituation und sogar der Art der Rezipienz aus dem Text herauszulesen. In der vorliegenden Arbeit werden drei verschiedene Ansätze aus diesem Gebiet vorgestellt und auf ein Beispiel der folkeviser, die Kæmpevise »Tord af Havsgaard« angewandt. In diesem Sinne finden hier Lars Lönnroth mit »Den dubbla scenen« (1978), John M. Foley mit »The singer of tales in performance« (1995) und Hildegard Tristrams Theorie der Reoralisierung (1996) Beachtung. Es wird untersucht, inwiefern sich diese neueren Forschungsansätze von den älteren unterscheiden und auf die folkeviser anwenden lassen. Ob sich daraus neue Erkenntnisse gewinnen lassen oder ältere Thesen widerlegt werden müssen, ist die wichtigste Fragestellung dieser Arbeit.