18. Arbeitstagung der deutschsprachigen Skandinavistik (ATDS) |
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In der Anthropologie und Geschichtswissenschaft sind in den letzten Jahren Rhythmen als eines der wesentlichen Fundamente menschlicher Bedeutungskonstituierung zu einem zentralen Forschungsgegenstand avanciert. Sowohl das kollektive als auch das individuelle Gedächtnis werden durch Rhythmisierung strukturiert. Historiographische Texte strukturieren die Abfolge ihrer Ereignisse nach bestimmten Auswahlkriterien wie Jahren, Ereignissen besonderer Natur oder Herrschergeschlechtern. Die altnordische annalistische Geschichtsschreibung beispielsweise wird unter anderem durch die Erwähnung klimatischer und ökonomischer Ausnahmesituationen wie Hungersnöte und Kältejahre gegliedert. Das individuelle Erinnern wird dagegen durch mnemotechnische Verfahren strukturiert, mithilfe derer große Stoffmengen verfügbar gemacht werden. Auch die Verfasser von Texten stärker literarischer Natur, gleich ob in Prosa oder gebundener Sprache, bedienen sich zur Strukturierung ihres Erzählstoffes Rhythmen verschiedenster Art. Dabei muß zunächst zwi-schen textexternen und poetologischen Rhythmisierungselementen un-terschieden werden. Erstere können darüber hinaus in natürliche Rhyth-men – beispielsweise den Lauf der Gestirne und die Lebenszyklen in Fauna und Flora – und solche kultureller Art – wie etwa kirchliche Rituale oder auch Stundeneinteilungen – unterteilt werden. Poetologische Rhythmen lassen sich auf allen Ebenen eines Textes, der Metrik, der Syntax und der Narrativik (durch Raffungen, Dehnungen, Motivik, Wie-derholungen etc.), identifizieren. Im Rahmen unseres Arbeitskreises wollen wir der Frage nachgehen, inwiefern Interdependenzen zwischen textexternen Rhythmen und jenen auf der Textebene bestehen. Wie werden zyklische oder lineare Ordnungen – zum Beispiel die Phasen des menschlichen Lebens, Genealogien oder auch der Ablauf des Kirchenjahres – aufgegriffen, um das Erzählen und das Erzählte zu strukturieren? Bedingen sich vorherrschende Zeitvorstellungen und sprachgebundene Rhythmisierungselemente gegenseitig? Inwiefern unterliegt der einem Stoff „angemessene“ Rhythmus dem Wandel der Zeit? Letzteres könnte beispielhaft an der Umsetzung eines Sagatextes in gebundene Rímur-Form und zurück zum Prosatext untersucht werden. Der Arbeitskreis ist als Workshop konzipiert, in dem Beiträge verschiedener Arbeitsphasen vor- und zur Diskussion gestellt werden können. Dabei steht weniger das Präsentieren druckreifer Vorträge als das gemeinsame Erarbeiten dieses vielfältigen Themenkomplexes im Mittel-punkt des Interesses. Aus diesem Grund schlagen wir vor, im Arbeitskreis auch eine gemeinsame Lektüre ausgewählter Textausschnitte vorzunehmen, die wir rechtzeitig vorher zusammen mit einigen grundlegen-den Sekundärtexten an die Teilnehmer des Arbeitskreises als Reader verschicken werden. Lektürevorschläge der Teilnehmer sind herzlich willkommen; wir freuen uns auf vielfältige Ideen und neue Gedanken, die wir auch gerne im Vorfeld telefonisch, elektronisch oder persönlich besprechen können. Neben der gemeinsamen thematischen Arbeit soll Interessenten am Ende die Möglichkeit gegeben werden, in diesem Kreis auch andere, thematisch ungebundene, Forschungsprojekte vorzustellen. zur Übersicht: Arbeitskreise |