Humboldt-Universität zu Berlin - Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät - Nordeuropa-Institut

Altnordische Dichtung. Grundlagen und Anwendung
neuerer kulturwissenschaftlicher Theoriekonzepte
Debora Dusse
UE 52 283 Blockkurs/Beginn: Fr 21.4., 16–18 MOS 103  


Seit einigen Jahren werden auch in der skandinavistischen Mediävistik verstärkt kulturwissenschaftliche Ansätze erprobt. Voraussetzungen hierfür sind zum einen ein erweiterter Textbegriff und zum anderen neuere Theoriekonzepte, wie zum Beispiel das der ‚New Philology', der ‚Performativität' und der ‚Historischen Anthropologie'. In der Übung werden wir uns zunächst mit den Grundlagen ausgewählter neuerer Ansätze befassen und sie in einem zweiten Schritt in exemplarischer Weise auf die altnordische Dichtung anwenden. Schließlich soll das erneute Interesse an der kulturellen Dimension von Überlieferung zu früheren Phasen der Fachgeschichte – vor allem zur Tradition der ‚Germanischen Altertumskunde' – in Bezug gesetzt werden.

Teilnahmevoraussetzung : Altnordischkenntnisse.

Zur ersten Orientierung eignen sich die Beiträge in: Susanne Kramarz-Bein (Hg.): Neue Ansätze in der Mittelalterphilologie – Nye veier i middelalderfilologien. Frankfurt am Main 2005.

Termine: Fr 21.4. 16–18; Fr 12.5. 16–18, Sa 13.5. 10–16; Fr 9.6. 16–18, Sa 10.6. 10–16; Fr 7.7. 16–18, Sa 8.7. 10–16; Fr 14.7. 16–18.

Lektürekurs: Kjalnesinga saga Jón Gíslason
UE 52 284 Do 12–14 MOS 110  

Die Übung soll die Möglichkeit bieten, die im Altisländischkurs erworbenen Kenntnisse zu vertiefen. Wir werden die Kjalnesinga saga , die auf Island Anfang des 14. Jahrhunderts entstanden ist, gemeinsam lesen und übersetzen. In der Saga wird u. a. über die Konfrontationen zwischen den Nachkommen christlicher Sied­ler aus den keltischsprachigen Gebieten der Britischen Inseln und den hauptsäch­lich heidnischen Siedlern Islands berichtet.

Von Herrschern und Heiligen – die skandinavische Welt im Mittelalter in Quellen und Bildern Astrid Heyde
UE 52 285 Mi 14–16 MOS 110  

Diese Übung will einen Überblick vermitteln über die skandinavische Geschichte des Mittelalters vom 9. Jahrhundert bis 1523, also vom Beginn der Christianisierung bis zur Thronbesteigung Gustav Vasas. Die ereignis-, sozial-, wirtschafts- und geistesgeschichtlichen sowie kulturhistorischen Entwicklungen dieser Epoche sollen dabei insbesondere unter den Aspekten betrachtet werden, wie und unter welchen Voraussetzungen die europäische Integration Skandinaviens ablief, welche Auswirkungen dies auf die nordischen Länder hatte und welche Bedeutung die Staaten des Nordens für Europa gewinnen sollten. Dabei soll auch eine allgemeine Einführung in die Quellenkunde des Mittelalters gegeben werden.

Um die Inhalte der Veranstaltung anschaulicher und einprägsamer zu machen, werden in jeder Sitzung eine berühmte Quelle oder Quellensammlung sowie überlieferte Objekte in Bildern vorgestellt und betrachtet sowie Konzeptpapiere ausgeteilt. Altsprachliche Kenntnisse werden nicht vorausgesetzt.

Einführende Literatur: M. Kaufhold: Europas Norden im Mittelalter. Die Integration Skandinaviens in das christliche Europa (9.–13. Jh.). Darmstadt 2001. – B. Sawyer/P. Sawyer: From Conversion to Reformation circa 800–1500 . Minneapolis/London 1993 (= The Nordic Series ; 13). – K. von See: Europa und der Norden im Mittelalter . Heidelberg 1999.

Mythologie, Grammatik und Rhetorik in einem Poetikhandbuch? Der Codex Wormianus der Snorra-Edda. Ein altnordisches Lehrbuch der Poetik und Grammatik Sönke Myrda
UE 52 286 Do 16–18 MOS 110  

Der Codex Wormianus (CW) ist eine der vier Haupthandschriften der sog. Prosa-Edda – Snorri Sturlusons Lehrbuch für Skalden, das neben der Darstellung der skaldischen poetischen Umschreibungen (heiti/kenningar) und Versmaße, auch eine Hauptquelle für „die“ altnordische (und „germanische“) Mythologie darstellt. Zusätzlich überliefert der CW als einziges Manuskript alle vier sog. Grammatischen Abhandlungen inkl. eines Prologs, die sich in (auch im europäischen Kontext) einzigartiger Weise mit sprachtheoretischen, orthographischen, rhetorischen, stilistischen usw. Problemen der altnordischen/altisländischen Volkssprache beschäftigen. Im engeren („modernen“) Sinne bietet der CW damit Mythologie (Snorra-Edda mit Formáli, Gylfaginning, Skáldskaparmál), Poetologie (Snorra-Edda mit Skáldskaparmál, Háttatal/ókenndheit-Redaktion, Rigsþula und die Grammatischen Abhandlungen II–IV) und Grammatik (die Grammatischen Ab­handlungen I–III) und stellt somit ein herausragendes Zeugnis altisländischer Sprach- und Schriftkultur dar.

Das Seminar soll in diese komplexe Kompilationshandschrift bzw. die in ihr versammelten zentralen altnordischen Texte einführen und Möglichkeiten bieten, u.a. an den konkreten Texten unterschiedliche mediävistische, kulturgeschichtliche und linguistische Aspekte resp. Fragestellungen der Skandinavistik zu erörtern.

Mögliche Seminarthemen:

  • Snorris „nordisch-germanische“ Mythologie (Vergleich mit anderen mythologischen Überlieferungen)
  • Snorris ars poetica
  • Die altisländischen Grammatischen Abhandlungen im europäischen mittelalterlichen Kontext
  • Die EGA: eine erste germanische/die erste moderne Phonologie?
  • Der CW – ein konsistentes, bewusst konzipiertes Poetiklehrbuch?
  • Problemkreis: Mittelalterliche Texte, Handschriften, Autorschaft im Mittelalter
  • Wissenskultur und europäische Gelehrsamkeit im Mittelalter

Teilnahmevoraussetzungen: Altnordischkenntnisse und Kenntnisse moderner skandinavischer Sprachen bzw. Englisch vorteilhaft, nicht zwingend erforderlich. Bitte eine Übersetzung der Prosa-Edda in eine moderne Sprache lesen/besorgen (auf Deutsch z. B. Arthur Häny bei Manesse 1991, Arnulf Krause bei Reclam 1997)!

Literatur zur Einführung: Finnur Jónsson (ed.): Edda Snorra Sturlusonar. Codex Wormianus. AM 242 fol. København u. Kristiania 1924 (od. div. andere Ausgaben der Snorra-Edda mit Háttatal). – Zur Snorra-Edda: Artikel Edda, jüngere im RGA. – Kurt Schier: Zur Mythologie der Snorra Edda: Einige Quellenprobleme. In: Ders.: Nordlichter. Ausgewählte Schriften 1960–1992 . München 1994, S. 102–121. – Zur grammatikalischen Tradition: Fabrizio Raschellà: The classical heritage in old icelandic grammatical literature. In: L´antichita nella cultura europea del medioevo. Ergebnisse der internationalen Tagung in Padua . Greifswald 1998, S. 117–126. – Jurij Kusmenko: Skizze einer Geschichte der Sprachkultur in Island. In: Jürgen Scharnhorst (Hg.): Sprachkultur und Sprachgeschichte. Frankfurt/M. 1999, S. 47–63. – Zum CW: Karl G. Johansson: Studier i Codex Wormianus. Skrifttradition och avskriftsverksamhet vid ett isländskt skriptorium under 1300-talet. Göteborg 1997.

Leistungsnachweis: Aktive Teilnahme und Referat.

left.gif Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2006