Humboldt-Universität zu Berlin - Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät - Nordeuropa-Institut

Wissenschaftliche Projekte – Jahresbericht 2005

Kola-Sámi Documentation Project (KSDP)
Linguistic and ethnographic documentation of the endangered Kola-Sámi languages

Das Projekt beschäftigt sich mit den akut vom Aussterben bedrohten saamischen Sprachen Russlands: Akkala, Kildin, Skolt (Notozerskij-Dialekt) und Ter. Obwohl die russischen Saami seit dem 15. Jahrhundert unter Russifizierungsdruck standen, konnten sie ihre soziale, ökonomische und kulturelle Identität bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bewahren. Durch den dann einsetzenden Rohstoffabbau und die militärische Aufrüstung der Gegend aber setzte ein Zustrom anderer Kulturen ein, der – einhergehend mit der Umsiedlung der Saami aus soziopolitischen, ökonomischen und militärischen Gründen – zu einer Zerstörung der ursprünglichen Sprechergemeinschaften führte. Mehr und mehr verschwand das Saamische aus dem öffentlichen Leben. Heute beherrscht höchstens noch ein Drittel der etwa 1.800 Sami in Russland ihre Muttersprache, und die meisten Sprecher gehören der älteren Generation an.

Ziel des Dokumentationsprojektes ist es, eine breitestmögliche Variation von Textgenren aufzunehmen, zu transkribieren und zu annotieren. Der Fokus der Dokumentation liegt auf ungeplanten und unstrukturierten Erzählungen und Gesprächen sowie auf spontanen Äußerungen im Kontext der traditionellen saamischen Beschäftigung wie der Rentierzucht und des Kunsthandwerks. Es geht um Lebensgeschichten, um Geschichten von Örtlichkeiten, über die Arbeit und das Alltagsleben. Alle Aufnahmen werden transkribiert und morphologisch glossiert, ins Englische und Russische übersetzt sowie mit Annotationen und ethnografischen Anmerkungen versehen. Des Weiteren soll die soziolinguistische Situation der russischen Saami umfassend dokumentiert werden.

Das Projekt wird als Teil der Förderinitiative Dokumentation bedrohter Sprachen (DoBeS) mit 300.000 Euro von der Volkswagen-Stiftung unterstützt. Der Förderzeitraum beträgt drei Jahre. Projektstart war September 2005. Das Projekt unterhält eine enge Kooperation mit dem Institut Sámi dutkan (Saamische Studien) der Universität Umeå (Leiter Prof. Dr. Mikael Svonni), dem Nacional'nyj Kul'turnyj Centr (Nationales Kulturzentrum) in Lujavv'r (Leiterin Larissa Avdeeva), der Associacija Kol'skih saamov (Vereinigung der Kola-Saami) in Murmansk (Leiterin Nina Afanas'eva), dem Karel'skij naucnyj centr Rossijskoj akademija nauk (Karelisches Forschungszentrum der Russischen Akademie der Wissenschaften) in Petrozavodsk (Leiterin Dr. habil. Irma Mullonen) und der Sankt-Peterburgskij gosudarstvennyj universitet, Filologiceskij fakul'tet, Kafedra finno-ugorskoj filologii (St.-Petersburger staatliche Universität, Philologische Fakultät, Finno-ugrische Abteilung, Leiter Prof. Dr. Aleksandr Volodin). Ständige Projektmitarbeiter sind Prof. Dr. Jurij Kusmenko, Michael Rießler, M.A., (Berlin), Elisabeth Scheller, M.A., (Umeå) sowie die saamischen Assistentinnen Nadezhda Zolutochina (Lujavv'r) und Nina Afanas'eva (Murmansk).