Faszination
des Illegitimen.
Alterität in Konstruktionen von Genealogie, Herkunft und Ursprünglichkeit
in den skandinavischen Literaturen seit 1800
Familiengeschichten haben bis heute ungebrochen
Konjunktur. Die hier entworfenen Konzepte von Verwandtschaft stehen
im Spannungsfeld von Legitimität und Illegitimität: Immer wieder geht
es um uneheliche Kinder, fehlende Väter und Mütter, gebrochene Familienstrukturen,
wobei sich die Frage nach Herkunft und Ursprung, nach Genealogie und
Verwandtschaft als zentral erweist. Alterität wird damit zu einem
konstitutiven Element jeder Ursprungserzählung.
Verbunden mit diesen "kleinen" Geschichten von Verwandtschaft und
Familie sind die "großen" Herkunftserzählungen, die der Herstellung
kollektiver Identitäten dienen, wie z. B. religiöse Ursprungsmythen
oder Konzepte von Nation im 19. Jahrhundert. Inwiefern sich auch in
den Identitätskonstruktionen der modernen skandinavischen Nachkriegsgesellschaften
entsprechende Muster finden lassen, stellt eine wichtige Frage der
Tagung dar.
Denkfiguren von Familie und Verwandtschaft verknüpfen dabei Diskurse
unterschiedlicher Disziplin: Philologie, Sprachwissenschaft und Ästhetik,
Medizin, Anthropologie und Psychologie, Biologie und Evolutionstheorie,
Religionsgeschichte und Mythologie verwenden gleichermaßen Begriffe
wie Genealogie, Genus, Gattung, Stammbaum, Verwandtschaft.
Für Literatur und Literaturwissenschaften spielen Konzepte von Verwandtschaft
und die darin enthaltene Funktion von Alterität eine zentrale Rolle.
Dies deutet sich nicht nur in der genannten Begriffs"familie" an.
Literatur nahm darüber hinaus im 19., aber auch im 20. Jahrhundert
eine wichtige Stellung in der Vermittlung der großen Herkunfts-Erzählungen
und Bildwelten ein. Ihre Stellung in diesem Prozess ist aber alles
andere als eindeutig. Sie erscheint einerseits prädestiniert zur Aneignung
des kulturell Anderen, zugleich aber galt und gilt Literatur selbst
oft als ein Anderes, als Gegenwelt zur gesellschaftlichen Wirklichkeit.
Auf der Tagung sollen zum einen Texte befragt werden, die sich inhaltlich
mit dem Entwurf von Alterität in Konstruktionen von Genealogie, Herkunft
und Ursprünglichkeit auseinandersetzen. Zum anderen gilt es, das Verhältnis
von Literatur und Literaturwissenschaft zum Verwandtschaftsdiskurs
auszumachen.
Die Tagung findet vom 23.-25.
Februar 2006 in Berlin statt.
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