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Susanne Maerz
"Vergangenheitsbewältigung" in Norwegen
als Alteritätsdiskurs
Das Forschungsprojekt zielt auf die Analyse
von Inklusions- und Exklusionsprozessen in Debatten um "Landesverräter"
und andere "traumatische" Aspekte der deutschen Besatzung in Norwegen
nach dem Zweiten Weltkrieg. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die
Frage gelegt, wie bestimmte Medien (Literatur, Sachbuch, Dokumentarfilm,
Zeitung u.a.) und der Wechsel zwischen diesen Medien die Konstitution
und Vermittlung des vorherrschenden Bildes über die Besatzungszeit
beeinflussen.
Ausgangspunkt sind Debatten zur "Vergangenheitsbewältigung" von den
sechziger Jahren bis heute. In allen untersuchten Debatten werden
die Grenzen zwischen den der nationalen Gemeinschaft Zugehörigen,
die dem positiven kollektiven Selbstbild entsprechen, und den anderen
verhandelt, die aufgrund ihrer Beziehung zur nationalsozialistischen
Vergangenheit während der deutschen Besatzung aus dem nationalen Konsens
ausgeschlossen worden sind. Die Untersuchung fragt danach, wie sich
in jedem einzelnen Fall die Konstitution des Anderen auf die Bewältigung
der traumatischen Okkupationszeit auswirkt. Beispielsweise wird verglichen,
wie mit "klassischen" Landesverrätern (Kollaborateuren) auf der einen
Seite und den "Tyskerbarn", den als Feind im Eigenen stigmatisierten
Kindern von norwegischen Frauen und deutschen Soldaten auf der anderen
Seite, umgegangen wird. Gefragt wird auch nach dem Einfluss des Mediums
- z.B. Dokumentarroman (Th. Hansen: Der Hamsun-Prozess), Biographie
(R. Hewins: Quisling. Profet uten ære, Oslo 1966) oder Film (I Solkorsets
Tegn) - auf die Art der Debatte und den Umgang mit dem Anderen im
Eigenen. So hat etwa in der Frage der "Tyskerbarn" erst die literarische
Thematisierung (durch Herbjørg Wassmo) einer öffentlichen Thematisierung
den Weg bereitet.
Die folgenden öffentlichen Debatten im Norwegen der Nachkriegszeit
werden berücksichtigt:
- Debatte über Ralph Hewins Biographie "Quisling.
Prophet without honour" und ihre norwegische Übersetzung. (1965-70)
- Debatte über die Storting-Abgeordneten
und ehemaligen NS-Mitglieder Hanna Kvanmo und Kåre Øystein
Hansen (1973/74)
- Debatte über Thorkild Hansens dokumentarisches Buch "Prosessen mot Hamsun" (1978)
- Debatte über den Dokumentarfilm "I solkorsets tegn" (1981)
- Norwegischer Historikerstreit (in Anlehung an die deutsche Auseinandersetzung) (1987 bis 90)
- Jødebo-Debatte über die Entschädigung norwegischer Juden für während der
Besatzungszeit beschlagnahmtes Vermögen (ab 1995, vor allem 1997)
- Debatte über die Rechtmäßigkeit der Liquidationen von Verrätern durch den norwegischen
Widerstand (1997)
- Debatte über das Schicksal der "krigsbarn", der Kinder norwegischer Frauen mit deutschen
Soldaten (1998ff.)
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